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Die Homöopathie ist nicht wissenschaftlich begründbar. Doch bleibt sie populär. Eine Polemik von Krista Federspiel.

Das britische Gesundheitssystem dreht homöopathischen Einrichtungen den Geldhahn zu, in den USA weht dem nationalen Zentrum für komplementäre und alternative Medizin scharfer Wind entgegen, in Deutschland tobt eine Kontroverse zwischen ZDF und Homöopathen. Was ist geschehen?

In der Medizin haben sich wissenschaftlich überprüfbare Kriterien - Stichwort Evidenz - durchgesetzt. Von der "evidenzbasierten Medizin" sind bereits viele Veränderungen ausgegangen. Denn mit so genannten randomisierten Doppelblindstudien lässt sich überprüfen, welche Behandlung bei einer Krankheit den größten Erfolg verspricht. So können Placebo-Effekte ausgeschlossen, therapeutische Irrtümer vermieden, Gelder eingespart werden.

Mächtiger Placebo-Effekt

Der Placebo-Effekt - die Wirkung, die ein Scheinmittel auslösen kann - ist ein mächtiges Heilmittel. Er entsteht durch die Hoffnung auf Linderung einer Krankheit und fußt auf Erwartungen an den Arzt; er wird verstärkt durch die Überzeugung des Mediziners, helfen zu können, durch die medizinischen Rituale und den gemeinsamen Glauben von Arzt und Patient an das Mittel. Placebo-Effekte machen bei jeder Behandlung ein Drittel und mehr des Behandlungserfolges aus. Placebos können sogar messbare biologische Veränderungen bewirken: Körper, Geist und Psyche sind viel enger verwoben, als man gemeinhin glaubt. Klug ist der Mediziner, der Placebo-Effekte nützt. Darüber hinaus sollte er jedoch auch ein potentes, wirksames Mittel einsetzen, das die Krankheit tatsächlich eindämmt.

Früher gaben Homöopathen an, ihre Methode sei so individualisiert, dass man sie nicht klinisch überprüfen könne. Als deutlich wurde, dass der Weg zur Anerkennung ihrer Medizin nur über den klinischen Nachweis gehen kann, bemühten sie sich, den Erfolg homöopathischer Behandlung mit klinischen Studien zu belegen. Veröffentlicht wurden viele Tests mit positiven Ergebnissen - so kamen zum Beispiel im Jahr 1995 nur ein Prozent aller in alternativen Fachzeitschriften publizierten Untersuchungen zu einem negativen Ergebnis.

Negative Fakten ...

Eine Meta-Studie - eine systematische Überprüfungen vorliegender Studien nach ihrer Qualität und Aussagefähigkeit - unter der Leitung des Berner Epidemiologen Matthias Egger hat schließlich eindeutig belegt: Je genauer der Test-Aufbau nach wissenschaftlichen Kriterien, desto geringer die Effekte homöopathischer Behandlungen. Das Ergebnis wurde im August 2005 in der anerkannten Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht. Lapidar forderten die Herausgeber die Homöopathen auf, endlich offen zu bekennen, dass ihre Methode ein Placebo sei. Die Schweizer Regierung schloss Homöopathie aus der Kassen-Erstattung aus. Ein Sturm der Entrüstung brach los; den kritischen Forschern wurden Fehler vor- und Schmähungen nachgeworfen. Doch Fakten konnten die Homöopathen der Kritik nicht entgegensetzen. Das konnte nicht einmal das Zentrum für alternative Medizin (NCCAM) in den USA, dem im letzten Jahrzehnt 200 Millionen Dollar für Forschung zugeflossen waren. Nun sehen sich homöopathische Ärzte auch in Deutschland massiver Kritik ausgesetzt. Die Stiftung Warentest bewertete die Homöopathie als "zur Behandlung von Krankheiten ungeeignet". An den Befürwortern prallte die fundierte Kritik ab: Als vor zwei Monaten im ZDF Joachim Bublath im Beitrag über "Die modernen Wunderheiler" Homöopathika als "nicht wirksamer als Placebos" einstufte, lösten diese eine Protestwelle aus und riefen gar zum E-Mail Terror auf. Schließlich kapitulierte das ZDF und nahm den Beitrag aus dem Internet. Attacken statt Beweisen.

