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Spielereien mit Menschen

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Die Befürworter der künstlichen Befruchtung sind sich darin einig, daß sie im Dienst des Lebens zu stehen haben und von daher ihre moralische Berechtigung ableiten. Die Entwicklung der Retortenzeugung zeigt aber deutlich, daß vielfach andere Motive dominieren.

Vor fünf Jahren erblickte Louise Brown, das erste Retortenbaby, in England das Licht der Welt. Seither wurde die in vitro-Be- fruchtung in vielen Ländern (auch in Österreich) erfolgreich angewendet. Bei den ersten Versuchen wurde der Frau nur je- weüs ein Ei entnommen, rund zwölf Stunden bebrütet, mit dem Samen des Ehemannes befruchtet und nach zwei Tagen Aufenthalt in einer Nährlösung—mittlerweile hatte es sich in vier bis acht Zellen geteilt — der zukünftigen Mutter eingepflanzt. Von da an verlief alles normal.

Sorge bereitete von Anfang an die geringe Erfolgsquote von 20 bis 25 Prozent. Wollte man sie steigern, mußte man an der Schwachstelle des Verfahrens, der Einpflanzung, ansetzen. Denn Entnahme und Befruchtung verliefen zu 90 Prozent erfolgreich.

Also wurde mittels Hormonen die Fruchtbarkeit der Frauen erhöht. Man „erntete“ nicht mehr ein Ei, sondern mehrere und pflanzte sie ein. Die Folge waren Mehrlingsgeburten: Derzeit erwartet eine Australierin Drillinge.

Um dies wiederum nicht überhandnehmen zu lassen, pflanzt man nicht mehr alle Embryos ein, sondern kühlt die überzähligen tief, um sie bei einem Fehlschlag der ersten Einpflanzung aufzutauen und ihrerseits einzusetzen. Carl Wood, einem Professor in Melbourne, gelang der erste derartige Versuch: Das ursprünglich tiefgefrorene Baby wird heuer im September zur Welt kommen.

Spätestens hier wird die Angelegenheit gruselig. Denn auf diese

Art steht nicht mehr der Dienst am Leben der Beteiligten, vor allem der Kinder, im Vordergrund, sondern die möglichst effiziente Gestaltung eines Produktionsverfahrens. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß die Wissenschafter von erzeugen sprechen („to produce a baby“).

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, daß mit der Befruchtung das menschliche Leben beginnt. Das Wort Embryo verschleiert ein wenig, daß wir es von da an mit einem Menschen zu tim haben, von dem wir Christen glauben, daß er vom ersten Moment an von Gott geliebt und bejaht ist. Daran werden auch die raffiniertesten Methoden der menschlichen Einflußnahme auf die Zeugung nichts ändern.

Von daher ist auch der unbedingte Emst gegeben, mit dem wir für das Leben dieser Menschen eintreten müssen. So gesehen ist die Verlegenheitslösung der Tiefkühlung (was geschieht denn, wenn die erste Einpflanzung Erfolg hat und die Mutter keine Kinder mehr will?) ebenso unmenschlich wie das Wegwerfen, Vernichten oder Verwenden zu Experimenten.

Man muß die künstliche Befruchtung so gestalten, daß für jedes einzelne gezeugte Kind eine optimale Chance besteht, in die Familie seiner Eltern geboren zu werden. Es reicht nicht, dafür zu sorgen, daß irgendein Embryo durchkommt.

Wo Embryos im Uberschuß erzeugt werden, wächst die Versuchung, mit ihnen zu experimentieren. Argumente dafür wird man immer finden.

Da hilft auch der Hinweis nicht, bis zum 17. Tag spüre das „Wesen“ nichts. Gerade wenn es um menschliches Leben geht, bedarf es heute klarer Positionen und nicht so sehr intellektueller Debatten.

Eine zweite große Gefahr bergen alle Versuche, Merkmale des Menschen zu beeinflussen, etwa das Geschlecht. Hier gibt es schon konkrete Angebote: Der kalifornische Biologe Ronald Ericsson schaffte bei 70 Zeugungen 80 Prozent männliche Nachkommen auf Wunsch.

In dieselbe falsche Richtung zielen Bemühungen, bestimmte Merkmale durch „Zuchtwahl“ zu fördern. In den USA hat z. B. der Geschäftsmann Robert Graham eine Samenbank für superintelligente Babies angelegt (gespendet haben u. a. fünf Nobelpreisträger).

Würden wir uns auf diesen Weg einlassen, hätten wir bald viel von der für unser Überleben notwendigen menschlichen Vielfalt verloren. Denn immer sind es bestimmte Merkmale, die sich besonderer Beliebtheit erfreuen und damit der nächsten Generation verordnet werden würden.

Welche Folgen die gezielte Steuerung von Merkmalen der Nachkommen hat, könnten wir am Beispiel Chinas lernen. Wegen der dort betriebenen Ein-Kind- Familienpolitik haben die Morde an neugeborenen Mädchen dort gigantisch zugenommen. Jede Familie will zuerst einen Sohn. Die Folge: Auf fünf Knaben im Alter unter fünf Jahren kommt in der Provinz Hubei nur ein Mädchen!

Unter solchen Bedingungen ist es nur ein Schritt bis zu einer staatlichen Regulierung des Merkmals. Da ist es nicht ntir ein Gebot der Ethik, sondern auch eine der Klugheit, darauf zu verzichten, Kinder nach Maß, groß, blauäugig, blond, zäh wie Leder, usw zu bestellen.

Wie viele Irrwege müssen wir noch gehen, bis wir begreifen, daß wir nicht Herren der Schöpfung sind. Mehr demütiges Staunen täte unserer Wissenschaft gut.

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