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Nichtstuer als Komplizen

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Samenspendern wird Anonymität zugesichert. Aber wie verträgt sich das mit dem aus dem Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention abzuleitenden Recht jedes Menschen auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung?

Sind nach dem Tod künstlich gezeugte Kinder ehelich? Steht ihnen eine Waisenpension zu?

Detailfragen, willkürlich herausgegriffen, die schlaglichtartig die Rechtsprobleme beleuchten, die sich im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung ergeben. Und diese Probleme haben auch den vom 12. bis zum 15. September in Wien versammelten österreichischen Juristentag beschäftigt.

Grundlage der Beratungen war ein vom Grazer Universitätsprofessor Willibald Posch ausgearbeitetes Gutachten über die „Rechtsprobleme der medizinisch assistierten Fortpflanzung und Gentechnologie“, das einen umfassenden Uberblick über den Stand der Diskussion bietet. Daß darin auch die Berichterstattung der FURCHE mehrmals Erwähnung findet, „deren Inhalt durchwegs einer besonderen Beachtung durch die am Thema Interessierten wert“ war, sei nebenbei vermerkt.

Posch jedenfalls konstatiert einen „Bedarf nach legislatorischem Einschreiten. So wird der Gesetzgeber nicht umhin kommen, den Rahmen abzustecken, in dem die neuen medizin-techni-schen Möglichkeiten in diesem sensiblen Bereich ausgeschöpft werden dürfen.“ Eine längst überfällige Entscheidung (FURCHE 31/1988).

Eine Forderung übrigens, die auch von Ärzten erhoben wird. Denn „letztlich ist es ja auch für den Arzt eine große Hilfe“, betonte Universitätsdozent Johannes Huber vor den Juristen, „wenn für die völlig neuen Therapiemöglichkeiten Normen und Richtlinien vorhanden sind.“

Eine mögliche Stoßrichtung zeichnete der Grazer Jurist in seinem Gutachten vor. Allerdings: „Der Gesetzgeber“, formuliert Posch, „wird zunächst die den zi-vilrechtliehen Fragestellungen vorgelagerte Grundproblematik, wo dem technisch Machbaren verbindliche Grenzen gesetzt werden müssen, einer klaren Entscheidung zuführen müssen.“ Er selbst bejaht die Anwendung im „homologen System“ (unter Ehepartnern), nimmt aber auch gegenüber den heterologen Möglichkeiten — Beispiel: Samenspende — „keine grundsätzlich ablehnende Haltung“ ein. Allerdings nur, wenn der Arzt zur Dokumentation der Spenderdaten verpflichtet wird und gesetzliche

Bedingungen existieren, „unter denen der Arzt dem Kind zur Offenlegung seiner genetischen Abstammung verhalten sein soll“. Eine Samenverwendung nach dem Tod des Ehemannes/Spenders sollte ebenso wie „Samenmischung“ grundsätzlich verboten werden.

Noch konkreter sind die Vorstellungen, die der Wiener Rechtsanwalt Peter Wrabetz vertritt. Er geht vom Grundsatz aus, „daß künstliche Insemination und In-vitro-Fertilisation nur als medizinische Behandlungsmethode zur Behebung von Sterilität, genauer ihrer Folgen, eingesetzt werden sollten“.

Die Konsequenz: „Durch das Kriterium der medizinischen Indikation würde die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke ebenso vermieden wie der Einsatz artifizieller Fortpflanzungsmethoden aus Gründen der Bequemlichkeit, der Karriereplanung oder auf Grund eines in der Literatur beschriebenen Wunsches nach besonders schönen und klugen Kindern ...“. Und „die Beschränkung auf eine medizinische Behandlungsmethode sollte auch ausschließen, daß eine alleinstehende Frau künstliche Zeugungsmethoden als Ersatz für einen fehlenden personalen Partner verwenden kann“.

„Leihmutterschaft“ lehnt der Wiener Anwalt grundsätzlich ab: „Hier liegt wegen der Menschenwürde von Kind und Ersatzmutter verletzenden Umstände eine Verpflichtung des Gesetzgebers vor, den Anfängen zu wehren.“

Unmißverständlich auch die Position, die Wrabetz zum Embryonenschutz einnimmt. „So wird die Zeugung von Embryonen in der Absicht, sie anderen Zwek-ken als dem des Embryotransfers zuzuführen, ebenso zu verbieten und unter gerichtliche Strafsanktion zu stellen sein, wie die Durchführung von Forschungen, die auf Zeugung von Hybriden, Chimären, geklonten Lebewesen und dergleichen gerichtet sind.“ Bei aller Freiheit der Wissenschaft.

Oder, wie das drastisch der Wiener Universitätsprofessor Walter Selb formuliert hat: „Auch zum Wohl der Menschheit oder konkreter Einzelmenschen sollten Menschenopfer nicht akzeptiert werden.“

Wrabetz läßt jedenfalls die von der Gesetzgebung häufig verwendete Ausrede, man müsse noch die Entwicklung abwarten, nicht länger gelten: „Unter dem Eindruck der Dringlichkeit gesetzlicher Regelungen hielte ich es für vertretbar, einen österreichischen Weg der Gesetzgebung zu suchen und diese gegebenenfalls im Lichte gemachter Erfahrungen an europäische Regelungen später anzupassen.“

Wer sich davor drückt, macht sich zum Komplizen der Geschäftemacher.

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