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Ein verstärkter geistiger Abbau
Die Medizin beschert heute den Menschen eine steigende Lebenserwartung. Dieser Fortschritt ergibt allerdings nur dann wirklich Sinn, wenn auch die geistigen Fähigkeiten gepflegt und erhalten werden und so ein Altern in Menschenwürde möglich ist.
„Wir stehen vor der schwierigen Aufgabe, Hirnleistungsstörungen früh zu erkennen, um eine weitere Progression zu verhindern. Der Prophylaxe kommt allergrößte Bedeutung zu, kein therapeutischer Nihilismus bei alten Menschen”, fordert Dieter Volc, Leiter des Prosenex Ambulatoriums Josefstadt für Neuroge-riatrie in Wien. Auch diese medizinische Altersversorgung ist ein brennendes Problem der Gegenwart.
In der westlichen Welt nehmen Demenzerkrankungen zu. Fin Grund dafür ist die seit der Jahrhundertwende um 30 Jahre gestiegene Lebenserwartung. In naher Zukunft wird die Gruppe der über 65jährigen mehr als ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Schon ab dem 22. Lebensjahr nimmt aber die geistige Mobilität und Aufnahmefähigkeit ab, die Erfah-
rung hingegen zu. Die Übergänge zwischen altersbedingtem geistigen Abbau und krankhaftem Verfall sind häufig fließend und daher nicht immer gleich zu erkennen.
Zunächst ist die Reaktion verlangsamt und die Flexibilität vermindert. Dazu kommen Sprechschwierigkeiten, Namen und Begriffen fallen einem nicht mehr ein. Das Langzeitgedächtnis bleibt erhalten, das Kurzzeitgedächtnis läßt nach. Die Umwelt und auch viele Betroffene merken zwar die nachlassende geistige Vitalität, haben aber oft Hemmungen sie auszusprechen und einen Arzt aufzusuchen.
Etwa 30 Prozent der Patienten könnte bei rechtzeitiger Therapie geholfen werden
„Dabei verfügt die moderne Medizin über vielfältige Methoden, die frühzeitig erkannten Hirnleistungsstörungen wirksam zu beeinflussen. Das reicht von vorbeugenden Medikamenten bis zu operativen Eingriffen und psychologischen Hinweisen, wie Familie und Mitmenschen helfen können”, betont Volc. Wenn allerdings zu lange zugewartet wird, kann
es zum totalen Verlust des Gedächtnisses kommen. Für dieses Stadium gibt es noch keine wirksame Therapie, das Pflegeheim ist oft trauriges Schicksal dieser Menschen. „Dabei wird immer wieder außer acht gelassen, daß diese Pflegefälle nicht an der unheilbaren Alzheimer-Krankheit leiden, sondern an einer gefäßbedingten Demenz. Etwa 30 Prozent der Patienten könnte durch eine rechtzeitige Therapie geholfen werden”.
Die Ursachen für die Demenz liegen vor allem in der Störung der kleinen Gefäße des Gehirns, in Herzem-bolien oder in der Beeinträchtigung der Blutfließeigenschaften. Als Risikofaktoren gelten, abgesehen vom Alter, vor allem starkes Rauchen, Bluthochdruck, Streß, Diabetes und Bewegungsmangel.
Auch Übergewicht spielt eine Bolle, wobei die männliche Fettverteilung-, nämlich großer Bauchumfang bei schmäleren Hüften, ein größeres Risiko darsteMt.
Nicht vergessen darf man, daß auch der Wasserhaushalt des Körpers, so erstaunlich das klingt, eine Rolle spielen kann, denn er beeinflußt die Blutfließeigenschaften. Vor allem ältere Frauen empfinden nur wenig Durstgefühl, der tägliche Wasserbedarf wird daher nicht gedeckt. Hier hilft gezielte Aufklärung. „Genügend Wasser ist bei älteren Menschen oft wesentlich wichtiger als der viel zu häufige Einsatz von Medikamenten wie Neuroleptica und Tranquilizer”, empfiehlt Neurologe Volc.
Die Fließeigenschaften des Blutes können, falls Wasserzufuhr allein nicht ausreicht, auch medikamentös beeinflußt werden. Darüber hinaus ist man in der Lage, auch die Membran der roten Blutkörperchen zu verändern.
Neben der medizinischen Behandlung sollte aber auch die persönliche Betreuung des alternden Menschen nicht vernachlässigt werden. Er sollte in der Gemeinschaft integriert bleiben und so lange wie möglich seine Selbständigkeit erhalten. Nimmt man ihm jede Verantwortung und Aufgabe ab, schwächt man damit auch die Widerstandskraft gegen den Prozeß des Vergessens.
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