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14 Jahre nach Louise B.

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Am 27. Juli 1978 wurde in Old-ham (England) Louise Brown geboren. Sie war das erste „Retortenbaby". 14 Jahre später verfügt jetzt auch Österreich über ein Gesetz, das die „künstliche Befruchtung" regelt. Es tritt am 1. Juli in Kraft.

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Am 27. Juli 1978 wurde in Old-ham (England) Louise Brown geboren. Sie war das erste „Retortenbaby". 14 Jahre später verfügt jetzt auch Österreich über ein Gesetz, das die „künstliche Befruchtung" regelt. Es tritt am 1. Juli in Kraft.

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Die langjährige Debatte über die rechtlichen Grenzen der „künstlichen Befruchtung", die der FURCHE stets ein besonderes Anliegen war, was in einer Vielzahl von Beiträgen zum Ausdruck gekommen ist, hat nun ein vorläufiges Ende gefunden. Die Regierungsvorlage zum „Fortpflanzungsmedizingesetz" (FMedG), die im wesentlichen auf dem Gesetzesentwurf des Justizministeriums vom Herbst 1990 beruhte, wurde vom Nationalrat am 14. Mai beschlossen und wird jetzt am 1. Juli 1992 in Kraft treten.

Das Gesetz gestattet eine „medizinisch assistierte Fortpflanzung" grundsätzlich „nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft" (S 2). Dabei dürfen bei einer extrakorporalen künstlichen Befruchtung („In-vitro-Fertilisation") nur Ei- und Samenzellen der Ehegatten oder Lebensgefährten verwendet werden.

In den Fällen medizinisch assistier-ter „intrakorporaler Befruchtung" („Insemination") darf auch Drittsamen verwendet werden, soferne der Ehegatte oder Lebensgefährte selbst nicht fortpflanzungsfähig ist und der Verwendung von Fremdsamen in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts zugestimmt hat. In diesem Fall kann die Ehelichkeit eines solcherart gezeugten Kindes vom Ehegatten nicht bestritten werden. Durch Fremdsamen gezeugte Kinder haben mit Vollendung des 14. Lebensjahres ein Recht auf Einsichtnahme in die vom Arzt, der Krankenanstalt oder - subsidiär - vom Landeshauptmann zu führenden Aufzeichnungen über den Samenspender. Die Verweigerung medizinischer Fortpflanzungshilfe ist kein Scheidungsgrund.

Extrakorporale künstliche Befruchtungen dürfen nur in dafür zugelassenen Krankenanstalten vorgenommen werden, Inseminationen auch in Fach-arztordinationen.

Leihmutterschaft verboten

Die kommerzielle Geschäftemache-rei und die Leihmutterschaft sind ebenso ausdrücklich untersagt wie die Verwendung eines Samengemischs verschiedener Spender sowie die Benutzung von Embryonen zu anderen Zwecken als jenen medizinisch assi-stierter Fortpflanzung.

Die mit Recht so umstrittenen Forschungen und „verbrauchenden Experimente" an Embryonen, die im Gesetz - terminologisch gewiß nicht sehr geglückt - als „entwicklungsfähige Zellen" bezeichnet werden, sind nun also kategorisch verboten.

Die Aufbewahrung befruchteter Eizellen ist mit einem Jahr begrenzt. Diese Begrenzung der Konservierungsdauer mit maximal einem Jahr ist merkwürdig, da sich das Problem „überzähliger Embryonen" und die damit verbundene Notwendigkeit längerer Aufbewahrung von Embryonen bei Einhaltung des heute möglichen medizinischen Standards bei der Eizellenentnahme und Befruchtung praktisch nicht stellt.

Die Zahl der befruchteten Eizellen ist - wie in der medizinischen Praxis bereits bewiesen wurde - auf jene Zahl begrenzbar, die für einen Rück-transfer erforderlich ist. Der gesetzlichen Vorschrift, daß „bei der Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau nur so viele Eizellen befruchtet werden" dürfen, „wie nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung innerhalb eines Zyklus für eine aussichtsreiche und zumutbare medizinisch unterstützte Fortpflanzung notwendig sind" (S 10 FMedG), kann daher ohne weiteres entsprochen werden.

