Christliche Positionen zur Bioethik

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Verschiedene Stellungenahmen der katholischen Kirche

Österreichs Bischöfe

Die Österreichische Bischofskonferenz erwartet mit Sorge mehrere Entscheidungen der politischen Verantwortungsträger. Es wird sich zeigen, inwieweit die österreichische Bundesregierung bereit ist, in wesentlichen Grundsatzfragen mit einer gewissen Unabhängigkeit von Mehrheitsverhältnissen in der EU und von den Wirtschaftsinteressen mancher einen ethisch verantwortbaren, eigenständigen Weg zu gehen.

Die Sorgen der Bischöfe beziehen sich vor allem auf den Umgang mit menschlichem Leben und die Achtung vor der Würde der Person sowie auf den Schutz der Jugend.

Die Bischöfe ersuchen dringend, dass unabhängig vom Beitritt zur Bioethik-Konvention allgemein verboten bleibt:

* jede entgeltliche und unentgeltliche "Verwertung" von lebenden oder absichtlich getöteten menschlichen Embryonen oder Föten,

* jeder gezielte Eingriff in die menschliche Keimbahn,

* jede Erzeugung von menschlichen Embryonen durch jegliche Art von Klonung,

* jede Gewinnung von Stammzellen, die eine Zerstörung von menschlichen Embryonen zur Voraussetzung hat, unabhängig davon, wie diese zustandegekommen sind,

* jede Herstellung hybrider Lebewesen aus Keimzellen oder totipotenten Zellen von Mensch und Tier.

Eine besondere Sorge ist den Bischöfen auch die Entwicklung im Bereich der pränatalen Diagnostik. Aus allen Bundesländern wird berichtet, dass schon der geringste Verdacht auf das Vorliegen einer möglichen Behinderung des Kindes bei einem sehr hohen Prozentsatz der schwangeren Frauen zur Abtreibung führt. Die Bischöfe empfinden es als bestürzend, dass in einem Land, in dem in den letzten Jahren hervorragende Einrichtungen für Behinderte geschaffen wurden, auf diese Weise Selektion betrieben wird. Dringend wäre die gezielte Förderung von Beratungseinrichtungen, die betroffenen Frauen - verbunden mit der Beratung - die möglichen Hilfestellungen anbieten, wenn sie ihr Kind zur Welt bringen. Die katholische Kirche ist bereit, zur Bewältigung dieser Probleme weiterhin ihren Beitrag zu leisten.

Erklärung

der österreichischen Bischöfe zur Bioethik vom 9. November 2001

Deutschlands Bischöfe

Eine neue Anwendungsform der genetischen Diagnostik ist die Präimplantationsdiagnostik. Mit ihr wird ein im Reagenzglas erzeugter Embryo, dessen Existenz als Mensch mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt, auf seine erbliche Belastung hin überprüft. Nur wenn der Embryo als erblich unbelastet getestet worden ist, wird er anschließend in die Gebärmutter der Frau übertragen. Im Fall einer Belastung wird er vernichtet. Gegenüber der zuvor genannten Pränataldiagnostik ist die Präimplantationsdagnostik von ganz anderer ethischer Qualität. Sie ist in jeder Hinsicht und von vorne herein auf Selektion von menschlichem Leben ausgerichtet und daher ist ihr aus ethischer Sicht entschieden zu widersprechen.

Wort der

Deutschen Bischofskonferenz zu Fragen von Gentechnik und Biomedizin 7. März 2001

Die Kongregation für Glaubensfragen

Vom Augenblick der Empfängnis an muss jedes menschliche Wesen in absoluter Weise geachtet werden, weil der Mensch auf der Erde die einzige Kreatur ist, die Gott "um ihrer selbst willen gewollt" hat, und die Geistseele jedes Menschen von Gott "unmittelbar geschaffen" ist; sein ganzes Wesen trägt das Abbild des Schöpfers.

Die menschliche Fortpflanzung erfordert das verantwortliche Mitwirken der Eheleute mit der fruchtbaren Liebe Gottes; das Geschenk des menschlichen Lebens muss innerhalb der Ehe mittels der spezifischen und ausschließlichen Akte der Eheleute verwirklicht werden gemäß den Gesetzen, die ihnen als Personen und ihrer Vereinigung eingeprägt sind.

Instruktion

über die Achtung vor dem beginnen-den menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Nr. 5 (Vatikan 1987)

Über die Denkschrift der Evangelischen Kirche Österreichs

Ulrich H.J. Körtner

Verantwortung für das Leben", so lautet der Titel einer Denkschrift zu Fragen der Biomedizin, welche die Evangelische Kirche in Österreich gerade veröffentlicht hat. "Die evangelischen Kirchen in Österreich", so heißt es im Einleitungskapitel, "sehen ihre Verantwortung, sich aktiv am gesellschaftlichen Diskurs über Chancen und Gefahren der Biomedizin zu beteiligen. Dazu gehört auch das Gespräch zwischen den im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich vertretenen Kirchen."

