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Schutz der Embryonen noch mangelhaft

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Der Entwurf für ein neues ..Fortpflanzungshilfegesetz" ist ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum jetzigen „gesetzlosen" Zustand. Im Detail wären allerdings noch einige Nachjustierungen im Sinne eines Embryo-nenschtuzes erforderlich.

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Der Entwurf für ein neues ..Fortpflanzungshilfegesetz" ist ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum jetzigen „gesetzlosen" Zustand. Im Detail wären allerdings noch einige Nachjustierungen im Sinne eines Embryo-nenschtuzes erforderlich.

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Der im Herbst vergangenen Jahres vom Bundesministerium für Justiz nach mehrjährigen Vorarbeiten vorgelegte Entwurf für ein neues ,,Foit-pflanzungshilfegesetz" (FHG) versteht sich - so die Erläuterungen - als Versuch, „auf breiter Grundlage einen Ausgleich der verschiedenen Wertungen und Interessen zu suchen". Die Suche nach Kompromißlösungen, die für möglichst breite Kreise der interessierten Öffentlichkeit akzeptabel sind, zieht sich durch den gesamten Entwurf und ist bei jeder Sachentscheidung spürbar. Wer die Methoden der „künstlichen Befruchtung" - aus welchen Gründen auch immer . - kompromißlos ablehnt, wird damit ebensowenig Freude haben wie derjenige, der für schrankenlose Freiheit im Bereich medizinischer Fortpflanzungshilfe eintritt.

Das Bemühen, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremstandpunkten zu finden, muß dem vorliegenden Entwurf uneingeschränkt zugutegehalten werden.

Im Detail wären jedoch einige „Nachjustierungen" im Sinne eines verstärkten Embryonenschutzes erforderlich, die durchaus im Sinne der grundsätzlichen Wertungen, von denen das BMfJ ausging, wären. Der vorliegende Entwurf räumt - nach eigener Aussage - „vor allem der menschlichen Würde, dem Kindeswohl und der persönlichen Freiheit im Sinne der Freiheit, Nachkommen zu zeugen, besondere Bedeutung ein" und respektiert auch die „Rechte Ungeborener", indem er ausdrücklich festlegt, daß „entwicklungsfähige Zellen nicht für andere Zwecke als für medizinische Fortpflanzungshil-fen verwendet werden dürfen" (Paragraph 9, Absatz 1). Dieser Grundgedanke führt zwar zu einem absoluten Verbot der Forschung an entwicklungsfähigen Zellen; er wird jedoch letztlich nicht wirklich konsequent verfolgt, da der Entwurf die Erzeugung sogenannter „überzähliger Embryonen", die nicht ehestmöglich reimplantiert, sondern einstweilen konserviert werden, um sie bei einem allfälligen weiteren Transfer zu einem späteren Zeitpunkt verwenden zu können, nicht ausdrücklich untersagt. Zwar wird festgelegt, „daß bei der Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau nur so viele Eizellen befruchtet werden dürfen, wie nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung für eine aussichtsreiche und zumutbare medizinische Fortpflanzungshilfe notwendig sind" (Paragraph 10). Diese Formulierung ist jedoch ebenso unscharf wie die relativ knapp gehaltene Erläuterung dieses zentralen Punktes, in der es heißt, man gehe „davon aus, daß - sofern nicht medizinische Gründe oder der Wunsch der Frau dem entgegenstehen - sämtliche befruchtete Eizellen in den Körper der Frau eingebracht werden." Gleichzeitig aber wird bestimmt, daß „entwicklungsfähige Zellen so lange aufzubewahren sind, wie dies zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist, längstens jedoch ein Jahr" beziehungsweise „ein weiteres Jahr, wenn dies zur Herbeiführung der Schwangerschaft oder auch einer weiteren Schwangerschaft erforderlich ist" (Paragraph 18). Damit wird aber die Zulässigkeit der Erzeugung „entwicklungsfähiger Zellen" „auf Vorrat" implizit anerkannt.

