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Wendezeit in der Medizin

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Den Stein ins Rollen brachte 1987 ein Kongreß unter dem Motto „Wiener Dialog über Ganzheitsmedizin”. Knapp ein Jahr später wurde die „Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin” (Präsident ist der. ehemalige Wiener Stadtrat für Gesundheit, Alois Stacher) mit dem Ziel gegründet, eine Medizin hoffähig zu machen, die sowohl die naturwissenschaftlichen Aspekte als auch jene der Erfahrungsheilkunde integriert. Naturheilverfahren und Homöopathie Hand in Hand mit der Schulmedizin? Eine Revolution in der Heilkunde.

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Den Stein ins Rollen brachte 1987 ein Kongreß unter dem Motto „Wiener Dialog über Ganzheitsmedizin”. Knapp ein Jahr später wurde die „Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin” (Präsident ist der. ehemalige Wiener Stadtrat für Gesundheit, Alois Stacher) mit dem Ziel gegründet, eine Medizin hoffähig zu machen, die sowohl die naturwissenschaftlichen Aspekte als auch jene der Erfahrungsheilkunde integriert. Naturheilverfahren und Homöopathie Hand in Hand mit der Schulmedizin? Eine Revolution in der Heilkunde.

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FURCHE: Wer steht hinter der Akademie für Ganzheitsmedizin ?

ALOIS STACHER: Die Akademie wurde als Verein gegründet. Jeder, der sich gemeldet hat - zur Zeit sind es 350 Ärzte, auch einige Psychologen - war willkommen. Primär wurde sie von der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft und der Wiener Holding ins Leben gerufen und finanziell unterstützt. Durch eine Subvention der Stadt Wien in der Höhe von 9,8 Millionen Schilling war es möglich, die neuen Räume zu bauen, in denen wir uns jetzt befinden. Auch die Tätigkeit wird subventioniert, da es im Augenblick völlig unmöglich ist, daß sich die Akademie selbst erhält.

FURCHE: Was verspricht sich die Gemeinde Wien davon? STACHER: Vizebürgermeister

Hans Mayr hat erkannt, daß es für Wien unerhört wichtig wäre, in Oberlaa ein ganzheitsmedizinisches Zentrum zu haben. (Es gibt erste Überlegungen für die Erweiterung des Kurmittelhauses, eine Privatklinik, ein Ärztezentrum, ein neues Gebäude für die Akademie, ein Test-, Trainings- und Regenerationszentrum sowie ein Hotel, Anm. d. Red.) Ähnliches, das alle Methoden vereint, gibt es eigentlich nicht, und das internationale Echo und Interesse ist enorm. Wir haben weltweit auf dem Gebiet der Komplementärmedizin einen wirklich guten Ruf. Dieser Ruf sollte für Wien erhalten bleiben. Wenn es uns gelingt, die Erfahrungsheilkunde in die Medizin zu integrieren, dann hätten wir wieder einmal einen großen Schritt in Richtung einer international bekannten Medizin gemacht!

FURCHE: Viele an der Universität ausgebildete Mediziner nehmen ihre Kollegen, die sich mit „alternativen” Heilmethoden beschäftigen, doch gar nicht ernst. Wie kann es da zu einem „Brückenschlag” kommen?

STACHER: Es stimmt; in vielen Bereichen ist keine Gesprächsbereitschaft vorhanden. Sie ist jedoch in den letzten Jahren größer geworden. Hier hat sicherlich die Akademie geholfen, indem sie Gespräche zwischen den Vertretern der verschiedenen Methoden forcierte. Und das in einem Klima gegenseitiger, wenn auch kritischer Toleranz. Weiterhin gibt es die Hoffnung, daß die Forschung es ermöglicht, das eine oder andere Phänomen aus der komplementären Medizin nachzuweisen, beziehungsweise zu erklären.

FURCHE: Auf anderen Gebieten der Medizin hat man doch auch sehr intensiv geforscht und auch spektakuläre Erfolge verzeichnet. Man braucht nur an Herz- und Knochmarktransplantationen zu denken.

