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Manuelle Therapie

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85 Prozent aller Menschen \J haben ihr Kreuz mit dem Kreuz. Eine Tatsache, die Professor Hans Tilscher, Primararzt am Orthopädischen Spital in Wien, noch mit folgenden Aussagen untermauert: „Die wichtigste Schmerzursache des menschlichen Körpers ist der gestörte Bewegungsapparat und hier wiederum ist es die Wirbelsäule. Drei Viertel aller Beschwerden rühren vom Rückgrat. Neben den Unannehmlichkeiten für die Betroffenen sind diese Beschwerden auch sozialmedizinisch von eminenter Bedeutung. Immerhin kosten diese Erkrankungen dem Staat mehr Krankenstandstage als eine normale Grippe!”

Die Ursachen für diese Erkrankungen sind vielfältig. Der Mensch, von Natur aus für Bewegung geschaffen, bewegt sich zuwenig oder falsch. Fließbandarbeit, falsches Sitzen im Büro oder Liegen zu Hause, aber auch die Veranlagung, das Wetter und selbstverständlich auch Störungen der Psyche sind nur einige der Krankmacher.

Was aber wirklich die „Plage” ausgelöst hat, ist eigentlich gar nicht immer leicht zu ergründen. Gleiche Ursachen haben oft die verschiedensten Wirkungen. Dazu kommt noch ein für die manuelle Medizin wichtiger Aspekt. Die meisten Erkrankungen der Wirbelsäule zeigen am Röntgenbild keine Auffälligkeiten. Auch die Laborbefunde sagen oft nicht viel aus. Deswegen die Schmerzen jedoch auf „Abnützung” oder die Psyche zu schieben, wäre falsch. Die Ursachen liegen vielmehr - und das zum größten Teil - in Funktionsstörungen, die in der manuellen Medizin folgendermaßen geortet werden:

• genaues Studium der Vorgeschichte der Krankheit und

• manuelle Untersuchung, denn „nur wer den Patienten angreift, kann ihn auch begreifen”.

Weiters gibt es zwei große Therapieansätze:

• Bei akuten Schmerzen wird alles getan, um die Schmerzen zu unterdrücken (Ruhigstellung, Medikamente, Kältetherapie).

• Bei chronischen Schmerzen werden Reize gesetzt. Das kann auf die verschiedenste Weise geschehen (Wärme, massieren, drücken, stechen, einreiben).

All das sind Reflextherapien über die Haut, ähnlich dem Handauflegen auf die schmerzende Backe eines Kindes, das zahnt. Auch die vorhin beschriebene Neu-raltherapie und Akupunktur sind Reflextherapien. „Sie setzen Nadelstiche, reizen dabei, und beabsichtigen damit eine Änderung der Funktionsstörung in der Tiefe”, erklärt Professor Tilscher.

Will man nun die Schmerzen mit bleibendem Erfolg loswerden, bedarf es einer angepaßten, maßgeschneiderten, ganzheitsmedizinischen Therapie (zum Beispiel individuell angepaßte Gymnastik und Übungen), die dann auch vom Patienten mit eiserner Disziplin durchgeführt werden müssen.

Eine Behandlungsform, die im Rahmen der manuellen Therapie angewendet wird und große fachliche und praktische Erfahrung voraussetzt, soll besonders erwähnt werden:

Die Chiropraktik

Der Chiropraktiker (Chirothe-rapeut = Manualtherapeut) behandelt „Wirbelblockaden” mit speziellen Handgriffen. Durch eine Wirbelblockade können die durch das Zwischenwirbelloch verlaufenden Nervenfasern irritiert oder sogar gequetscht werden, was schwere Organstörungen zur Folge haben kann.

Der Chirotherapeut läßt seine Hand über das Rückgrat des Patienten gleiten und tastet so die Wirbelsäule ab. Findet er den blockierten Wirbel, bringt er diesen mit einem Ruck wieder in die richtige Lage.

Die Ausbildung zum Chiropraktiker wird in Österreich von der Österreichischen Ärztegesellschaft für Manuelle Medizin durchgeführt, seit 1. Jänner 1991 zusammen mit der Ärztekammer. Um den strengen Ausbildungsvorschriften gerecht zu werden, müssen sechs einwöchige Kurse besucht werden, wo pro Woche etwa 40 Stunden geübt werden. Der Kurs schließt mit einem Zertifikat ab. Nur solcherart ausgebildete Mediziner sollten diese Manipulation durchführen, denn bei nicht sachgemäßer Anwendung ist der ' Schaden oft größer als der Nutzen. „Chirotherapie gehört primär in die Hand des Arztes”, warnt auch Professor Tilscher.

Das „Wirbeleinrenken” wird von der Sozialversicherung bezahlt. Für Auskünfte steht zur Verfügung: Österreichische Ärztegesellschaft für Manuelle Medizin, Speisingerstraße 109, 1134 Wien, Telefon 0222/80 182 0.

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