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Zunehmende Unfruchtbarkeit bei Mann und Frau

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Reproduktionsmedizin ist heute innerhalb der Gynäkologie eine übergreifende Disziplin, in der Kliniker und Grundwissenschafter die vielen Komponenten und Vorgänge der Fortpflanzung erforschen, um kinderlosen Paaren zu helfen", urteilt Otto Dapunt, Vorstand der Universitäts Frauenklinik in Innsbruck.

Allerdings warnt er auch vor den Auswüchsen der Beproduktionsmedi-zin: Nicht alles, was technisch möglich sei, dürfe im Einzelfall auch angewendet werden. „Bei der Auswahl der Fortpflanzungshilfen darf eine strenge ethische Bewertung nicht fehlen. Bevor man sich zu einer künstli- -chen Befruchtung entschließt, sollen alle sinnvollen therapeutischen Möglichkeiten eingesetzt werden, um auf natürlichem Weg eine Schwangerschaft zu erreichen."

Das Natürlichste der Welt, die Geburt eines Kindes, ist in den letzten Jahrzehnten allerdings für immer mehr junge Menschen zum Problem geworden. Schon jedes fünfte Paar in den Industrieländern ist ungewollt kinderlos. Durch Jahrhunderte wurde der Frau die Schuld zugeschoben, wenn der Kindersegen ausblieb. Zu Unrecht, wie sich jetzt zeigt.

Denn „mindestens ein Drittel der ungewollten Kinderlosigkeit geht auf das Konto des männlichen Partners", erklärt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft zum Studium der Sterilität und Fertilität, Gerhard Tscherne (Geburtshilflich-gynäkologische Universitätsklinik Graz).

Seit anfangs dieses Jahrhunderts die ersten Messungen gemacht wurden, nehme die Anzahl der fruchtbaren Samenzellen und ihre Qualität bei jungen Männern in Westeuropa ständig ab. Die Ursachen der Sterilität sowohl beim Mann als auch bei der Frau seien vielfältig, hormonbedingt, organabhängig, durch Infektionen ausgelöst, genetisch festgelegt, aber auch von Umwelt und Lebensstil abhängig-Umweltgiften und Streß räumt Zellbiologe Hennig Beier (Anatomisches Institut Aachen) eine wesentliche Bolle für die Unfruchtbarkeit zu. Dazu zählen vor allem Dioxine, Insektizide, die mit der Nahrung aufgenommen werden, Chemikalien im Wohnbereich, vor allem Holzschutzmittel, und Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber.

„Besonders negativ wirkt sich starkes Bauchen auf die Qualität der Spermien aus", betont Beier. Auch Streß, der ja zu Hormonausschüttungen führt, beeinflusse die Fertilität sehr nachteilig, die ja ebenfalls hormonell gesteuert /wird. Er empfiehlt Entspannungen^ statt Leistungsdruck, „don't worry, be happy", und rechtzeitige Familienplanung. Der Höhepunkt der Fruchtbarkeit sei oft schon überschritten, wenn sich ein Paar zu einem Kind entschließt.

Bei der Entscheidung, ob die Unfruchtbarkeit hormonell, durch Operation oder künstliche Befruchtung behandelt werden soll, liefert die Be-produktionsmedizin wertvolle Entscheidungshilfen. Voraussetzung ist eine genaue Klärung der Ursachen bei Frau und Mann. Danach kann individuell die entsprechende Methode ausgewählt werden.

Bei Fehlbildungen der Gebärmutter, bei Verklebungen der Eileiter nach Infektionen kann mit modernen chirurgischen Methoden der Normalzustand hergestellt werden und das Paar ohne weitere medizinische Hilfe ein Kind zeugen.

Als besonders leistungsfähig hat sich dabei die endoskopische „Knopflochmedizin" mit dreidimensionalem Video-System erwiesen. Diese neue Operationstechnik kann darüber hinaus auch bei anderen Diagnosen angewendet werden, wodurch Organe schonend operiert oder überhaupt erhalten werden können.

Die Operation steht aber heute nicht mehr im Vordergrund der Reproduktionsmedizin. „Es ist jetzt möglich, durch neu entwickelte Untersuchungen das beste Ei zum besten Zeitpunkt zur Befruchtung zu bringen", berichtet Lilo Mettler aus Kiel, die Erfolgsrate liege bei 30 Prozent, Eine Methode, die auch Paaren hilft, die bisher kaum reelle Chancen auf Nachwuchs hatten, ist die Spermien-injektion.

Sie kann incorporal, also im Körper der Frau, erfolgen. Dadurch gelangen auch weniger aktive Spermien ans Ziel. Auch hinsichtlich der Auswahl der besten Spermien stehen neue Methoden zur Verfügung.

Die Autorin ist

Wissenschaftsjournalistin in Mödling.

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