... und positives Image

Warum sind so viele Patienten überzeugt von der Homöopathie? Weil sie ihnen gut tut: Homöopathie ist - ihrer Marketing-Strategie gemäß - sanft, biologisch und nebenwirkungsfrei; sie stärkt mit geringer Dosis die Selbstheilungskräfte statt "giftige" Chemie einzusetzen, behandelt individuell nicht nur die Krankheit, sondern den ganzen Menschen. Diese Versprechen werden von allen Medien verbreitet. Sie treffen punktgenau auf die Wünsche verunsicherter Patienten; sie sind der Wirkstoff, der bis heute die Sympathie für dieses 200 Jahre alte, geschlossene Medizinsystem erhält. Der Glaube versetzt Berge, und wer sanfte Hilfe erwartet, wird sich nach ein paar Tropfen oder Globuli besser fühlen.

Homöopathie ist die bei uns am meisten verbreitete alternative Heilmethode. Sie wurde von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) entwickelt. Ihre Grundlage - von Selbstversuchen mit Chinarinde abgeleitet - ist das Simileprinzip: Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden. Ein homöopathisches Mittel wird so ausgewählt, dass die Symptome, die es bei Gesunden auslöst - das so genannte "Arzneimittelbild" - den Symptomen und Beschwerden des Kranken, dem "Symptombild", möglichst ähnlich sind. Jedes Mittel wird nur an Gesunden, nicht an Kranken erprobt. Unter der Vorstellung, dass sich mit Verschütteln oder Verreiben die Wirksamkeit des Mittels verstärke, werden die Grundstoffe in mehreren Schritten entweder 1:10 (D-Potenzen), 1:100 (C) oder 1:50.000 (Q oder LM) verdünnt und verschüttelt (siehe auch Kasten: Potenzen). Je dünner die Lösung, desto höher angeblich ihre "Potenz", um die "verstimmte Lebenskraft" wieder zu normalisieren. Heute erklären Anwender die Wirkung damit, dass die "Information" des Wirkstoffes durch Schütteln dem Lösungsmittel Wasser aufgeprägt werde. Neueste Erklärungsversuche für Laien bemühen sogar die Quantenphysik.

Wider die Wissenschaft

Dieses Konzept ist wissenschaftlich nicht plausibel: Es widerspricht der Logik, den Naturgesetzen und medizinischen Erkenntnissen. Der berühmte Chinarinden-Versuch, auf dem die Lehre beruht, war ein Irrtum: Obwohl Chinarinde die Körpertemperatur senkt, empfand Hahnemann nach der Einnahme Fieber. Möglicherweise eine allergische Reaktion. Auch die "Arzneimittelprüfungen" ohne Ausschaltung eines möglichen Placeboeffekts sind nicht akzeptabel. Bei Wiederholungen von Hahnemanns ursprünglichen "Arznei-Tests" konnten seine Angaben nicht bestätigt werden. Hochpotenzen ab D 23 bzw. C 12 enthalten kein Molekül des Grundstoffes. Wie sollen Tropfen, die nur noch aus Lösungsmitteln bestehen, wirken? Ein Wassergedächtnis, das "Information" aufnehmen könnte, gibt es nicht. Und schließlich soll der Hinweis auf die Quantenlogik bloß den Nonsens der Lehre verschleiern (siehe auch Kasten: Fragen).

