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Kalkuliertes Risiko

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Nicht zuletzt durch die Erkenntnisse der Vererbungslehre aber auch durch den Schock der Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki ist die Skepsis bei Laien und engagierten Wissenschaftern gegenüber röntgenologischen und nuklearmedizi-nis&hen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den letzten Jahren immer größer geworden.

Seitdem man weiß, daß auch geringste Mengen einer radioaktiven Strahlung Veränderungen im Erbgefüge eines Lebewesens hervorrufen können, ist die Diskussion um die Erfassung und Berechnung sogenannter Minimaldosiswerte nicht mehr verstummt. Dennoch ist es bis heute nicht gelungen, aussagekräftige Mindestbelastungswerte zu errechnen.

Mit dieser Problematik und der Frage, wie bei Untersuchung und Be^ handlang von Erkrankungen das Strahlenrisiko für die Patienten vermindert werden kann, befaßten sich die Teilnehmer der dritten österreichisch-deutschen Strahlenschutztagung, die im Juni in Baden bei Wien stattfand.

Für Nuklearmediziner und Röntge-nologen geht es vor allem darum, die mögliche Belastung der Patienten zu vermindern und ihnen die Angst vor dem Strahlenrisiko zu nehmen. Sie sind auch der Überzeugung, daß es bei entsprechend sorgfältigem Umgang mit ionisierenden Strahlen praktisch weder Nach- noch Spätwirkungen gibt. Bei einer angenommenen Latenzzeit von 23 Jahren ist das Risiko, an Spätschäden infolge einer Röntgen- oder Isotopenuntersuchung zu erkranken, nahezu Null.

Hingegen hat sich nach Meinung der Fachleute die Sorgfalt im Umgang mit strahlendem Material seit Inkrafttreten des Strahlenschutzgeselzes so verbessert, daß von Jahr zu Jahr immer weniger Gutachten über etwaige „Pannen" im Umgang mit dem umstrittenen Material zu erstellen seien.

Deutsche Nuklearmediziner weisen aber darauf hin, daß die wenigen Fälle von Strahlenschäden, die dem Bundesgesundheitsamt in Berlin gemeldet werden meist Ärzte und Pfiegepersonal betreffen, wo die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht beachtet wurden.

Statistische Angaben über Spätfolgen oder gar Spätschäden sind weder in Osterreich noch in der BRD gemacht worden.

Ein weiteres Argument für die sinnvolle Verwendung von ionisierenden Strahlen in der Medizin ist die Tatsache, daß die Menschheit seit Anbeginn einer natürlichen Strahlenbelastung ausgesetzt ist und sich offenbar darauf eingestellt hat. Ein Spezialatlas, der 1975 vom Gesundheitsministerium herausgegeben wurde, zeigt, daß die natürliche Strahlenbelastung in österreichischen Orten mit mehr als 3000 Einwohnern um Zeh nerpotenzen pro Kopf und Jahr differieren kann. Diese Meßwerte liegen aber nach Ansicht der Experten noch immer weit unter einem nachweisbaren Schädigungsrisiko.

Für die Ärzteschaft sind nuklearmedizinische und röntgenologische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ein fester Bestandteil ihrer Heilkunst und nicht zu ersetzen. Das Gros der Untersuchungen betrifft Knochen- und Zähne-, Lungen- und Magen-Darmtrakt-Diagnosen. Selbst die Mammographie, die röntgenologische Untersuchung der weiblichen Brust, ist für die Früherkennung von Krebserkrankungen noch immer die beste Methode. Sic soll daher auch wieder als fester Bestandteil in die österreichische Gesun-denuntersuchung für Frauen über 40 Jahre „eingebaut" werden.

Der österreichische Verband für Strahlenschutz, der sich seit sechs Jahren mit den Problemen der Dosisverminderung und der Erforschung der Auswirkungen von minimalen Strahlenbelastungen befaßt, leidet aber, wie Verbundschef Univ.-Prof. Rüdiger Seyss feststellte, unter chronischem Geldmangel und hat als privater Verein auch nicht die Mittel, ein eigenes Strahlenforschungsinstitut zu errichten.

Man ist auf die Zusammenarbeit mit der Reaktorforschungsstelle Seibersdorf angewiesen, die für solche Zwecke aber nur begrenzte Möglichkeiten bieten kann. Die Forderung nach einem Bundesinstitut für Strahlenschutz wurde bereits beim Gesundheitsministerium deponiert.

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