Wenn es aber wirklich darum geht, die Erzeugung befruchteter Eizellen auf das medizinisch erforderliche (und nicht nur bequeme oder zweckmäßige) Maß zu beschränken, so sind „überflüssige Embryonen" zu vermeiden, was - wie die Praxis an der II. Universitätsfrauenklinik in Wien seit Jahren beweist - ohne negative Auswirkungen auf die Erfolgsquote möglich ist (siehe dazu FURCHE 30/ 1989). Nur durch eine Beschränkung auf die für einen Rücktransfer erforderliche Zahl von Embryonen ist die höchst problematische Situation zu vermeiden, daß befruchtete Eizellen konserviert, später dann aber doch nicht benötigt werden. Erst diese durchaus vermeidbare Situation ruft jene auf den Plan, die - aus ihrer Sicht durchaus verständlich - solche „entwicklungsfähigen Zellen" wenigstens für Forschungszwecke nutzen wollen statt sie schlicht absterben zu lassen. Man muß hier ansetzen, wenn es einem mit dem Forschungsverbot wirklich ernst ist.

Die kompromißlose Vermeidung „überzähliger Embryonen" sollte daher gesetzlich eindeutig geboten sein, was durchaus in der Grundtendenz dieses Entwurfes läge, jedoch einer unmißverständlichen legisti-schen Klarstellung bedürfte. Man würde damit auch konsequent an die noch unter Minister Foregger erstellten Vorarbeiten sowie die derzeit in der Bundesrepublik aktuellen Gesetzesentwürfe anknüpfen (siehe dazu FURCHE 36/1989).

Davon abgesehen finden sich im Entwurf zwar einige verbesserungswürdige Formulierungen, die bereits des öfteren kritisiert wurden und auf die daher nicht näher eingegangen werden soll. Im wesentlichen enthält er jedoch einige grundvemünftige Regelungen, die von verschiedenen Autoren auch und gerade in der FURCHE immer wieder gefordert wurden. So beschränkt er die Methoden der Fortpflanzungshilfe von vornherein auf zumindest eheähnliche Lebensgemeinschaften und enthält einen generellen Facharztvorbehalt. Die extrakorporale Befruchtung wird auf Krankenanstalten beschränkt, die dafür einer eigenen Zulassung bedürfen. Die Befruchtung mit Fremdsamen wird zwar - mit praktisch bedeutsamen Einschränkungen - erlaubt, jedoch ohne Wahrung der Anonymität des Spenders dem Kind gegenüber. Ehemann beziehungsweise Lebensgefährte der Samenempfängerin verlieren, wenn sie einer Fremdsamenbefruchtung zustimmen, die Möglichkeit, die Ehelichkeit des Kindes beziehungsweise die Vaterschaft zu bestreiten.

Die Eizellenspende ist verboten, was - wie die Erläuterungen zum Entwurf überzeugend darlegen - in Anbetracht der jeweils höchst unterschiedlichen Problematik eine sachlich durchaus gerechtfertigte Differenzierung gegenüber der erlaubten Samenspende darstellt. Immerhin setzt jede Eizellenspende einen operativen Eingriff voraus, der einer Legitimierung bedarf. Die gegen diese differenzierte Regelung unter dem Aspekt der „Gleichheitswidrigkeit" vorgebrachte Kritik ist daher verfehlt.

Erfreulich am Entwurf ist auch die „Gewissensklausel" in Verbindung mit einem strengen Benachteiligungsverbot gegenüber Ärzten, die Methoden medizinischer Fortpflanzungshilfe ablehnen, sowie das strikte Verbot jeglicher Kommerzialisierung in Form eines „Samenhandels".

Die strafrechtliche Absicherung soll ausschließlich durch - allerdings diffizil abgestufte - Verwaltungsstrafdrohungen erfolgen.

Alles in allem ist dieser Gesetzesentwurf eine taugliche Grundlage für eine auf breitem Konsens beruhende Regelung, die - und das darf bei aller Detailkritik nicht vergessen werden -jedenfalls einen deutlichen Fortschritt im Vergleich zum jetzigen „gesetzlosen Zustand" darstellen würde.

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