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Problemlösung schafft Probleme

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Das Auditorium Maximum der Universität Wien war voll. Die Veranstaltung „Retortenbabys und Gentechnologie” am vergangenen Dienstag stieß offensichtlich auf Interesse. Sechs Experten aus verschiedenen Disziplinen entwarfen ein umfassendes Bild dieser Problematik, die ja seit längerem auch Schwerpunktthema der FURCHE ist.

Die beiden Mediziner am Podium, Herbert Janisch (Professor an der Zweiten Frauenklinik) und

Johannes Huber (Erste Frauenklinik), skizzierten den Stand der Dinge: Unfruchtbaren Paaren (wegen unheilbarer Eileiterprobleme oder mangelnder Spermaqualität) kann heute geholfen werden: Mittels Hormonbehandlung werden künstlich im weiblichen Organismus mehrere Eizellen zur Reifung gebracht, mittels Eingriff von außen (Einführung einer Nadel durch die Bauchdek-ke) entnommen und in einem Reagenzglas (der „Retorte”) unter kontrollierten Bedingungen mit Samen versetzt. Nach zwei Tagen - mittlerweile hat sich das Ei in acht Zellen geteilt - werden die Embryos in die Gebärmutter der Frau verpflanzt. Die Schwangerschaft beginnt — oder auch nicht.

Bisherige Erfahrungen zeigen nämlich, daß weltweit rund 24.000 Embryos bei 7.700 Frauen eingesetzt wurden, wobei es zu 2.900 Schwangerschaften kam - aber nur zu 562 Geburten. Eine hohe Ausfallsquote!

Diese Technik kann in verschiedenen Varianten angewendet werden: Anlegen von Samen- und Eizellenbanken, Tiefkühlen von Embryos, Einpflanzung bei der Eispenderin oder einer anderen Frau, Verwendung des Samens vom eigenen oder von einem anderen Mann, Heranziehung der Embryonen zu Forschungszwek-ken... „Menschwerden selbst ist zum Gegenstand von Versuchen geworden”, hielt Jarnsen fest. Grenzen müßten gezogen werden.

Daß dies schwierig ist, zeigte der Wiener Rechtslehrer Walter Selb auf. Bei diesen Fragen gehe es letztlich um Weltanschauung. Aber wo ist der Konsens in einer pluralistischen Gesellschaft? Hüft uns das derzeitige Recht? Kaum, denn mit den heutigen Möglichkeiten hatte kein Gesetzgeber gerechnet.

Fragen über Fragen: Was tun mit den Embryonen, wenn die Mutter vor der Einpflanzung stirbt? Was gilt bei tiefgekühlten Embryonen bezüglich des Erbrechts, in Unterhaltsfragen? Haben sie Anspruch auf Waisenrente? Oder: Wer hat das Sorgerecht, die Mietmutter oder die Eispenderin? Die bei Scheidungen auftretenden Probleme mit Kindern sind im Vergleich dazu leicht zu lösen.

Klarheit müsse der Gesetzgeber schaffen, forderte der Strafrechtler Wolfgang Brandstetter. Embryonen außerhalb des Mutterleibes seien unter den Schutz des Strafrechts zu stellen, handle es sich doch um einen Menschen. Wenn sich das nur bis zum Justizminister herumspricht, der kürzlich in einem FURCHE-Interview (14/1985) von der befruchteten Eizelle als Sache gesprochen hatte!

Auf Klarstellung drängte auch der Moraltheologe Andreas Laun. Es gehe um Subjekte mit menschlicher Würde, der Umgang mit dem Leben müsse einheitlich sein. Vor allem gelte es, den bekanntgewordenen Mißbräuchen zu wehren. Einstimmig also der Ruf nach gesetzlicher Regelung. Und wieder einmal wurde deutlich, daß der Versuch, technisch ein bestimmtes Problem zu lösen, häufig mehr Schwierigkeiten als Wohltaten bringt.

Steht es wirklich dafür, all die aufgezeigten Probleme heraufzubeschwören, um ein paar hundert Eltern leibliche Kinder zu verschaffen, wenn gleichzeitig Millionen Kinder abgetrieben werden und Tausende in Heime wandern?

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