Im Justizausschußbericht heißt es dazu, daß der Gesetzgeber „davon ausgeht, daß nach dem gegenwärtigen Stand der Medizin nicht mehr als drei bis fünf Eizellen der Frau entnommen und befruchtet werden, eine gesetzliche Festschreibung dieser Quantitäten aber als nicht sinnvoll" erschien, „zumal S 10 ausreichend dafür Sorge trägt, daß es nicht zu überzähligen entwicklungsfähigen Zellen kommt". Man kann nur hoffen, daß dieses so wichtige Verbot der Erzeugung überzähliger Embryonen in Paragraph 10, bei dem eine schärfere und auch klarere Formulierung wünschenswert gewesen wäre, seine ihm vom Gesetzgeber zugedachte Funktion auch wirklich erfüllt, zumal diese Vorschrift durch die Strafbestimmungen des Gesetzes nicht abgesichert ist.

Abgesehen davon sind jedoch alle relevanten Verbote des FMedG durch Verwaltungsstrafdrohungen abgesichert, deren Angemessenheit im Detail allerdings sehr fraglich ist. Zumindest für das Verbot „verbrauchender Forschung" an Embryonen wäre -in Anbetracht des dadurch verletzten Rechtsguts des ungeborenen Lebens -eine plakativere gerichtliche Strafdro-hung wünschenswert gewesen.

Um diesem Gesetz aber insgesamt gerecht zu werden, muß man bedenken, daß die Suche nach Kompromißlösungen, die für möglichst breite Kreise der interessierten Öffentlichkeitakzeptabel sind, dekla-riertermaßen von Anfang an Pate stand, was bei jeder Sachentscheidung spürbar ist. Wer die Methoden der „künstlichen Befruchtung"-aus welchen Gründen auch immer - kompromißlos ablehnt, wird mit diesem Gesetz ebensowenig Freude haben wie derjenige, der -wie in der Debatte im Nationalrat insbesondere der frühere Justizminister und jetzige FPÖ-Abgeordnete Harald Ofner - für weitgehend schrankenlose Freiheit im Bereich medizinischer Fortpflanzungshilfe eintritt.

Das ehrliche Bemühen, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremstandpunkten zu finden, muß dem Gesetzgeber uneingeschränkt zugutegehalten werden. Mag auch manches als kritikwürdig erscheinen -dieses Gesetz ist jedenfalls viel besser als keines.

Die Debatte im Nationalrat hat auch den großen Fortschritt deutlich gemacht, der zwischen jener Zeit, als der damalige Justizminister Ofner Embryonen noch als „Sachen im Rechtssinn" bezeichnete, und dem jetzigen Gesetz, das maßgeblich auf den verdienstvollen früheren Justizminister Egmont Foregger zurückgeht, erzielt wurde.

Die Natur überlisten

Der grundsätzlich erfreuliche Umstand, daß nun eine akzeptable gesetzliche Regelung für eine gesellschaftspolitisch so umstrittene Materie gefunden und mit breiter Mehrheit beschlossen wurde, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die tieferen Ursachen für den offenbar immer größer werdenden Bedarf nach medizinischer Fortpflanzungshilfe alarmierend sind.

Es war die freiheitliche Abgeordnete Anna Aumayr, die diesen bedrückenden Gesichtspunkt in der Parlamentsdebatte über das Fortpflanzungsmedizingesetz besonders pointiert formulierte, als sie meinte: „Jetzt frage ich mich: wenn Atmen krankmacht, wenn das Wasser und die Böden immer stärker vergiftet werden, wenn wir völlig gegen die Natur leben, ist es da nicht eine logische Folge, daß die Natur irgendwann reagiert ? Die steigende Sterilität bei Mann und Frau, vor allem in den Ballungszentren, ist offensichtlich eine Reaktion, und ich glaube, eine wahrscheinlich sehr weise Reaktion der Natur. Aber anstatt die Natur als große Lehrmeisterin zu sehen, wollen wir sie überlisten. Die künstliche Befruchtung ist ein Beispiel dafür und für mich das erschreckendste !" Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Autor ist Dozent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

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