7126396-1997_06_16.jpg
Digital In Arbeit

Generation mit perfekten Genen?

Werbung
Werbung
Werbung

Man darf annehmen, daß die eigentliche Arbeit erst nach Fertigstellung der Analyse beginnt, da die reine Sequenzinformation noch keine funktionelle Aussage zuläßt. Für die Informationen über die grundlegenden körperlichen Eigenschaften des Menschen auf genetischer Ebene zeichnen sich bereits Anwendungsgebiete ab: Grundlagenforschung, pränatale Diagnose von Erbkrankheiten, frühdiagnostische Verfahren bei Krebserkrankungen, bedingte Vorhersagbarkeit einer erblichen Veranlagung von Krankheiten...

Bezüglich der vorgeburtlichen Diagnostik muß gefordert werden, daß die vielerorts praktizierte Verknüpfung zwischen positiver Diagnose und Abtreibung gelöst wird. Die Wissenschaft wäre aufgefordert, sich ganz besonders um die Entwicklung vorgeburtlicher Therapien zu bemühen.

Bei den Erwachsenen kommt die Genanalyse vor allem in der Früherkennung von malignen Erkrankungen zur Anwendung. Viele weitere Einsatzgebiete erwartet man in der Arbeits- und Vorsorgemedizin. Die Frage des Datenschutzes muß hier wirksam geregelt werden, weil man davon ausgehen kann, daß durch diese Untersuchungen Informationen über den betreffenden Menschen offen daliegen, die Zukunft und Schicksal zumindest andeuten.

Die therapeutischen Verfahren, die mit Hilfe der Gentechnik durchge führt werden, befinden sich zur Zeit noch im klinischen Versuchsstadium und zwar für Krankheiten, die auf einen bereits bekannten genetischen Defekt zurückzuführen sind. Erste Heilversuche wurden in den USA durchgeführt. „Schadhafte"* krankmachende Gene werden durch „normale", gesunde korrigiert.

Im klinischen Versuchsstadium befinden sich zur Zeit gentherapeutische Projekte zur Behandlung von Cystistartete ein Großprojekt mit dem Ziel die geschätzten drei Milliarden Einzelbausteine des menschlichen Genoms zu ermitteln.

Im Oktober 1989

scher Fibrose, Aids, bestimmten Tumoren. Die Palette der „In vitro"- Experimente und Tierversuche umfaßt viele andere schwere, bislang kaum behandelbare Krankheiten.

Sieht man von vereinzelten, verfrühten Humanexperimenten im Jahre 1980 ab, so liegen die offiziellen Anfänge der somatischen Gentherapie erst fünf Jahre zurück. Die mit ihr verbundene ethische Diskussion ist jedenfalls nicht ans Ende gelangt. Die große Chance für eine somatische Gentherapie wurde anfangs für „schwere" angeborene Krankheiten gesehen. Man wollte „extreme" Fälle behandeln. In der Folge wurden aber Versuche an Patienten unternommen, deren Krankheits-zustand nach diesem Maßstab nicht mit „schwer" zu bezeichnen ist.

Die Übergänge

zwischen schwerer

und weniger schwerer Erkrankung sind ebenso fließend wie in der Folge der Übergang zur Fähigkeitssteigerung („en-hancement"). Es wird von großer Bedeutung sein, ob man diese Grenzziehung, Unterscheidung zwischen therapeutischen und nicht-therapeutischen Eingriffen durch rechtliche Vorschriften sichern kann.

Es gibt verschiedene Gründe, warum „verbessernde Eingriffe" prinzipiell bedenklich erscheinen. Zur Zeit ist es medizinisch riskant, wenn man ein ohnehin normales, das heißt gut funktionierendes Gen durch ein besseres ersetzen wollte. Man weiß nicht, wie

der Organismus auf ein über die Normalität hinaus wirkendes Gen reagieren würde.

Weiters gibt es eine Beihe gesellschaftlicher und sozialpolitischer Fragen, die heftig diskutiert werden. Beispielsweise: Welche Gene dürfen substituiert werden und welche nicht? Oder: Wer entscheidet, wer ein Gen bekommen soll? Wie lassen sich Diskriminierungen gegenüber Personen, die Gene bekommen oder nicht bekommen wollen, verhindern?

