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Kopfschmerz — oft ein Alarmzeichen

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Auch das nicht-migräni- sche Kopfweh muß nicht immer harmlos sein. Daher soll bei oft wiederkehrenden Kopfschmerzen vor allem einmal deren Ursache geklärt werden.

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Auch das nicht-migräni- sche Kopfweh muß nicht immer harmlos sein. Daher soll bei oft wiederkehrenden Kopfschmerzen vor allem einmal deren Ursache geklärt werden.

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Anfallsartige, meist halbseitige Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Au- genflimmern—das sind die Kennzeichen der immer wiederkehrenden Migräne-Attacken, unter denen viele Menschen ein Leben lang leiden. Doch nicht alles, was im Kopf unerträglich pocht, hämmert und pulsiert, ist Migräne. Viel weniger erforscht und diskutiert, aber oft nicht minder quälend ist der „ganz normale Kopfschmerz“ , den, gelegentlich oder häufig, rund 50 Prozent der Bevölkerung kennen. Vor kurzem beschäftigten sich in Wien Mediziner der verschiedensten Bereiche mit diesem vernachlässigten Thema.

Der „nichtmigränische Kopfschmerz“ kann „im Unterschied zur Migräne, die eine Gefäßerkrankung ist, auf verschiedenste Ursachen zurückzuführen sein“ , meint Primarius Hans Tilscher, Vizepräsident der Gesellschaft zum Studium des Schmerzes in Wien und Leiter des Kongresses. Die Palette der Beschwerden reicht vom banalen Kopfweh des Alkoholkaters über den besonders häufigen halswirbelbedingten Kopfschmerz bis zu den medi- kamenten- und kreislaufbedingten, oder durch Muskelverspannungen hervorgerufenen Kopfschmerzen.

. Die Erkennung beziehungsweise Ausschließung einer Grunderkrankung stellt oft hohe Anforderungen an den Arzt. Hinter dem Kopfschmerz können sich Erkrankungen des Hals-, Nasen-, Ohrenbereiches, der Zähne oder auch Augen verbergen. Es muß aber auch ein rein psychogenes Kopfweh ins Kalkül gezogen werden.

Ein in der Tagung erarbeiteter Leitfaden und ein ,.Minimalprogramm“ klinischer Untersuchungen sollen dem Praktiker helfen, „schneller, schonender und ökonomischer“ fündig zu werden und dem Schmerzgeplagten die Odyssee von Arzt zu Arzt ersparen.

„Dabei“ , so Tilscher, „kann das ausführliche Gespräch mit dem Patienten die Diagnose bereits in eine bestimmte Richtung lenken.“ Je nachdem, ob die Kopfschmerzen beispielsweise nach einer überstandenen Grippe auftreten, von einem Auffahrunfall herrühren oder bei einem älteren Patienten auch die Augen gerötet sind, wird der Arzt weitere Untersuchungsmethoden einsetzen: die Abklärung des Hals-, Nasen-, Ohrenbereiches, Schädelröntgen, Computertomographie oder eine Überweisung zum Augenfacharzt wegen Verdachtes auf grünen Star.

„Bei der großen Auswahl an modernen diagnostischen Möglichkeiten müssen neben medizinischen Erwägungen auch ökonomische angestellt werden“ , ist der Neuroorthopäde überzeugt „denn auch die.Ärzte müssen sich vert stärkt mit der Kostenexplosion auf dem medizinischen Sektor auseinandersetzen.“ Wahllose und unüberlegte „Fließbanduntersuchungen“ belasten nicht nur den Patienten, sondern, finanziell, auch die Gesellschaft.

Daher sollten gerade bei der Kopfschmerztherapie die medizinischen Randgebiete verstärkt einbezogen werden, „weil sie in erstaunlichem Ausmaß helfen — und eine Akupunkturnadel zweifellos billiger ist als ein aufwendig hergestelltes Präparat“ . Bei der Tagung wurde daher den alternativen Heilmethoden breiter Raum gewidmet: Akupunktur und manuelle Therapien wurden in der Kopfschmerzbehandlung als besonders erfolgreiche und nahezu risikolose Alternativen vorgestellt.

Beim halswirbelsäulenbedingten Kopfschmerz, an dem mehr als die Hälfte aller Kopfweh-Patienten leidet, bietet sich eine Reihe von natürlichen und nichtmedikamentösen Behandlungsmöglichkeiten an, zum Beispiel physikalische Maßnahmen, therapeutische Lokalanästhesie und Muskelbehandlungen. Autogenes Training und Entspannungsübungen werden bei psychisch bedingten Kopfschmerzen empfohlen. Die bisherigen Erfolge von Lasertherapie, als „Biostimulation“ tiefer Gewebsschichten oder Biofeedbackgeräten (die durch Hautelektroden aufgenommene Muskelaktivität wird hier dem Patienten akustisch und visuell wahrnehmbar gemacht) rechtfertigen auch den verstärkten Einsatz dieser Methoden. Ihre Aufwertung soll keine Absage an eine medikamentöse Therapie bedeuten. Bei akuten Schmerzzuständen steht diese weiterhin im Vordergrund.

Als Dauerbehandlung bei chronischen Beschwerden führen Medikamente jedoch zu Vergiftungen und verursachen ihrerseits Kopfschmerzen.

Patienten, die monate- oder gar jahrelang „Pulver schlucken“ , hilft oft nur der Entzug.

Schmerz ist oft ein Warner — Kopfschmerz kann Zeichen einer Erkrankung sein. Medikamente nmißbrauch mit seinen Nebenwirkungen überdeckt oft die zugrunde liegende Krankheit.

Vernünftige Menschen werden daher selbst klären: Rührt das Kopfweh vom föhnigen Wetter oder vom Heurigenabend und läßt es sich mit einem Schmerzmittel aus der Welt schaffen? Oder werden die Kopfschmerzen zunehmend stärker, die Abstände kürzer und das Allgemeinbefinden schlechter — ist ein Arztbesuch also dringend notwendig?

Primarius Tilscher vergleicht den Kopfschmerz mit einer Wunde: „Manche kann man selbst mit einem Pflaster versorgen, die anderen gehören unbedingt ins Unfallkrankenhaus.“

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