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Ärzte sollten kooperieren

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Vergleichsweise günstig ist Österreichs Versorgung mit Ärzten und Spitalsbetten, eher ungünstig unser Gesundheitsstandard. Grund genug, eine Änderung des Gesundheitswesens zu überlegen.

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Vergleichsweise günstig ist Österreichs Versorgung mit Ärzten und Spitalsbetten, eher ungünstig unser Gesundheitsstandard. Grund genug, eine Änderung des Gesundheitswesens zu überlegen.

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Ganz eindeutig ergeben die gesammelten Daten und Fakten zur Entwicklung der Krankheitsarten in den letzten zwanzig Jahren und über den Anteil der Kranken an der Gesamtbevölkerung nach objektiven Kriterien und nach der subjektiven Meinung der Befragten, daß gesundheitserzieherische Maßnahmen vorrangig in Angriff genommen werden müssen.

Als Beispiel sei nur der Alkoholkonsum genannt: In der Sterblichkeit (und damit ja auch in den Krankheitsfällen) an Leberzirrhose,die j a dochzum überwiegenden Teil auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückgeführt werden kann, nimmt Österreich bei den Männern die erste, bei den Frauen die dritte Stelle ein.

Die Verkehrsunfallstatistik unterstreicht ebenfalls die Wichtigkeit gezielter Maßnahmen gegen

den Alkohol am Steuer: Mehr als zehn Prozent der durch Verkehrsunfälle Verletzten bzw. Getöteten (6.391 Personen) sind infolge Trunkenheit verunglückt.

Hier eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld für Gesundheitspolitiker, Ärzte und Landwirtschaft.

Und die Gesundheitspolitik? Zwei Stoßrichtungen sind zu erkennen. Zum einen die Sorge um Kranke und Behinderte, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten ins Erwerbsleben eingegliedert und nicht mit Pensionen oder fürsorgerischen Leistungen „abgespeist“ weräen dürfen.

Hilfestellungen für Arbeitgeber, die bereit sind, unter erschwerten Bedingungen einsatzfähige Dienstnehmer zu beschäftigen (wie sie die Unfallversicherung in schweren Fällen zur Verfügung stellt), und geschützte Werkstätten sind nicht nur in vielen Fällen billiger, sie vermitteln sehr oft den Empfängern einen Grad des sozialen Wohlbefindens, der nach dem objektiven Befund gar nicht zu erwarten wäre.

Daß dem so ist, zeigen die Befragungsergebnisse des Mikrozensus 1978 auf: Mehr als 50 Prozent der behinderten Personen, die einer Beschäftigung nachgehen (im Vergleich: 66 Prozent der Gesamtbevölkerung), bezeichnen ihren Gesundheitszustand als sehr gut bis gut.

Die andere Stoßrichtung wäre aus der Krankheitsart abzuleiten — in den letzten zwanzig Jahren hat sich das Bild in vielen Punkten wesentlich geändert: Krankheiten sind (beinahe) verschwunden, andere, früher kaum bekannte, sind heute weit verbreitet. Wer aber der Krankenbehandlung bedarf, der sollte — so meinte die Studie — aus dem heute schon in zu vielen Fällen zur Regel gewordenen Kreislauf „praktischer Arzt - Facharzt - Spital - praktischer Arzt“ soweit wie medizinisch und pflegerisch möglich herausgehalten werden. Nicht nur, weil dieser Weg teurer ist, sondern vor allem, weil er den Patienten zusätzlich zu seiner Krankheit belastet.

Zuerst der Praktiker: Er kennt den Patienten, der ihm nur die aktuellen Beschwerden schildern muß. Allerdings braucht er Befunde, die er nicht selbst erstellen kann. Also zum Facharzt: Er kennt den Patienten nicht, muß also die ganze Lebensgeschichte erfragen und nimmt dann seine Spezialuntersuchungen vor.

Und wenn er etwas feststellt,

was einer umfangreicheren Behandlung bedarf, dann ab ins Spital. Der dritte Arzt: Er kennt den Patienten wieder nicht, er traut weder ihm, (Aeskulap sei’s geklagt), noch seinem Kollegen aus der Praxis und beginnt wieder von vorne mit Befragung und Befunderhebung.

So müßte, so dürfte es nicht sein, meinen die privaten Krankenversicherer in ihrer Studie.

Neuartige Organisationsformen der ärztlichen Behandlung außerhalb des Krankenhauses und der Zusammenarbeit zwischen den niedergelassenen Ärzten und den Krankenanstalten könnten viele Krankenhausaufenthalte unnötig oder zumindest kürzer machen und den Patienten die Tortur der mehrfachen Befunderhebung und die mit einem Krankenhausaufenthalt verbundenen psychischen Belastungen ersparen oder diese vermindern.

So würden z. B. Apparategemeinschaften in räumlicher Nähe praktizierender Ärzte das Weiterreichen von Patienten in vielen Fällen unnötig machen, ohne den einzelnen Arzt wirtschaftlich über Gebühr zu belasten. Die Anschaffungskosten könnten geteilt, die erforderliche Auslastung sichergestellt werden.

95 Prozent der befragten Experten hielten eine solche Kooperation für gut, 53 auch für realisierbar.

Eine ähnlich hohe Zustimmungsquote fand die „Praxisgemeinschaft“ (93 Prozent), etwas weniger günstig wird allerdings die Realisierbarkeit eingeschätzt (49 Prozent). In der Praxisgemeinschaft führen mehrere Ärzte ein gemeinsames Sekretariat, gemeinsame Wartezimmer und Apparaturen, doch betreut jeder Arzt seine eigenen Patienten.

Und letzteres erscheint nach wie vor ganz besonders wichtig. Das zeigt die Studie in zweifacher Hinsicht deutlich auf. Einerseits findet der Gedanke an eine „Gemeinschaftspraxis“ (Ärzte betreuen in einer gemeinsamen Praxis abwechselnd — nach einem Turnussystem — die Patienten) nur wenig Zustimmung bei den Experten (63 Prozent: „keine gute Idee“), andererseits wird die — vielleicht revolutionärste — Vision einer Ausweitung des Belegarztsystems von 57 Prozent der Befragten als sehr gute bzw. gute Idee bewertet.

Diese neue Organisationsform, die ja aus Privatkrankenanstalten geläufig ist, würde die Einheitlichkeit der Behandlung sicherstellen, den Patienten in der Obhut seines gewohnten Arztes belassen und die Doppel- und Dreifachbefundungen erübrigen. Sie hätte also in gesundheitlicher und wirtschaftlicher Sicht erhebliche Vorteile, die zweifellos damit verbundenen organisatorischen Probleme sollten zumindest in einem gewissen Rahmen lösbar sein.

GESUNDHEITSWESEN IN ÖSTERREICH. Von Evelyne Mayer-Deyssig im Auftrag der privaten Krankenversicherung.

Der Autor ist Direktor der Ei sten Allgemeinen Versicherungs-AG.

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