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Die „Schwammerl” sind überall zu finden

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Eine Untersuchung des Fessel-Instituts 1992 hat ergeben, daß bereits 400.000 Österreicherinnen und Österreicher über 14 Jahre an Nagelpilz-Erkrankungen leiden. Zwar sind diese Hautkrankheiten nicht tödlich, aber äußerst unangenehm und langwierig. Neue Therapieformen und Präparate machen allerdings Hoffnung auf Besserung.

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Eine Untersuchung des Fessel-Instituts 1992 hat ergeben, daß bereits 400.000 Österreicherinnen und Österreicher über 14 Jahre an Nagelpilz-Erkrankungen leiden. Zwar sind diese Hautkrankheiten nicht tödlich, aber äußerst unangenehm und langwierig. Neue Therapieformen und Präparate machen allerdings Hoffnung auf Besserung.

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„Überall, wo es feucht ist, wachsen die Schwammerl”, meinte Georg Stingl von der Universitätsklinik für Dermatologie am Wiener Allgemeinen Krankenhaus auf die Frage, ob man sich vor Pilzerkrankungen schützen könne. Diese alte Volksweisheit ließe sich leider auch auf Pilzinfektionen anwenden, so Stingl. Natürlich könne man als Prophylaxe im Sommer Handschuhe tragen und Schuhe um drei Nummern zu groß kaufen oder am besten gleich barfuß gehen, ganz ausschließen könne man einen Pilzbefall trotz richtiger hygienischer Vorsorge, trotz gesundem und ausreichend belüftetem Schuhwerk und ähnlicher Vorsorge aber nicht.

Die kräftige Zunahme, vor allem von Nagelpilzerkrankungen ist aber auch auf Modeerscheinungen zurückzuführen: Die mikroskopisch kleinen Pilze, die sogenannten Dermatophy-ten, fühlen sich in Saunen, Schwimmbädern, Fitness-Clubs und ähnlichem besonders wohl. Auch hautenge Kleidung oder Laufschuhe, die entgegen ihrem eigentlichen Zweck den ganzen Tag über getragen werden, mögen die Dermatophyten sehr. Hinzu kommt, daß gerade diese Pilze zumeist nicht gleich als solche erkannt werden und daher auch nicht rechtzeitig ein Arzt aufgesucht wird.

Absoluten Schutz kann es jedenfalls nicht geben, weil man Pilze fast überall finden und nachweisen kann. Deshalb wäre auch der Schluß, daß nur unhygienische oder stark transpirierende Menschen mit Befall zu rechnen hätten, völlig falsch. Vielmehr gibt es laut Georg Stingl eine genetische Prädisposition. Das heißt, manche Menschen sind aufgrund ihrer Erbanlagen anfälliger als andere. Diejenigen, die um ihre diesbezügliche Anfälligkeit wissen, müssen halt vorsichtiger sein als jene Privilegierten, die nie Hautprobleme haben. Auch das Alter spielt eine gewisse Rolle: Gerade Nagelpilze treten bei älteren Menschen wesentlich häufiger auf als bei Kindern.

In vielen Fällen werden die Pilze durch sogenannte Zwischenwirte übertragen. Wer also bereits Probleme mit Pilzerkrankungen gehabt hat, sollte mögliehst keine Tiere streicheln, da diese oft als Zwischenwirte dienen. Noch häufiger ist allerdings die direkte Übertragung über Gegenstände wie zum Beispiel Türschnallen. Besonders groß ist die Gefahr der Anstek-kung, wenn ein Organ krank oder ein Körperteil schon verletzt ist.

Natürlicher Schutzmantel Haut

Das Gesundheitsproblem unserer Zeit, die Störungen des Immunsystems, die von vorne herein gar nichts mit Aids zu tun haben, ist natürlich auch in diesem Zusammenhang von Belang. Vorsicht ist besonders im Gebrauch von Antibiotika geboten, weil diese das Immunsystem schwächen und die Pilze sich besser vermehren können. Vor allem im Genitalbereich ist das immer wieder zu beobachten. Von der Tendenz, generell das Immunsystem zu stärken, warnt Georg Stingl allerdings: „Wir wollen sehr wohl gegen Eitererreger in der Haut eine schützende Antwort, aber wir wollen nicht nach dem Verzehr eines Schnitzels, daß man gegen jedes Schweinefleisch-Epitop eine Immunreaktion bekommt; das hätte ja katastrophale Folgen.”

Was ist also zu tun, wenn Veränderungen der Haut bemerkt werden? Mykosen auf der normalen Haut sind naturgemäß leichter zu erkennen als im Nagelbereich. Deshalb kommt es hier auch zu den langwierigsten und hartnäckigsten Fällen, weil oft zu spät mit einer Behandlung begonnen wird. In jedem Fall aber sollte ein Arztbesuch der beliebten Selbstbehandlung vorgezogen werden. Denn jeder einfache Hausarzt kann mittels Mikroskop erkennen, daß eine Pilzerkrankung vorliegt. Um festzustellen, um welche Pilzspezies es sich handelt, ob um einen Sproß-, Hefe- oder Schimmelpilz, muß eine Pilzkultur angelegt werden. Dies kann nur von einem Labor durchgeführt werden. Die Notwendigkeit einer solchen Labor-Diagnose ist, um eine falsche Therapie auszuschließen, leider auch noch nicht allen Ärzten klar.

Bis vor kurzem konnte eine Pilzbehandlung gut und gerne ein bis zwei Jahre dauern. Der Arzt verschrieb eine Salbe, mit der die infizierten Stellen eingeschmiert werden mußten. Angelika Stary, Primaria am Ambulatorium für Pilzerkrankungen in Wien, hat nun neue Therapieformen vorge-stellt„die für die weltweit zahlreich Betroffenen doch deutliche Verbesserungen bringen. 1991 wurde in England ein Mittel namens Terbina-fin zugelassen, das in Österreich entwickelt wurde und anders wirkt als die bisherigen Medikamente. Es ist nämlich ein „systemischer” Wirkstoff, der den Krankheitserreger nicht von außen, sondern von innen her bekämpft. Zudem hat dieses in Tablettenform hergestelltes Mittel die Vorteile, daß es erstens nicht nur pilzhemmend, sondern pilztötend wirkt und zweitens nach etwa zwölf Wochen bereits hohe Heilungserfolge erzielt werden konnten.

Probleme sieht Angelika Stary noch bei der Akzeptanz der Patienten, weil Erfahrungen in England ergeben haben, daß viele Erkrankte nicht einsehen, wieso „Pillenschlucken” hier effizienter sein soll, als Einschmieren. Doch dieses Problem müßte durch Aufklärungsarbeit zu lösen sein. Ein Argument dabei könnte sein, daß bisher kaum Nebenwirkungen beobachtet werden konnten. Neben dem neuen Präparat Terbinafin sind auch drei weitere neue Antimykotika getestet worden. Hierbei liegen, was die Dosisfindung und Therapiedauer betrifft, noch keine endgültigen Ergebnisse vor.

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