STACHER: Klarerweise war es eine größere Herausforderung, sich auf Schwerstkranke zu stürzen, bei denen es um Leben und Tod ging, als zu forschen, ob sich die Regulation nach einer homöopathischen Medikation verändert. Hier der Todkranke, dort der Mensch der „nur” leidet und an seinen Schmerzen nicht stirbt. Das mag die Erklärung dafür sein, daß sich die universitäre Medizin so entwickelt hat, wie sie heute ist.

FURCHE: Plant die Akademie, verstärkt Forschung zu betreiben?

STACHER: Wir wollen wissenschaftliche Arbeit fördern. Dazu sollen Vertreter von universitären oder anderen außeruniversitären Instituten gewonnen werden, mit in der Praxis tätigen Ärzten zusammenzuarbeiten. Wir brauchen zwei Dinge: die Patienten und die wissenschaftlichen Untersuchungsmöglichkeiten. Ein gutes Beispiel für Zusammenarbeit lieferte Graz. Hier wurde die Wirkung von Schilddrüsenhormonen in homöopathischer Dosierung, in Zusammenarbeit mit Universität und Praxis getestet und bewiesen.

Zweitens wünsche ich mir - aber ich habe ihn noch nicht - einen Fonds, damit wir solche Projekte finanziell unterstützen können. Im Rahmen eines Ärztezentrums könnten wir auf diesem Gebiet natürlich mehr machen.

FURCHE: Bei der Eröffnungsfeier am 4. Oktober 1990 anläßlich des Bezugs der neuen Räume in Oberlaa wurden Pläne vorgelegt, dort bis 1995 ein ganzheitsmedizinisches Zentrum zu errichten. Gibt es schon Konkretes?

STACHER: Das Fernziel ist ein Ärztezentrum, wo neben Fortbildung, wissenschaftlicher Diskussion, dem Zusammenbringen der verschiedenen Heilmethoden mit der universitären Medizin, auch die Behandlung der Patienten in diesem Sinn durchgeführt wird.Dazu gehört als erstes ein Schmerzzentrum für chronische Schmerzen, wo sowohl ein Internist und ein Chirurg da sind, als auch ein Akupunkteur, Neuraitherapeut, manuelle Therapie. So können wir dem Patienten das anbieten, was für ihn am wirkungsvollsten ist.

FURCHE: Die Ausbildung in den komplementären Heilmethoden erfolgte bisher durch einzelne Gesellschaften. Seit 1. Jänner 1991 bilden sie nun zusammen mit der Ärztekammer aus. Wurde der Akademie damit diese Aufgabe aus der Hand genommen?

STACHER: Nein. Was mir vorschwebt, ist etwas ganz anderes. Ich hätte gerne eine zwei Semester dauernde theoretische Ausbildung in Ganzheitsmedizin,. wo alle Methoden und deren Wirkung vorgestellt werden. Nach dieser Information kann sich der Arzt dann jenem Gebiet zuwenden, das ihm am meisten liegt. Wo ein Ausbildungsweg zwischen Gesellschaft und Ärztekammer klar gelegt ist, sollen die den auch beschreiten. Dort, wo es einen solchen nicht gibt, könnten wir einspringen. Wir bieten es den Gesellschaften und der Ärztekammer an, aber wir zwingen sienichtdazu, bei uns auszubilden, denn wir wollen mit ihnen zusammenarbeiten und nicht gegen sie Front beziehen.

FURCHE: Wäre nicht auch die theoretische Ausbildung besser in der Universität angesiedelt?

STACHER: Vielleicht ist es in einigen Jahren so weit, nur im Augenblick wird auf der Universität außer Vorlesungen in Akupunktur und Homöopathie nichts angeboten. Die Grundsatzdiskussion muß aber jetzt erfolgen, auch im Hinblick auf die Europäische Gemeinschaft. In vier bis fünf Jahren - vorsichtig geschätzt- ist es zu spät.

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