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Neue Basis für die Forschung

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Nach der Neugestaltung der Universitäten soll auch die Forschung in Osterreich eine neue gesetzliche Grundlage erhalten. Wissenschaftsminister Dr. Hertha Firnberg will die Diskussion hierüber im nachten Jahr auf breiter Front anrollen lassen. Auf den wissenschaftlichen Hochschulen mahnen die Verantwortlichen, die unentbehrliche Verbindung von Forschung und Lehre nicht zu stören.

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Nach der Neugestaltung der Universitäten soll auch die Forschung in Osterreich eine neue gesetzliche Grundlage erhalten. Wissenschaftsminister Dr. Hertha Firnberg will die Diskussion hierüber im nachten Jahr auf breiter Front anrollen lassen. Auf den wissenschaftlichen Hochschulen mahnen die Verantwortlichen, die unentbehrliche Verbindung von Forschung und Lehre nicht zu stören.

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Um zu demonstrieren, welches Spektrum die Forschung an der Universität umspannt, hat Wiens älteste und größte wissenschaftliche Hochschule, die Universität Wien, dieser Tage einen Katalog vorgelegt, der alle zur Zeit laufenden Forschungsvorhaben aufzählt. Das geht vom perserzeitlichen Aramäisch nach ägyptischem Quellenmaterial, das Prof. Kornfeld am Institut für Alttestamentliche Bibelwissenschaft bearbeitet, bis zu den Untersuchungen von Otto Back am Dolmetschinstitut über die übersetzerische Wiedergabe offizieller Staatsbezeichnungen. 3000 Einzel vorhaben aus 150 Instituten, von denen die Medizinische wie die (inzwischen aufgelöste) Philosophische Fakultät je fast 1400 decken. Von den Teamworks der Mediziner („Quantitative Veränderungen der Serumproteine bei akuten Lebererkrankungen“) bis zu herausragenden Dissertationen („Der Konflikt Conrad — Aehren-thal“) oder Habilitationen („Ökologie mediterraner Silbermöven in der Adria“) — alle diese Beispiele nur willkürlich aus der Fülle herausgegriffen.

Alle diese Titel unterstreichen die Wichtigkeit, die die Forschung an der Universität auch für die Lehre besitzt. Auch die Haltung der Studenten hat sich in den letzten Jahren hierzu deutlich gewandelt, stellte Rektor Seiteiberger bei der Präsentation fest: Waren sie noch am Beginn der Reformära eher für eine straffe Organisation des Studiums, die für eine Teilnahme an Forschungsarbelten keinen Platz ließ, kommen nun immer wieder Hörer mit der Bitte, mitmachen zu dürfen.

Grundlagenforschung — wie sie an den Universitäten betrieben wird — ist ein kulturelles Anliegen, formulierte Prorektor Komarek. Ihr Erfolg ist nicht kalkulierbar. Die angewandte Forschung ist eine Serviceleistung der Wissenschafter für die Gesellschaft. Ihre Ziele werden von der Gesellschaft festgesetzt. Auch die Erfolgskontrolle muß durch die Gesellschaft erfolgen.

Niemand bestreitet heute, daß es auch außerhalb der Universitäten Forschung geben muß. Auch in Österreich hat sie in den letzten Jahren stark an Umfang zugenommen, wenn sie auch noch nicht das Ausmaß angenommen hat, wie in vergleichbaren anderen Staaten. Ganz abgesehen vom Osten, wo die Universitäten zu reinen Lehranstalten degradiert wurden und die Forschung ausschließlich in den Instituten der wissenschaftlichen Akademien oder des Staates betrieben wird.

In Österreich verläuft der überwiegende Teil der Forschung an den Universitäten. Daneben stehen die Akademie der Wissenschaft, die in den vergangenen Jahren eine größere Anzahl neuer Institute eingerichtet hat, und die Boltzmann-Ge-sellschaft, deren Institute fast durchwegs an Hochschulinstituten lokalisiert sind. Damit ist bei beiden Einrichtungen eine ständige Querverbindung zu den Universitäten gegeben. Außerhalb von diesen wird ausschließlich angewandte Forschung betrieben — an den Bundesforschungsanstalten, vor allem Arsenal und Seibersdorf, in den kooperativen Instituten, in den Labors der Industrie.

Als der Nationalrat kürzlich über Hochschul- und Forschungsberichte debattierte, hob Abg. Karl Blecha die Verdienste der Regierung um die Forschungsförderung hervor: von 800 Millionen seien die Aufwendungen innerhalb von zehn Jahren — gegenüber 1966 — auf 3,6 Milliarden gestiegen. Auch die Inflation abgerechnet, sei der Zuwachs für Forschung und Entwicklung dreimal so hoch wie jener des Bruttonational-produktes.

Die Verdienste seien keineswegs in Frage gestellt. Nur: das von Blecha erwähnte Forschungsförde-rungsgesetz wurde 1967 — unter Piffl — (einstimmig) verabschiedet. Von da an gingen die Ansätze endlich und deutlich in die Höhe. Ein Ausgangspunkt 1966 liegt also „unter Null“. Dann: in diesen Jahren wurden, wie gesagt, die außeruniversitären Einrichtungen stark ausgebaut. Neue Universitäten mußten gebaut und auch für die Forschung eingerichtet werden. Das Universitätspersonal, wenn auch aufgestockt, mußte immer mehr Zeit für die stark gestiegenen Studentenzahlen aufwenden. Alles zusammengenommen, blieben die Dotationen für die Basisforschung in den Universitätsinstituten wertmäßig bestenfalls stehen, wenn sie nicht sogar unter die Aus-gangsbasis abgesunken sind.

Deswegen ist die Grundforderung der Universitäten an das neue For-schungsorganisationsgesetz, vorzusorgen, daß die Dotationen für die Forschung im Budget auch gesondert ausgewiesen werden und damit nicht gegenüber den steigenden Anforderungen für Lehre und Verwaltung zu kurz kommen. Dies entspräche auch den Vorschriften des UOG, das den Universitäten selbst die Verantwortung für die Budge-tierung zuschiebt — ohne zu sagen,daß der Finanzminister dann auch für die als notwendig erachteten Größenordnungen vorzusorgen hat.

Nach der Neuordnung der Universitätsstruktur soll nun als nächste große Aufgabe des Wissenschaftsministeriums auch eine legistische Neuordnung des gesamten Forschungswesens angegangen werden. Die noch keine zehn Jahre alten Förderungsfonds sollen ebenso einbezogen werden wie die 200 Jahre alte Akademie der Wissenschaften.Das Miteinander und Nebeneinander soll — gemeinsam — klargestellt werden.

Schon im Frühjahr ließ Minister Firnberg einen Fragebogen an alle beteiligten oder interessierten Institutionen und Persönlichkeiten gehen, um ihre Anregungen und Wünsche festzustellen. 112 Stellungnahmen auf 700 Seiten gingen ein und wurden inzwischen zu einem Arbeitspapier von 120 Seiten verarbeitet. Anfang 1977 soll nun eine Enquete ablaufen, auf der alle Beteiligten noch einmal ihre Standpunkte diskutieren können. Noch ist die Stimmung sachlich und nicht durch Emotionen getrübt. Es wäre zu hoffen, daß diesmal eine gemeinsame Lösung wie einst beim Forschungsför-derungsgesetz möglich ist.

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