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Keine Experimente mit Embryonen!

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Mit dem ersten „Retortenbaby" wurde eine höchst problematische Entwicklung eingeleitet (FURCHE 26/1984). Das zeigt sich nun immer deutlicher-vor allem in Großbritannien.

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Mit dem ersten „Retortenbaby" wurde eine höchst problematische Entwicklung eingeleitet (FURCHE 26/1984). Das zeigt sich nun immer deutlicher-vor allem in Großbritannien.

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Die vor zwei Jahren von der britischen Regierung eingerichtete „Warnock-Kommission" peilt durch Änderungen der Gesetzeslage Experimente mit künstlich gezeugten Embryonen an. Zu mehr als interessierter Beobachtung dieser Bestrebungen glaubt man im österreichischen Gesundheitsministerium keinen Anlaß zu haben. Denn, so erklären maßgebliche Beamte, bei uns gebe es die künstliche Befruchtung erst im Ansatz.

Natürlich hat England einen weltweiten Vorsprung auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung. Das erste Retortenbaby ist nämlich bereits 1978 in London geboren worden: ein gesundes Kind, das durch „extrakorporale Fertilisation" entstanden war, in-

dem man das Ei der Mutter dem Eierstock entnommen und außerhalb des Mutterleibes befruchtet hatte. Anschließend hatten die Ärzte den so entstandenen Keim zur Einnistung in die Gebärmutter der Frau gebracht, die das Kind dann normal austrug.

Während etwa das erste Retortenbaby in der DDR für 1985 erwartet wird, kam in der Ersten Wiener Universitätsfrauenklinik das erste außerhalb des Mutterleibes mit dem Samen des Ehemannes der Frau gezeugte Baby schon 1979 zur Welt. Inzwischen hat man in Österreich 26 Retortenbabys entbunden. Eines davon hat bundesdeutsche, eines israelische Eltern, die Eltern aller übrigen sind österreichische Ehepaare. Außer in der Ersten Wiener Universitätsfrauenklinik führen auch die Zweite Wiener Universitätsfrauenklinik, das Krankenhaus Lainz, die Landeskrankenhäuser von Innsbruck, Graz und Klagenfurt sowie die 1983 aus der Zweiten Wiener Universitätsfrauenklinik ausgeschiedenen Gynäkologen Peter Kemeter und Wilfried Feichtinger sowie Peter Hernuss künstliche Befruchtungen im Labor durch.

Die britischen Wissenschafter wollen entsprechend dem von der Regierung eingesetzten sechzehnköpfigen Gremium mehr. Sie möchten vor allem an „überzähligen" Embryonen innerhalb einer vierzehntägigen Frist — vom Zeitpunkt der Zeugung an gerechnet— genetische Probleme studieren. Danach soll der Embryo nicht weiterleben dürfen. Ein anderer Passus sieht sogar vor, Embryonen direkt für Forschungszwecke zu züchten, um beispielsweise Blutstämme heranzubilden, mit denen, da sie keiner Abstoßung unterliegen, Leukämiekranke geheilt werden könnten.

Auch Erbkrankheiten, berichtet die Warnock-Kommission, könnten mit Hilfe solcher eigens gezüchteten Embryonen ausgeschlossen werden. Nicht zuletzt, erklärt die Kommission, strebe man endlich eine gesetzliche Regelung an, um im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung angefallenen „überzähligen" menschlichen Eizellen und Embryonen in die Gebärmutter unfruchtbarer fremder Frauen einpflanzen zu dürfen, ohne daraus geschäftlichen Nutzen zu ziehen. Denn kommerziell geführte „Ersatzmutterkliniken" wolle man keinesfalls schaffen.

Wann der britische Gesundheitsminister die Erlaubnis von seiner Regierungschefin bekommen wird, eine Gesetzesvorlage

auf der Linie dieser Empfehlungen einzubringen, weiß allerdings niemand. Denn selbst in dem an sich liberalen England gibt es schon jetzt heftige öffentliche Auseinandersetzungen über das Für und Wider.

Vor allem die Bischofskonferenz von England und Wales spricht sich aus moraltheologischen Gründen schärfstens gegen Experimente an Embryonen, aber auch gegen Ersatzschwangerschaften an sich aus. Wie der Erz-bischof von Westminster und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Basil Hume, feststellte, beginne neues Leben vom Zeitpunkt der Empfängnis an.

Innerhalb der österreichischen Ärzteschaft.diesichmitder künstlichen Befruchtung befaßt, vertritt man den Standpunkt: Zuerst kommt die Ethik, dann die Forschung. Allerdings sollten negative Aspekte nicht die positiven unterbinden. Konkret bedeutet das, daß sich die Ärzte gegen die Errichtung von „Embryobanken" aussprechen, „überzählige" Em-

bryonen aber gerne zum Leben bringen und einer anderen Frau, die sich Kinder wünscht, zur Verfügung stellen möchten.

Dafür wäre weder eine Änderung des Ärzte- und Arzneimittelgesetzes, die Experimente an Menschen außer zu Heilzwecken verbieten, noch solche des Krankenanstaltengesetzes und des Privatrechtes notwendig. Sieht nämlich das Krankenanstaltengesetz vor, daß Spitäler mit Daten zur Person versehene Krankengeschichten zu führen und dies über Aufforderung bekanntzugeben haben, so reglementiert das Privatrecht die Ansprüche des Kindes: also das Unterhalts- und das Erbrecht. Wobei als Vater gilt, von dessen Samen die Frau schwanger geworden ist.

Als einfachste Lösung, schlagen Kemeter-Feichtinger vor, biete sich daher eine Adoption vor der Geburt des Kindes an. Und zwar durch eine staatliche Stelle. Derart pränatal adoptierte Kinder wären dann die legitimen Nachkommen ihrer Adoptionseltern, und niemand könne später die natürlichen Erzeuger zu Unterhaltszahlungen heranziehen.

Vorläufig wird in Österreich auch diese Regelung nicht akzeptiert. In Großbritannien dürfte dagegen — wie immer sich Margaret Thatcher zu den übrigen Punkten der Warnock-Empfehlungen stellen mag - die pränatale Adaption Wirklichkeit werden.

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