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„Statt Krebssensation die Krebsinformation”

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FURCHE: Herr Professor, Sie behaupteten unlängst in der Osterreichischen Ärztezeitung, daß etwa ein Drittel aller Krebskranken im vollen Sinne des Wortes geheilt werden und beklagten, daß diese Tatsache sogar „in Kollegenkreisen” weithin unbekannt sei. Ist das ein Armutszeugnis für unsere Ärzte?

WRBA: Von einem Armutszeugnis kann nicht gesprochen werden, wenngleich die Tatsache der Krebsheilung auch heute noch vielen Leuten und auch vielen Ärzten unbekannt ist. Hauptsächlich deshalb, weil die Diagnose „Krebs” nur den unmittelbar behandelnden Ärzten bekannt ist und diese die geheilten Patienten bald aus dem Gesichtskreis verliere», ‘M Wshefhur .eÜhtf-Regi^-strierung der an.JCrebs erkrankten oder verstorbenen Personen erfolgte. Außerdem herrscht in dieser Frage teilweise ein ganz unbegründeter Pessimismus, wahrscheinlich auch deswegen, wen in der ärztlichen Ausbildung zu wenig Wert auf die psychologische Einstellung zur Krebsbekämpfung gelegt wird.

FURCHE: Inwieweit ist es richtig, wenn man von Krebs als „psychischer Krankheit” spricht? WRBA: Es gibt eine Reihe von Sachkennern, die für Krebs psychische Belastungen als auslösenden Faktor oder zumindest doch als heilungshemmenden Faktor in Rechnung setzen; diese Behauptungen sind allerdings wissenschaftlich als nicht oder noch nicht gesichert anzusehen, wenn auch der sicherlich große Einfluß der Psyche auf das körperliche Befinden außer Zweifel steht.

FURCHE: Von Ihnen stammt auch die Behauptung, daß von einem Teil der Presse irreparable Schäden durch falsche Berichterstattung und Aufbauschung der Meldungen verursacht wurden. Was meinten Sie konkret mit dieser Anschuldigung?

WRBA: Leider sind mir aus der Praxis zahlreiche Fälle bekannt, in denen Leute ihr gesamtes Hab und Gut verkauften und sich in

Schulden stürzten, um ein von der Sensationspresse propagiertes, wertloses Heilmittel oder eine sinnlose Behandlung zu erhalten. Mehr noch als die nutzlosen finanziellen Opfer halte ich die zusammenbrechende Hoffnung auf eine Krebsheilung und das untergrabene Vertrauen des Patienten zum Arzt für einen irreparablen Schaden. Es müßte in der Presse an die Stelle der Krebssensation die Krebsinformation treten!

FURCHE: Vor einem Jahr ist in Österreich das Krebsstatistikgesetz in Kraft getreten. Welche Vorteile bringt dieses Gesetz bezüglich der Krebsbekämpfung? WRBA: Mehrere; es scheint mir sehr wichtig, daß die Zahl der geheilten Patienten statistiscii er-i faiä wird anö nicht, wie’tasher der Fall, verloren geht Daraus resultieren dann wissenschaftliche Vorteile, da für die Forschung Zusammenhänge zwischen örtlicher Häufimg und Krankheitsart, die Zeit zwischen ersten Symptomen und der Erkrankung von Bedeutung sind.

FURCHE: Sie vertreten die Ansicht, daß sogar zwei Drittel aller an Krebs erkrankten Personen geheilt werden könnten. Also sterben jährlich rund 7000 Österreicher praktisch ohne medizinische Notwendigkeit an Krebs? WRBA: Ich stehe zu meiner Auffassung, daß rund doppelt so viele Heilungen möglich wären, würden nur alle Möglichkeiten ausgeschöpft! Als Hauptursache sehe ich die leider weit verbreitete Gleich-gültigkait sowie das Nichtwissen um die guten Heilungschancen bei Früherkennung des Krebses an, woran die Patienten selbst nicht unschtddig sind. Hauptfaktoren, diesen Mißstand zu beseitigen, wären eine bessere Aufklärung, ständige Selbstüberwacdiung der Bevölkerung, eine große Unter-suchungsberedtsciiaft (aucäi zur Vorsichtsuntersuchung) sowie selbstverständlich eine Früherkennung durch den Hausarzt.

Mit Professor Wrba sprach Winfried Eder.

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