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Schmerzen individuell behandeln

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Die überwiegende Mehrzahl der Krebspatienten wird vom Schmerzproblem, das direkt oder indirekt durch den Krebs verursacht wird, betroffen. Tatsächlich ist der Schmerz eines der gefürchtetsten Symptome und stellt zuweilen für den betreuenden Arzt bei der Behandlung seiner Patienten die schwierigste Aufgabe dar. Aus nationalen epidemiologischen Studien kann abgeleitet werden, daß zirka 30 Prozent der Krebspatienten mit aktiver Tumortherapie und 60 bis 90 Prozent bei weit fortgeschrittenem Leiden, an mäßigen bis starken Schmerzen leiden. In einer 1984 von der WHO durchgeführten Studie kommt Stjemswärd zu der Annahme, daß 3,5 Millionen Menschen täglich an Krebsschmerz leiden.

Die häufigsten Ursachen für akuten Schmerz sind eine pathologische Knochenfraktur oder eine Perforation im Abdominaltrakt. Akuter Krebsschmerz kann auch indirekt durch

Neoplasmen entstehen: scharf schneidende Schmerzen in den Extremitäten, Muskelspasmen oder unspezifische Körperschmerzen. Diese Erscheinungen können durch eine krebsbedingte Stoffwechselstörung erklärt werden.

Psychische Veränderungen

Chronischer Schmerz ist gekennzeichnet durch einschleichenden Beginn und stetige Zunahme von Häufigkeit und Intensität. Dies führt zu psychischen Veränderungen vorwiegend depressiver Natur. Den Hauptgrund chronischer Schmerzen stellen Kompression oder Infiltration des Nervensystems dar. Eine andere häufige Ursache sind langsam wachsende Tumore im Gastrointestinaltrakt, welche die Passage beeinträchtigen.

Die komplexen Ursachen und Wechselwirkungen machen in jedem Fall eine individuelle Therapieplanung notwendig. Dabei gelten folgende Grundregeln:

Die Schmerzursache ist, wenn möglich, zu lindem oder zu beseitigen.

Chirurgische Möglichkeiten der Schmerztherapie sollten - nach Möglichkeit - erwogen werden.

Sind Analgetika nicht zu umgehen, sollten sie schrittweise nach Wirkungsintensität, von schwach zu stark, gesteigert werden. Die Art des Schmerzes und der psychische Zustand sind von großer Bedeutung. Patienten mit ungebrochenem Lebenswillen brauchen andere Medikamente und Dosierungen als Patienten, die sich stoisch in ihre Situation ergeben, oder solche, welche jede Hoffnung verloren haben. Religiöse, rassische, ethnische oder kulturelle Faktoren beeinflussen Schmerzschwelle und Schmerztoleranz des Individuums und müssen sorgfältig respektiert werden.

Maximale Schmerzlinderung

In terminalen Fällen sind alle Möglichkeiten der Schmerzlinderung auszuschöpfen und der Wunsch des Patienten, in Würde zu sterben, ist zu respektieren. Daher sind, falls erforderlich, zusätzlich Psychotonika und anxiolytische Medikamente zu ver-

abreichen.

Das sind Standardmedikamente, die von der WHO zur Linderung von Krebsschmerzen empfohlen werden.

Wenn die pharmakologische Behandlung nicht erfolgreich ist, muß eine nichtmedikamentöse Therapie versucht werden. Dieses Konzept wurde getestet und in wenigstens drei neueren Studien als sehr nützlich befunden.

Eine weitere Form der Schmerztherapie beruht auf Stimulationstechniken oder Nervenblockade, ein Gebiet, das sich in den letzten Jahren

rasch entwickelt hat. Auch Akupunktur und psychologische Methoden, zunächst allgemein als Quacksalberei angesehen, werden wiederentdeckt und wissenschaftlich untersucht. Blockaden sympathischer Nerven sind in Schmerzkliniken zur Routine geworden. Daneben gibt es neurochirurgische Eingriffe, welche jedoch wegen der postoperativen Komplikationen unattraktiver sind.

Der Autor ist Professor an der Wiener Universitätsklinik für Chemotherapie. Die Beiträge auf dieser Seite sind Auszüge aus Imabe-Quar-talsblätter 2/91

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