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Leben - auf Eis gelegt?

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Jetzt liegt der SPÖ-Initiativ- antrag für ein „Fortpflan- zungshilfegesetz" vor. Der heikle Punkt: die befristete Konservierung.

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Jetzt liegt der SPÖ-Initiativ- antrag für ein „Fortpflan- zungshilfegesetz" vor. Der heikle Punkt: die befristete Konservierung.

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Am 17. Mai 1990 brachte die , SPÖ-Fraktion im National- rat einen Initiativantrag „betref- fend ein Bundesgesetz über die medizinische Fortpflanzungshilfe beim Menschen (Fortpflanzungshil- fegesetz)" sowie über entsprechen- de familienrechtliche Änderungen ein (FURCHE 19/1990). Inhaltlich ist der SPÖ-Initiativantrag durch folgende Kernpunkte gekenn- zeichnet:

1. Die medizinische Fortpflan- zungshilfe wird nur als prinzipiell subsidiäre Maßnahme für den Fall zugelassen, daß alle anderen medi- zinischen Möglichkeiten der Steri- litätsbehandlung ausgeschöpft sind. Mit Ausnahme der gewöhnli- chen Insemination ist die Anwen- dung medizinischer Fortpflan- zungshilfe den Krankenanstalten vorbehalten, die dafür eine Zulas- sung des Landeshauptmannes be- nötigen.

2. Alle Methoden medizinischer Fortpflanzungshilfe sind nur bei zumindest eheähnlichen Lebens- gemeinschaften zulässig und set- zen eine nach vorhergehender Be- ratung schriftlich erteilte Ein- verständniserklärung voraus. Die- se Erklärung ist bis zum Zeitpunkt der Insemination, im Falle extra- korporaler Befruchtung jedoch nur bis zum Zeitpunkt der „Vereini- gung von Ei- und Samenzellen" widerrufbar. Leih-, Miet- oder Ersatzmutterschaften sind verbo- ten.

3. Fremdsamen darf nur bei In- semination, nicht jedoch bei ex- trakorporaler Befruchtung (In-Vi- tro-Fertilisation) verwendet wer- den. In jedem Fall sind genaue Aufzeichnungen über den Samen- spender zu führen.

Der Ehemann hat der: Verwen- dung von Fremdsamen vorher ge- richtlich oder notariell zuzustim- men und verliert damit die Mög- lichkeit einer Ehelichkeitsbe- streitungsklage. Ein mit Hilfe von Fremdsamen gezeugtes Kind hat auf sein Verlangen ab Eintritt der Volljährigkeit das Recht, alle we- sentlichen Daten über den Sa- menspender zu erfahren. Die Ver- wendung von Fremdsamengemisch ist jedenfalls unzulässig.

4. Jede wie auch immer geartete Benachteiligung für Ärzte, die zu- lässige Methoden medizinischer Fortpflanzungshilfe anwenden, aber auch für jene, die sich wei- gern, dies zu tun, ist untersagt.

5. Die Ablehnung medizinischer Fortpflanzungshilfe durch einen Ehepartner stellt keinen Schei- dungsgrund dar.

6. Jegliche Kommerzialisierung medizinischer Fortpflanzungshilfe ist verboten.

Die Absicherung der genannten Vorschriften erfolgt durch Verwal- tungsstraftatbestände mit teilwei- se erheblichen Strafdrohungen.

Die bislang strittigste Frage der zulässigen Verwendung von Keim- zellen und Embryonen wird in den Paragraphen 9 und 10 des Initiativ- antrags wie folgt geregelt:

„Entwicklungsfähige Zellen dür- fen nicht für andere Zwecke als für medizinische Fortpflanzungshilfen verwendet werden. Sie dürfen nur insoweit untersucht Und behandelt werden, als dies zur Herbeiführung einer Schwangerschaft oder zur Vermeidung einer besonderen ge- sundheitlichen Gefahr für die Frau oder das gewünschte Kind erfor- derlich ist; gleiches gilt für Samen oder Eizellen, die für medizinische Fortpflanzungshilfen verwendet werden sollen. Eingriffe in Keim- zellbahnen sind unzulässig ... Bei der Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Kör- pers einer Frau dürfen nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung für jene aussichtsreiche und zumutba- re medizinische Fortpf lanzungshil- fe notwendig sind."

Der bewußten Erzeugung „über- zähliger Embryonen" für For- schungszweeke wäre damit ein Riegel vorgeschoben. Soweit dies „zur Herbeiführung einer Schwan- gerschaft erforderlich ist", dürfen entwicklungsfähige Zellen jedoch bis zu einem Jahr konserviert wer- den. Diese absolute zeitliche Befri- stung gilt auch für Samen und Ei- zellen, die für eine medizinische Fortpflanzungshilfe verwendet werden sollen.

Die zuletzt genannten Bestim- mungen sind die einzigen des Ge- setzesentwurfs, die man als noch unausgegoren bezeichnen muß. Abgesehen davon, daß die Methode des Konservierens befruchteter Eizellen medizinisch umstritten ist, muß vom hier vertretenen Stand- punkt aus bestritten werden, daß die Möglichkeit, der Frau eine wei- tere Eizellenentnahme zu ersparen, es rechtfertigt, Embryonen über den Zeitpunkt des ehestmöglichen Rücktransfers hinaus zu konser- vieren und solcherart „in Reserve" zu halten.

Dieser Gesichtspunkt sei - so die Erläuterungen - der Grund dafür, daß die Konservierung bis zu einem Jahr erlaubt sein soll. Daraus er- gibt sich freilich ein gewisses Span- nungsverhältnis zu jener Be- stimmung, die die Erzeugung be- fruchteter Eizellen ja nur im „für eine aussichtsreiche und zumutbare medizinische Fortpflanzungshilfe" notwendigen Ausmaß gestattet. Wer hier jedoch ein bewußt eingebautes „Hintertürl" für die Forschung an Embryonen vermutet, tut der vor- liegenden Gesetzesinitiative Un- recht.

In den Erläuterungen wird aus- drücklichein „Verwendungsverbot für aus In-Vitro-Fertilisations- Versuchen übrig gebliebene menschliche Samenzellen, befruch- tete und unbefruchtete Eizellen" als eines der Ziele des Gesetzes postuliert. Diese Zielsetzung könn- te allerdings in der Textierung noch etwas deutlicher und konsequenter umgesetzt werden, wie dies bei- spielsweise im jüngsten Gesetzes- entwurf der SPD geschah. Dieser in der Bundesrepublik Deutschland höchst aktuelle, inhaltlich dem SPÖ-Entwurf durchaus vergleich- bare Gesetzesvorschlag enthält ein ausdrückliches Verbot der Konser- vierung von Embryonen und Eizel- len (siehe Kasten).

Alles in allem aber handelt es sich beim SPÖ-Initiativantrag um einen insgesamt beachtlichen legi- stisch im großen und ganzen durch- aus durchdachten Gesetzesent- wurf, der - von noch zu klärenden Detailfragen abgesehen - die wich- tigsten durch die medizinische Fort- pflanzungshilfe aufgeworfenen Probleme befriedigend löst und in dieser Form auf breiter Basis kon- sensfähig werden könnte.

Der Autor ist Assistent an der Juridischen Fakultät der Universität Wien.

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