Darüber hinaus ist auch das ärztliche Berufsverständnis betroffen. Es kennt kein unumschränktes Eingriffsrecht. Medizinische Handlungen können nur als Heilbehandlung gerechtfertigt werden. Sogar der Mensch selbst hat kein freies Verfügungsrecht über seinen eigenen Körper. Er hat auf seine physische und psychische Unversehrtheit zu achten, er muß Grenzen, die in seine individuelle Natur eingeschrieben sind, respektieren.

Hautfarbe, spezielle kognitive Fähigkeiten, Körpertypus und so weiter spiegeln den Beichtum der menschlichen Vielfalt wider, und besitzen für den einzelnen keineswegs Krankheitswert! Fähig-keitssteigernde Eingriffe entsprechen also den grundle-genden ärztlichen Handlungskriterien nicht und stehen zudem auch im Gegensatz zur personalen Würde des Menschen. Sie besteht ja nicht im Haben (von Eigenschaften), sondern im Sein.

Die Keimbahntherapie (KBT) rührt an das genetische Erbe des Menschen. Mittels gentechnischer Eingriffe in Keimzellen kann man eine Veränderung des Genoms eines Individuums herbeiführen. Alle Zellen dieser Person werden dann dieselbe Erbinformation beinhalten, auch die Geschlechtszellen, die potentielle Ausgangspunkte für Nachkommen sind. Eine solche Therapie würde nicht

auf die Behandlung der Einzelperson beschränkt bleiben, sondern erstreckte sich auf die zukünftigen Generationen. Für Ärzte ist die Vorstellung, eine defekte Erbanlage ausmerzen zu können, äußerst verlockend. Der Kampf gegen eine Krankheit wäre somit von bleibendem Erfolg gekrönt.

Die Bealisierung solcher Eingriffe liegt noch in ferner Zukunft. Die Visionen vom unbegrenzt Machbaren, von der radikalen Heilung vieler Krankheiten, der Schaffung des Menschen nach Maß, sind derzeit noch Utopie. Dem Österreichischen Gentechnikgesetz zufolge sind Eingriffe in die menschliche Keimbahn verboten.

Erstaunlich ist aber, daß die ethische Diskussion um ihre Legitimität seit Jahren auf Hochtouren geführt wird. Dabei geht es um die grundsätzliche Frage: Ist die KBT kategorisch abzulehnen, oder kann man ihr zumindest mit einem „Ja, wenn" zustimmen?

Ein prinzipieller Einwand besagt, eine künstliche Veränderung des Erbgutes käme einer Verletzung der Würde des Menschen gleich. Diese Ansicht entspringt wohl einem falsch verstandenen Naturalismus, denn nicht das Biologisch-Natürliche ist auch schon das Gute. Es gibt wohl keine „Pflicht zur Krankheit", um die Unantastbarkeit des Genoms zu verteidigen. Es widerspräche der Würde der Person sicherlich nicht, würde man sie mit Hilfe gentechnischer Eingriffe vor schwerem Leid bewahren oder heilen. Ernsthafte Einwände gibt es aber gegen die zur Zeit üblichen Techniken:

■ Manipulation des jungen Embryos bis zum Stadium der Blastozyste

■ Gentechnische Intervention an den Keimzellen selbst, bevor sie zur Befruchtung gelangen.

Das Hauptaugenmerk der Forschung liegt derzeit auf der Manipulation der Zygote. Mit Hilfe der In-vitro-Fertilisation (IvF) kann man leicht über Embryonen in frühen Stadien verfügen, um Genomanalysen vorzunehmen. Weder die Technik der IvF noch.das Manipulieren an Embryonen ist mit der Würde der Person vereinbart.

Das bedeutet, daß man bei gentechnischen Interventionen an der Keimbahn auf jeden Fall auf andere Techniken zurückgreifen muß, nämlich auf solche, die nicht embryonenverbrauchend sind. Eine ethisch zulässige Technik für die Keimbahntherapie (KBT) ist jedoch nicht in Sicht.

Die Autorin ist

praktische Arztin und wissenschaftliche Referentin des Imabe Institutes in Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung