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Die Heilkunst des Nadelstechens

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In der Medizin werden neue (alte) Wege beschritten, wie die FURCHE in einigen Beiträgen (vgl. auch die Nummern 38 und 39 von 1982) darstellen möchte.

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In der Medizin werden neue (alte) Wege beschritten, wie die FURCHE in einigen Beiträgen (vgl. auch die Nummern 38 und 39 von 1982) darstellen möchte.

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16 Millionen Nadeln, die rund 100.000 Patienten eingestochen wurden, 15.000 Ärzte aus 107 Ländern, die sowohl theoretisch als auch praktisch ausgebildet wurden - solche Zahlen zeigen, daß Wien in den letzten Jahren zum „Mekka” der Akupunktur in der westlichen Welt wurde. Diese schon quantitativ stolze Bilanz konnte das Ludwig-Boltzmann-Institut für Akupunktur anläßlich seines zehnjährigen Bestehens ziehen.

Suchtentwöhnung oder Face-lifting mittels Akupunktur — derartige Behauptungen mögen zwar für Schlagzeilen sorgen, gehören aber in den Bereich der Scharlatanerie. Heilerfolge bei 80 Prozent der Patienten, die bei Kopfschmerz und Migräne behandelt wurden, sind hingegen Realität.

Etwa ein Drittel der Patienten kommt mit diesen Beschwerden, ein weiteres Drittel leidet an Erkrankungen des Bewegungsapparates, und der Rest der am Ludwig Boltzmann-Institut für Akupunktur behandelten Krankheiten bildet einen Querschnitt durch fast die gesamte Medizin (z.B. kindliches Asthma, Bettnässen, Trigeminusneuralgie, Colitis, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, offene Beine etc.).

Daß aus einer Außenseitermethode ein fester Bestandteil der Schulmedizin wurde — seit zwei Jahren wird sie an der Universität Wien gelehrt — dafür sorgt seit zehn Jahren der Leiter des Instituts, Univ.-Doz. Johannes Bisch-ko: „Die Akupunktur stellt ein Randgebiet der Schulmedizin dar, man muß ihr den Stellenwert geben, der ihr zusteht, aber auch die Grenzen zeigen.”

Funktionell reversible Erkrankungen, d. h. noch rückbildbare Funktionsstörungen verschiedener Organe, haben hohe Heilerfolgschancen. Einerseits können Dauererfolge erzielt werden, anderseits gibt es Patienten, die nach einigen Jahren wieder — schon bei den geringsten Beschwerden — zur Behandlung kommen. Sehr gute Erfolge werden durch die Akupunktur, die über das Nervensystem wirkt, vor allem bei psychosomatischen Erkrankungen, etwa Magengeschwüren, erzielt.

Die Methode mit der großen Wirkung sieht relativ einfach aus. Etwa 16 Stahlnadeln - auch Goldoder Silbernadeln finden noch Verwendung — werden pro Behandlung an den zwei bis drei Millimeter großen Akupunkturpunkten des entsprechenden Körperteils für ca. zehn bis 15 Minuten eingestochen. Um Erfolg zu haben, sind mindestens vier bis fünf, im Durchschnitt zehn Sitzungen notwendig.

Häufig kombiniert der Arzt die Körperakupunktur mit der Ohrakupunktur. Dabei wird zuerst im Ohr der dem erkrankten Körperteil entsprechende Punkt gesucht und dort eine Nadel eingestochen. Diese kombinierte Methode führt am ehesten zum Dauererfolg.

Der Schmerz, zum Beispiel bei einer Arthrose im Knie, läßt oft schlagartig nach. Gleichzeitig wird die schlechte Durchblutung, eine der Krankheitsursachen, verbessert.

Bei der Behandlung von Magengeschwüren zeigt sich das Zusammenwirken von Akupunktur und traditioneller Medizin. Die Akupunktur kann die Schmerzen lindern und die Produktion der Magensäure — ein Zuviel ist eine Krankheitsursache — regulieren. Die regelmäßige Kontrolle erfolgt aber durch Röntgenuntersuchungen.

Eine wichtige Hilfe stellt die Akupunktur mittlerweile auch bei Operationen dar. Allein in Wien wurden in den letzten Jahren 550 Eingriffe, von Mandel- bis zu Herzoperationen, mit ihrer Hilfe durchgeführt. Vor allem Risikopatienten, bei denen eine Narkose nicht möglich ist, profitieren von dieser Methode. Ganz ohne zusätzliche Medikamente geht es zwar nicht, die Dosen können aber sehr geringgehalten werden.

Eine Kombination mit herkömmlichen medikamentösen Behandlungen versuchen manche Ärzte neuerdings mit der sogenannten Pharmaakupunktur. Das Medikament wird in minimalen Dosen — es reicht oft ein Hundertstel der üblichen Menge — an den Akupunkturpunkteneingespritzt.

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