Wird Klonen also langsam salonfähig?

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Die Ankündigung des US-Physikers Richard Seeds, Menschen klonen zu wollen, bewirkte, daß auch andere Experten sich zu Wort meldeten manche erstaunlich wohlwollend ...

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Die Ankündigung des US-Physikers Richard Seeds, Menschen klonen zu wollen, bewirkte, daß auch andere Experten sich zu Wort meldeten manche erstaunlich wohlwollend ...

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Eine Reihe von Fachleuten hielt fest, man sei noch meilenweit von der Möglichkeit, einen Menschen zu klonen, entfernt. Bestenfalls werde man auf diese Weise Monster produzieren können, Menschen voller Defekte. Selbst die Sache mit dem geklonten Schaf Dolly sei äußerst umstritten, wurde kolportiert. Denn trotz größter Bemühungen sei es bisher nicht gelungen, das Experiment zu reproduzieren. "War Dolly eine Ente?", titelte "Die Zeit". Auch die 1981 weltweit verbreiteten Meldungen, dem Schweizer Molekularbiologen Karl Illmensee sei es gelungen, Mäuse zu klonen, gerieten in ein schiefes Licht, als sich der Vorgang nicht wiederholen ließ.

Ob uns das Klonen demnächst ins Haus steht, bleibt somit umstritten. Einen Dienst hat Seeds Ankündigung aber der interessierten Öffentlichkeit erwiesen. Viele seiner Kollegen äußerten sich zum Thema. Und das eröffnete tiefe Einblicke in das Denken jener Wissenschafter, die an den Bausteinen des menschlichen Lebens hantieren. Gruselig, was da zutage trat. In Österreich waren es unter anderem die Wissenschafter Johannes Huber und Wilfried Feichtinger, beide Experten in der Sterilitätsbehandlung und Spezialisten der In-vitro-Fertilisation.

Klonen ist doch ganz natürlich Übereinstimmend stellen sie fest, das Klonen sei eigentlich nichts Besonderes: "Am Klonen selbst geht unser Planet sicher nicht zugrunde. Beim Klonen passiert das gleiche wie auch in der Natur, aber ohne Zeitversetzung." (Huber, Die Furche 4/1998) Und: "Klonen ist eigentlich ein natürlicher Vorgang ... Er entspricht der ungeschlechtlichen Vermehrung bei Pflanzen und anderen Lebewesen." (Feichtinger, Presseaussendung) Mit solchen Aussagen wird signalisiert: Nur keine Panik, alles bestens. Wir tun nur, was die Natur auch macht - ein beliebtes Argument, um problematische Technologien zu rechtfertigen. Wir kennen es von der Atom- und der Gentechnik-Debatte.

Was da zunächst einleuchtend wirkt, ist für die eigentliche Fragestellung nicht wirklich von Bedeutung. Am besten erkennt man das an einem Beispiel: In der Natur kommt es nicht selten vor, daß Lawinen Menschen unter sich begraben. Es ist für jeden einsichtig, daß niemand, der leichtsinnig oder sogar bewußt eine Lawine lostritt, sich durch den Hinweis auf das natürliche Vorkommen von Lawinen aus seiner Verantwortung für eventuelle katastrophale Folgen seines Tuns stehlen kann. Wo Menschen eingreifen, müssen sie für die Folgen ihres Tuns geradestehen. Da sind die Kriterien von Gut und Böse, von Recht und Unrecht maßgebend.

"Man kann diese neuen Technologien nicht verbieten, wenn eine Mehrheit sie möchte - auch wenn diese Mehrheit im gesamten betrachtet eine Minderheit ist, aber in ihrem Bereich den Ton angibt", stellt Huber weiter fest. Das ist die typische Fehleinschätzung des Experten, der meint, sein spezialisiertes Fachwissen gäbe ihm die Autorität, grundsätzliche Fragen des Menschseins kompetent zu beantworten. Man erkennt das am besten, wenn man Hubers Argument auf die Kinderpornographie überträgt. Da würde es lauten: Man kann diese neue Produktlinie nicht verbieten, wenn eine Mehrheit sie möchte - auch wenn diese Mehrheit im gesamten betrachtet eine Minderheit (eben die der Pornographen) ist ...

Entscheidende Fragen sind von der Warte der Menschenwürde aus zu beantworten - und nicht von der Interessenlage der jeweiligen Akteure her. Genau das geschieht aber heute bei den Ungeborenen. Um mit ihnen experimentieren zu können, wird ihnen einfach die Menschwürde aberkannt. Und man agiert, als handle es sich nicht um einen Menschen in den ersten Lebensphasen, sondern um biologisches Material.

Der Mensch: Acht Wochen lang nur Material Natürlich darf in der Argumentation die beruhigende Einschränkung nicht fehlen: "Die Grenze für den Naturwissenschaftler ist ein vorhandenes Nervensystem. Ab der siebenten oder achten Woche hat ein menschlicher Embryo ein ausgebildetes Nervensystem. In diesem Moment kommt es für keinen Wissenschaftler mehr in Frage, etwas zu machen - unabhängig von der Weltanschauung und Religion." (Huber) Auf diese Weise wird Verantwortungsbewußtsein signalisiert. Und: Die Wissenschaft ist sich ihrer Grenzen wohl bewußt. Nur: Diese selbstgezogene Grenze ist willkürlich - und selbstverständlich forschungsfreundlich. Es besteht überhaupt kein Grund anzunehmen, daß die Entstehung des Nervensystems etwas an der Qualität des Wesens, das da als Versuchskaninchen herhalten muß, etwas ändert. Es ist ein Menschenkind in den ersten Lebenstagen zunächst ohne und dann mit Nervensystem. Schon das Römische Recht sprach dem "nasciturus" dieselben Rechte zu wie dem geborenen Kind. Wir im Zeitalter der Menschenrechte fallen in die vorrechtliche Barbarei zurück.

