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Philosophie und Theologie mühen sich in der Stammzell- debatte um Grenzziehungen - und bieten verschiedene Antworten zu einer Frage: Welchen moralischen Status hat der menschliche Embryo?

Sigrid H. und Peter F. sind erschöpft, übernächtigt - und glücklich: Jahrelang hatten sie versucht, auf natürlichem Weg ein Kind zu bekommen. Als es nicht und nicht klappen wollte, suchten sie eine Kinderwunschklinik auf, nahmen eine anstrengende Hormonstimulation der Frau in Kauf, hofften, dass sich nach der Befruchtung in vitro genügend "schöne" Blastozysten bilden würden - und entschieden sich, zwei der drei Embryonen zu implantieren. Das Paar hatte Glück: Beide "Zellhaufen" entwickelten sich. Heute heißen sie Martin und Elisabeth - und halten ihre Eltern gehörig auf Trab.

Der dritte Embryo ist derweil auf Eis gelegt. Bei knapp minus 200 Grad Celsius wartet er darauf, entweder in Sigrid H.s Gebärmutter - oder im Ausguss zu landen. Spätestens nach zehn Jahren (so lange darf er in Österreich laut Fortpflanzungsmedizingesetz aufbewahrt werden) ist sein Schicksal besiegelt.

Vielleicht, meint Sigrid H., entschließt sie sich dazu, auch diesem "Kind" noch eine Chance zu geben. Aber wenn es sich das Paar doch anders überlegt: Womit könnte es eher leben? Mit der Vorstellung, den Embryo "sterben" zu lassen? Oder mit der Freigabe der Blastozyste für die Forschung, um daraus Stammzellen - und irgendwann womöglich weit reichende Erkenntnisse zu gewinnen?

Auch wenn die zweite Option derzeit in Österreich nicht möglich ist (laut Paragraph 9, Absatz 1 des Fortpflanzungsmedizingesetzes ist die Entnahme von Stammzellen aus befruchteten Eizellen verboten): Die Situation von Sigrid H. und Peter F. zeigt beispielhaft, dass es bei der - vermeintlich abgehobenen - Debatte über die ethische Verträglichkeit embryonaler Stammzellforschung um grundsätzliche Fragen des Menschseins geht.

"Haarige Objekte"

Aus menschlichen Embryonen gewonnene Stammzellen seien eben "haarige Objekte", meint die Wiener Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt - und bemüht damit ein Bild des französischen Philosophen Bruno Latour. Diese "haarigen Objekte", die Produkte "riskanter Verwicklungen" seien, könnten zwar "rasiert" werden, meint Felt - etwa durch Verwendung unverfänglicher Begriffe ("Zellhaufen", "Prä-Embryo") oder die Auslagerung von Entscheidungen an Ethikkommissionen. Doch trotz allen Scherens und Rasierens: Am Ende, so Felt, würden die - problematischen - Haare stets von Neuem sprießen.

Nach römisch-katholischer Lesart dürften diese "haarigen Objekte" eigentlich gar nicht existieren. Schließlich wird die In-Vitro-Fertilisation insgesamt - ob ihrer Entkoppelung von (ehelichem) Akt und Zeugung - als Verstoß gegen die Würde des Menschen abgelehnt. Da es aber de facto "überzählige" Embryonen gebe, sei es nach katholisch-theologischer Auffassung immer noch besser, sie in Würde sterben zu lassen, als sie für Forschungszwecke zu instrumentalisieren (siehe Kasten).

Anhänger eines graduellen Lebensschutzes (etwa aus dem Bereich der protestantischen Theologie) billigen hingegen dem frühen Embryo bzw. der Blastozyste (gegenüber dem reiferen Embryo oder Fetus) nur einen abgeschwächten Schutzanspruch zu. Abwägungen zwischen dem Lebensschutz des Embryos und dem hohen Gut der Forschungsfreiheit sind daher für sie zulässig.

Heikle Fragen

Auch wenn sich im Zuge der embryonalen Stammzellforschung noch viele weitere Fragen stellen (Wie können die dringend benötigten Eizellen aufgebracht werden? Ist es ethisch vertretbar, den Spenderinnen wie in England 1500 Pfund dafür zu zahlen, wenn sie im Rahmen einer IVF-Behandlung die Hälfte der Eizellen der Forschung zur Verfügung stellen? Wie sozial gerecht ist es überhaupt, diese kostenintensive Forschung zu finanzieren?): Die eigentliche Gretchenfrage bleibt jene nach dem moralischen Status des frühen, "überzähligen", kryokonservierten Embryos. Ethikerinnen und Ethiker jedweder weltanschaulicher Beheimatung müssen darauf eine Antwort finden.

Und Menschen wie Sigrid H. und Peter F. erst recht.

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