In 11 Kapiteln befasst sich die Denkschrift mit allen wichtigen Fragen, die sich aus der Erzeugung menschlichen Lebens im Reagenzglas und dem damit verbundenen biomedizinischen Fortschritt ergeben. Sie reichen von der Frage nach dem Lebensbeginn über die Fortpflanzungsmedizin, das reproduktive Klonen und die Präimplantationsdiagnostik bis hin zur Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen und zum therapeutischen Klonen.

Wie die Handreichung betont, gehört es zum Grundverständnis evangelischen Glaubens, die Gewissensfreiheit, Mündigkeit und Verantwortung jedes Menschen in Fragen des Glaubens und der Ethik zu achten und einzuschärfen. Sie formuliert daher keine abschließende Position der evangelischen Kirchen, bezieht aber in Einzelfragen deutlich Stellung. Evangelische Freiheit und Verantwortung schließen allerdings die Möglichkeit ein, dass in ethischen Fragen auf gemeinsamer Grundlage unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden. Wichtiger als die konkreten Einzelaussagen ist daher die Klärung der theologischen und der ethischen Voraussetzungen, auf deren Grundlage Christinnen und Christen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Chancen und Gefahren der modernen Biomedizin gelangen können. Hierauf liegt das Gewicht der Denkschrift.

Unbestimmter Anfang

In der Frage des Lebensbeginns verweist die Stellungnahme auf die Uneinigkeit, die unter Medizinern und Philosophen herrscht. Üblicherweise wird in der evangelischen Kirche die Position vertreten, das Leben des Menschen beginne mit der Befruchtung, genauer: mit der Verschmelzung der Vorkerne. Anthropologisch muss man aber wohl von einer Unbestimmtheit des Lebensanfangs sprechen, die sich auch durch theologische Argumente nicht beseitigen lässt. Wenn auch die vorliegende Denkschrift dennoch für den Schutz des Embryos von der Befruchtung an eintritt, so deshalb, weil jede spätere Festlegung des Lebensbeginn mehr oder weniger willkürlich wäre.

Im Unterschied zur römisch-katholischen Kirche lehnt die evangelische Kirche die In-vitro-Fertilisation nicht grundsätzlich ab, sieht aber im Anfallen "überzähliger" Embryonen ein ethisches Problem. Es solle daher alles getan werden, um dieses Problem künftig zu vermeiden. Kritisch äußert sich die Evangelische Kirche in Österreich zu dem Vorschlag, überzählige Embryonen zur Adoption freizugeben, weil damit das Tor zur Leihmutterschaft geöffnet würde. Im Übrigen sei die "Adoption" nicht zu erzwingen, so dass das Problem überzähliger Embryonen so nicht wirklich gelöst werden könne.

Differenziert sehen

Damit stellt sich die Frage nach der Gewinnung und Beforschung embryonaler Stammzellen. Hier plädiert die Denkschrift für eine differenzierte Diskussion. "Es lässt sich argumentieren, dass unter gewissen Voraussetzungen eine Analogie zwischen einem abgetriebenen Fötus und einem in vitro gehaltenen bzw. kryokonservierten Embryo besteht, nämlich dann, wenn dieser nicht zu Forschungszwecken, sondern zum Zweck der medizinisch unterstützten Fortpflanzung gezeugt, jedoch als überzählig verworfen', das heißt vernichtet werden soll. In diesem Fall ist es ethisch vertretbar, eine Güterabwägung vorzunehmen und die Verwerfung des Embryos gegen die Gewinnung von Stammzellen abzuwägen, sofern deren Nutzung klar eingegrenzten, ethisch akzeptablen Zielen dient." Keinesfalls aber dürften Embryonen lediglich zu Forschungs- oder therapeutischen Verwertungszwecken erzeugt werden. Auf Ablehnung stößt daher das Verfahren des sogenannten therapeutischen Klonens.

Sehr zurückhaltend äußert sich die Denkschrift zur Präimplantationsdiagnostik, auch wenn diese nicht kategorisch abgelehnt wird. Ausdrücklich verweist die Handreichung auf den Zusammenhang mit der pränatalen Diagnostik und auf die Gefahr, einer neuen Eugenik den Weg zu ebnen. Zwar werden die Argumente der Befürworter ausgiebig gewürdigt, jedoch sei zu bezweifeln, dass sich die Präimplantationsdiagnostik in der Praxis wirklich auf nur wenige Ausnahmefälle eingrenzen ließe. So berechtigt der Wunsch betroffener Paare nach einem gesunden Kind ist, so wenig heiligt der Zweck alle Mittel.

Der Autor ist Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Universität Wien.

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