Dennoch bemüht sich Feichtinger um einen Brückenschlag zu christlichen Wertvorstellungen. Er verweist auf den Auftrag Gottes im Schöpfungsbericht, fruchtbar zu sein und sich die Erde untertan zu machen. Klonen verstoße weder dagegen, "noch gegen die zehn Gebote, noch gegen irgendeine Stelle im Neuen Testament." Es mag stimmen, daß man das Wort Klonen in den Heiligen Schriften vergebens sucht. Aber schon eine kurze Überlegung macht deutlich, daß allein die Forschung zur "Erzeugung" der Klone eine Unzahl von ungeborenen Kindern "verbraucht", also tötet. Ein klarer Verstoß gegen das fünfte Gebot: "Du sollst nicht töten!"

Daher ist man auch eher ratlos vor der Feststellung Hubers: "Wenn man zur Heilung eines erwachsenen Menschen einen Frühembryo benötigt, der nur aus vier Zellen besteht, so würde ich das in Güterabwägung als zulässig ansehen." (Huber) Auch der bedeutendste Bio-Forscher hat einmal diese Phase seines Lebens durchgemacht und wäre nicht zu akademischen Ehren gelangt, ohne sie erfolgreich zu bestehen. Man fragt sich, aufgrund welcher Kriterien Huber zu dieser Aussage kommt, die noch vor 50 Jahren allgemein als Frevel gegolten hätte.

So sprachen die Alliierten Richter im Urteil des Hadamarer Euthanasie-Prozesses 1947 noch von der Heiligkeit des Lebens, als sie deutsche Ärzte verurteilten: "Es gibt ein über den Gesetzen stehendes Recht, das allen formalen Gesetzen als letzter Maßstab dienen muß. Es ist das Naturrecht, das der menschlichen Rechtssatzung unabdingbare und letzte Grenzen zieht ... Diese letzten Rechtssätze im Naturrecht sind zwingend, weil sie unabhängig vom Wandel der Zeit und vom Wechsel menschlicher Anschauungen durch die Jahrtausende gegangen sind und über alle Zeiten hinweg den gleichen Bestand und die gleiche Gültigkeit besitzen ... Einer dieser in der Natur tief und untrennbar verwurzelten letzten Rechtssätze, ist der Satz von der Heiligkeit des menschlichen Lebens und dem Recht des Menschen auf dieses Leben ..."

Der Mensch als "Gen-Container" Von dieser Sichtweise haben wir uns meilenweit entfernt. Die Wissenschaft hat sich ein anderes Menschenbild zurechtgebastelt. Wie beispielsweise Huber die Dinge sieht, konnte man in der "Presse" (19./20. 9.1987) lesen. Inspiriert vom Biologen Richard Dawkins erklärt er die Gene zu den eigentlichen Akteuren im Lebensgeschehen und die Lebewesen selbst degradiert er zu "Gen-Containern". Zitat: "Gene steuern das Verhalten ihrer Behälter, der tierischen und menschlichen Organismen, nicht unmittelbar wie Marionetten, sondern mittelbar über den Computer-Bau, den sie dem Körper mitgeben ..." Und: Nicht das "einzelne Individuum ist das Besondere des biologisch verstandenen Lebens ... sondern die Signale des genetischen Fadens stellen den eigentlichen, den schutzbedürftigen Sitz des Lebens dar." Was ist von einer Wissenschaft mit einem solchen Menschenbild zu erwarten?

Die Humanbiologen müssen wieder über den "Gegenstand" ihres Forschens nachdenken, über das Wesen des Menschen. Einer Forschung, die wirklich im Dienst des Menschen stehen will, muß in Erinnerung gerufen werden, was die christliche Kultur, die auch Wiege der modernen, wissenschaftlichen Forschung ist, über den Menschen aussagt: Er ist ein Geschöpf Gottes, der jeden Menschen ins Leben ruft. Die Forscher mögen an Zellen herumbasteln, aber Leben schenken, das kann nur Gott. Weiters hat jeder Mensch ein Recht darauf, aus menschlicher Zeugung hervorzugehen. Daher ist es gegen die Menschenwürde, ihn ausschließlich zum Objekt eines Produktionsprozesses zu degradieren.

Als Gottes Ebenbild geschaffen (diese Passage des ersten Buches der Bibel fehlt leider in den Überlegungen Feichtingers) darf der Mensch auch niemals - weder am Anfang seines Lebens, noch an dessen Ende - irgendwelchen Nützlichkeitsrechnungen unterworfen werden. Jeder, ob arm oder reich, klug oder geistig beschränkt, im Vollbesitz seiner Kräfte oder im Koma, geboren oder ungeboren besitzt einen absoluten, gegen nichts verrechenbaren Wert. Kein Nutzen - und sei er noch so attraktiv - kann rechtfertigen, daß man Menschen wie Material gebraucht.

Eine Gesellschaft, die solches toleriert, verstößt gegen die Grundordnung der Schöpfung. Sie kann nicht Bestand haben.

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