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Wie entstehen ,Retortenbabys'?

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Ausnahmsweise hat der Fortschritt einmal nicht vor Österreichs Toren der Gemütlichkeit haltgemacht: vor wenigen Tagen kam „unser" erstes „Retorten-baby" zur Welt Damit steht Österreich an sensationeller sechster Stelle in der Liste der Anwendung und Erforschung der „extrakorporalen Befruchtung", die dann erforderlich wird, wenn eine Frau aufgrund blockierter Eileiter auf natürlichem Wege kein Kind empfangen kann.

Der Grundstein dazu wurde bereits vor drei Jahren gelegt. Damals begannen fünf Wissenschaftler an der II. Wiener Universitäts-Frauenklinik mit den Vorbereitungen auf diesem Gebiet. Nach der Ausbildung von beteiligten Ärzten in England und Australien sowie der Neuanschaffung medizinischer Geräte in Millionenhöhe war es dann im Herbst vergangenen Jahres endlich soweit. Zum ersten Mal wurde ein außerhalb des Körpers gezeugtes Kind vom Mutterleib nicht wieder abgestoßen.

Bei der „Wiener Methode" — die sich von jenen ausländischer Forschungsteams nur in geringen technischen Kleinigkeiten unterscheidet — werden die Eltern vorerst mit Medikamenten gegen Infektionen vorbehandelt.

Ab dem zehnten Zyklus-Tag muß die künftige Mutter täglich zum Arzt, der auf einem Ultraschallgerät die Reifung des Eis verfolgt. Zum geeigneten Zeitpunkt wird dann mit dem Lapa-roskop (das die Sicht in den Bauch ermöglicht) und einer Tu-benf aßzange durch ein zwei Millimeter großes Loch in der Bauchdecke Eibläschen(Follikel-)flüs-sigkeit abgesaugt. Anschließend wird die Flüssigkeit in Reagenzgläser mit vorbereitetem Kulturmedium abgefüllt.

Erst mit dem Mikroskop kann jetzt festgestellt werden, ob der Eingriff erfolgreich war. In der Flüssigkeit müßte in diesem Fall mindestens ein, etwa ein Zehntel

Millimeter großes, reifes Ei schwimmen.

Nun muß der männliche Samen abgeliefert werden und durch zweimaliges Zentrifugieren künstlich befruchtungsfähig gemacht werden. Nach dem Rück-transfer aller jetzt mit Samen befruchteten Eizellen in den Mutterleib kann — wenn alles klappt — das Kind in einer ganz normal verlaufenden Schwangerschaft ausgetragen werden.

In aller Welt leben derzeit schon über siebzig „Retortenbabys". Doch auch der „extrakorporalen Befruchtung" sind Grenzen gesetzt. Bei zu starken Verwachsungen in der Gebärmutter, zu hohem Alter der Frau, bei gar keinen Spermien, nicht befruchtungsfähigen oder deformierten Spermien nützt auch die „Liebe im Reagenzglas" nichts.

Und auch wenn nach einer gelungenen Zeugung alles in Ordnung scheint, so liegt die Abortus-gef ahr noch immer bei 40 Prozent. Trotzdem warten bereits rund dreihundert Frauen auf einen Termin bei dem erfolgreichen österreichischen Ärzteteam.

Einen wichtigen Beitrag zu diesem Erfolg hat vor allem der Vorstand der II. Wiener Frauenklinik, Univ.-Prof. Herbert Janisch, geleistet. Er versammelte mehrere Spezialisten, die Doktoren Peter Kemeter, Stephan Szalay, Wilfried Feichtinger und Univ.-Doz. Adolf Beck, um sich, machte die Zeugung in der Retorte zu einem wissenschaftlichen Schwerpunktprogramm und sorgte für Subventionen und genügend Arbeitszeit.

Und die Mühe hat sich gelohnt: Bereits in den nächsten Monaten werden elf weitere „Retortenbabys" (darunter auch Zwillinge) das österreichische Licht der Welt erblicken.

Was kostet ein „Retorten-baby"? In Österreich derzeit nichts. Abgesehen von einem Unkostenbeitrag von 1000 Schilling trägt die Krankenkasse die Kosten.

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