Heftige Diskussionen

Hahnemanns Lehre löste schon zu seinen Lebzeiten heftige Diskussionen aus und es kam zu einer Flut von Streitschriften. Schon die damaligen Tests mit Homöopathika verliefen negativ. In der Hoffnung auf Einsparungen im Gesundheitswesen erprobte man im Dritten Reich neuerlich homöopathische Mittel - mit letalen Erfolgen für die Patienten. Doch das fatale Ergebnis wurde erst in den 1960er Jahren publik. Seit damals mehrten sich die kritischen Stimmen. In der Marburger Erklärung von 1992 bezeichneten 16 Universitätsprofessoren die Homöopathie als "Irrlehre" und "Täuschung des Patienten". 2004 stellte die Académie de Médicine Française fest, dass sie auf "Vorstellungen ohne jegliche Absicherung" gründet. Am öffentlichen Image hat das nicht gekratzt: Der Streit mit der etablierten Medizin hat bei Patienten die Neugierde und das Wunschdenken, nicht ihr kritisches Nachdenken, angespornt. Schon Hahnemann war ein geschickter Vermarkter, verschaffte sich Zutritt zum Adel und nutzte geschickt die Mundpropaganda. Noch heute verbreiten die Medien meist unkritisch die Mär von der sanften Medizin (siehe auch Kasten: Grundstoffe).

Placebo mit Nebenwirkung

Zum Fortschritt der Medizin hat die Homöopathie nichts beigetragen. Seit 200 Jahren unverändert, heilt sie mit nichts. Doch auch Placebos haben Nebenwirkungen. So besteht die Gefahr, dass eine dringend notwendige Behandlung versäumt wird: Manche Homöopathen bieten ihre wirkungslose Medizin sogar für Kinder mit Lungenentzündung oder für HIV-Infizierte an. Homöopathen sind in der Mehrzahl Impfgegner. Sie haben auf Eltern so großen Einfluss, dass die Bevölkerung nicht mehr ausreichend durchgeimpft ist; so ist zum Beispiel der Schutz vor den gefährlichen Masern nicht mehr sicher. Nach wie vor bieten Homöopathen Malariaprophylaxe an - obwohl das schon einigen Menschen den Tod gebracht hat. Homöopathen schmähen die "Schul"-Medizin als aggressiv. Nun, die konventionelle Medizin kann in solchen Fällen immerhin lebensrettend eingreifen.

Die Autorin ist freie Medizinjournalistin und GWUP-Mitglied (Gesellschaft der Skeptiker).

Potenzen

Potentenzieren am Beispiel von Salz, das ein häufig eingesetztes Homöopathikum ist:

D3 = 1 Gramm Salz gelöst in 1 Liter Wasser

D4 = 1Gramm Salz gelöst in einem Eimer Wasser

D20 = 1 Gramm Salz gelöst im Atlantik

D23 = kein einziges Molekül Salz mehr in einem Fläschchen

D27 = 1 Gramm Salz verdünnt in der Menge der ganzen Erdmasse

C30 = die gebräuchlichste Verdünnung: ein Salzkorn in Zehntausendmilliarden Kugeln, jede so groß wie das gesamte Sonnensystem

Böse Grundstoffe

Es ist ein Irrtum, dass nur harmlose Pflanzen verarbeitet werden. Hier eine Auswahl aus der Fachliteratur:

Amber (aus dem Darm des Pottwals)

Arsen

Bettwanze

Blei

Brustkrebs-Nosode (aus Tumorgewebe)

Chloroform

Eiterflüssigkeit (aus Krätzebläschen)

Fliegenpilz

Formaldehyd

Getrocknete Tintenfischtinte

Haschisch

Hundemilch

Iridium

Kakerlaken

Korallen

Kreuzspinne

Maisbrand

Menschenfloh

Nickel

Ohrenqualle

Pocken-Nosode

Quecksilber

Rindergalle

Röntgenstrahlen (eine bestrahlte Alkoholampulle)

Schierling

Stinktiersekret

TNT

Tripper-Nosode

Vogelspinne

Zyankali

nach W. Boericke: "Handbuch der homöopathischen Materia medica", Stuttgart 2004.

Fragen

Jedes Lösungsmittel - sei es noch so rein - enthält eine Vielzahl von Verunreinigungen. Sie werden bei jedem Verdünnungsvorgang zugesetzt. Woher weiß das Homöopathikum, dass es nur die Information der Ursubstanz potenzieren darf?

Was ist mit den Informationen der Verunreinigungen? Und warum haben die Salzkörner keine potenzierte und heilsame Wirkung, wenn man den Salzstreuer über dem Essen schüttelt?

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