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Nach einem Infarkt das Herz wieder vollständig herzustellen - das sollen Stammzellen einmal leisten können. Ob und wann das gelingt, ist jedoch offen.

Wer Pressemeldungen zum Thema Stammzellenforschung verfolgt, gewinnt unweigerlich den Eindruck, die Medizin sei drauf und dran, den Stein der Weisen gefunden zu haben: ein Verfahren, das es gestattet, zerstörte Gewebe wieder herzustellen. Krankheiten wie Aids, Krebs, Parkinson, Osteoporose, Alzheimer werde man erfolgreich bekämpfen, so die Verheißung. Der Schimmer einer Hoffnung auf ewiges Leben scheint am Horizont aufzustrahlen. Ernstzunehmende Wissenschaft winkt da klarerweise ab (siehe das Interview auf dieser Seite).

Was sind nun aber diese Wunderwesen, die Stammzellen? Es sind Zellen, die man im Körper jedes Menschen, auch des erwachsenen, findet. Erstmals entdeckt wurden sie von Hämatologen. Sie beschäftigen sich schon seit Anfang der sechziger Jahre mit Stammzellen. Zunächst nahm man an, diese würden nur bei der Regeneration des Knochenmarks eine Rolle spielen. Mittlerweile aber weiß man, dass sie einiges mehr vermögen.

Insbesondere besitzen sie zwei bemerkenswerte Fähigkeiten: sich zu teilen und sich in verschiedene Zellreihen zu differenzieren. Für das Blut heißt das: Sie können sich in rote Blutkörperchen, in Blutplättchen oder in weiße Blutzellen wandeln. Jene Zelllinien, die sich differenzieren, sich also etwa zu roten Blutkörperchen entwickeln, verlieren allerdings die Fähigkeit, sich beliebig weiter zu teilen. Sie können sich auch nicht zu Stammzellen zurückbilden.

Neue Entwicklungen

Erst in den letzten zehn bis 15 Jahren wurden Verfahren entwickelt, die es gestatten, Stammzellen zu markieren, zu isolieren und gezielt einzusetzen. Und noch jüngeren Datums ist die Erkenntnis, dass sich Stammzellen aus dem Knochenmark auch zu Zellen anderer Organe entwickeln können. Beispielsweise können sie in den Herzmuskel wandern und dort Herzmuskelzellen bilden. Auch in Gefäßwandstrukturen können sie sich entwickeln, ebenso in Leberzellen.

Verständlich, dass dies die Fantasie der Forscher beflügelt. Das Knochenmark ist jedoch nicht die einzige Quelle von Stammzellen. Man findet sie nämlich auch im Blut der Nabelschnur Neugeborener - in hoher Konzentration. Von dort kann man sie entnehmen, tiefkühlen und für den eventuellen Bedarf konservieren. In dieser Weise für jedermann Vorsorge zu treffen, ist beim derzeitigen Stand der Forschung jedoch nicht zielführend.

Neben diesen ethisch unproblematischen Quellen wird die Gewinnung von Stammzellen aus embryonalem Gewebe stark forciert. So verwendet man neurologische Stammzellen, Keimzellen oder hämatologische Stammzellen abgetriebener Kinder. Oder man greift auf Embryonen zu, die aus der In-vitro-Fertilisation stammen (entweder nach künstlicher Befruchtung übrig gebliebene oder für Forschungszwecke "erzeugte"). Eine dritte Möglichkeit ist die Verwendung geklonter Embryonen (siehe Seite 17).

Mit den embryonalen Stammzellen verbindet man die Hoffnung, sie einmal in jede mögliche Richtung der Spezialisierung lenken zu können. Daher wird auf diesem Sektor intensiv geforscht. 1981 gelang es erstmals, aus frühen Mäuseembryonen pluripotente Stammzellen (siehe Kasten) zu gewinnen. In der Kultur beobachtete man, dass sie sich unbegrenzt teilten. Und bei bestimmten Kulturbedingungen gelang es auch, Differenzierungen hervorzurufen, ohne dass jedoch dabei Gewebe entstanden wären.

Humane embryonale Stammzellen wurden erstmals 1998 isoliert. James Thompson verwendete dabei Embryonen aus der In-vitro-Fertilisation und John Gearhart solche aus Abtreibungen. Als man sie Mäusen injizierte, entwickelten diese Teratome, also Geschwülste, die ihrerseits differenzierte Gewebe enthielten. Heiß umstritten ist derzeit die Frage, ob solche Versuche zugelassen werden sollen. In Deutschland plädiert die Deutsche Forschungsgemeinschaft nach einem Kursschwenk zu einer liberalen Regelung, welche eine Verwendung von Embryonen zulässt, die nach einer In-vitro-Fertilisation übrigbleiben. Wegweisend könnte die Entscheidung von US-Präsident George W. Bush vom 9. August sein: Sie gab den Weg frei für die öffentliche Förderung der Erforschung embryonaler Stammzellen - jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Arbeiten nicht direkt auf Embryonen zugreifen, sondern nur auf jene rund 60 Stammzellen-Linien, die bereits existieren - eine pragmatische Lösung, die ihm Kritik von Seiten der Befürworter wie der Gegner der embryonalen Stammzellenforschung eingebracht hat.

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