Mysterien in Konkurrenz

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Auf der 3. Ökumenischen Sommerakademie in Kremsmünster (Titel: "Lasst uns Menschen machen") kamen Kirchenvertreter und Naturwissenschafter ins Gespräch.

Gregor Mendel war Mönch. 150 Jahre später müssen wir nun ausbaden, was er angezettelt hat." Mit nicht wenig Ironie brachte der amerikanische Mikrobiologe und gebürtige Österreicher Matthias Wabl die Ambivalenz des Verhältnisses zwischen Theologie und Naturwissenschaften auf den Punkt. Bereits im Fall Galilei hatte die gegenseitige Entfremdung ihren Höhepunkt gefunden, betonte der Linzer Fundamentaltheologe Franz Gruber im Rahmen der Dritten Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster (OÖ). Angesichts der Herausforderungen der molekularen Medizin dürfe sich die Theologie nun "nicht wie damals verabschieden" und müsse sich einbringen in den vernünftigen Diskurs.

Während sich Vertreter von Kirchen, Naturwissenschaft und Theologie letzte Woche im Kremsmünsterer Kaisersaal solcherart den Kopf zerbrachen, zeigten zwei US-Forscherteams der Moral die lange Nase und gestanden, menschliche Embryonen zum Zweck der Stammzellengewinnung produziert zu haben. Der kontinuierliche Tabubruch hat Methode, glaubt der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff. Mit der Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken komme es demnach zur "ausschließlichen und vollständigen Instrumentalisierung menschlichen Lebens." Doch nicht erst hier beginnt für den katholischen Theologen die "moralische Schieflage". Er ortet sie bereits bei der künstlichen Befruchtung, im Zuge derer es überhaupt zu überzähligen Embryonen kommt. Auch beim Schritt von der (vielfach praktizierten) Pränataldiagnostik zur (noch verbotenen) Präimplantations-diagnostik zeige sich dieses Step-by-Step-Denken: "Hier wird einfach der selektive Prozess vorverlegt."

Was aber tun mit bestehenden, kryokonservierten Embry-onen? Nach Schockenhoff ist im Ausnahmefall eine Adoption mit der dazu nötigen Leihmutterschaft vertretbar, wie sie der Leiter der Bioethikkommission, Johannes Huber, bereits mehrfach angedacht hat. Auch eine Beerdigung der Embryonen sei vorstellbar.

Gänzlich andere Positionen vertritt Christine Mannhalter vom Institut für Labordiagnostik der Universität Wien und Mitglied der Bioethikkommission. Bei der In-vitro-Fertilisation sei es schlichtweg notwendig, mehrere Embryonen zu gewinnen, weil nur rund 25 Prozent lebensfähig seien. "Hauptziel der Präimplantationsdiagnostik ist es, die nichtlebensfähigen Embryos zu erkennen, um der Mutter ein Psychotrauma zu ersparen." Nicht nur fundamentalistische Positionen, auch wissenschaftliche Wunschvorstellungen - etwa bei der Gentherapie - gingen am Klinikalltag vorbei, so Mannhalter. "Wir haben nach wie vor keine effiziente Technik, um das Gen an der richtigen Stelle zu positionieren. Deshalb können wir die Keimbahntherapie noch nicht diskutieren." Optimistischer zeigt sich dagegen Matthias Wabl, dem vor 25 Jahren als Erster das Klonen einer somatischen Zelle gelang. Für ihn ist die Keimbahngentherapie nur "eine Frage der Zeit."

Was technisch möglich ist, bleibt in Kremsmünster ebenso umstritten wie die Frage nach dem sittlich Erlaubten. Der evangelische Theologe Ulrich Körtner etwa plädierte für die "Unbestimmbarkeit des Lebensanfangs" und warnte die Kirchen vor voreiligen Festlegungen. Denn "auch das Unterlassen muss sich ethisch rechtfertigen." Dogmatische Setzungen seien zu vermeiden, "es sei denn, die Kirchen wollen sich aus dem öffentlichen Diskurs verabschieden."

Klar für die Forschung an überzähligen Embryonen sprachen sich der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm und der altkatholische Bischof Bernhard Heitz aus. Auch ein Embryonen-Begräbnis sei "keine Alternative", ihr "sozialer Raum" bleibe, so Sturm, die "Hoffnung der Kranken auf Heilung." Kritisch äußerten sich dagegen Erzbischof Michael Staikos von der griechisch-orthodoxen Kirche, der muslimische Arzt Mahmoud Abou-Roumiè sowie Vorarlbergs Bischof Klaus Küng zur Embryonenforschung: Man sei zwar forschungsfreundlich, so Küng, doch nicht um den Preis menschlichen Lebens, das mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginne. Was der Heilung diene, sei aber erwünscht, bekräftigte Küng - um sich dann zur Aussage durchzuringen, Eingriffe in die Keimbahn seien im Fall einer Erbkrankheit sogar "ethisch anstrebenswert" (siehe Kommentar).

In einem Punkt jedenfalls wurde im Kremsmünsterer Kaisersaal Konsens erzielt: Die Stimme der Kirchen wie auch ihre Diskursfähigkeit ist in der Bioethik-Debatte gefordert wie selten zuvor. Denn der Fall Galilei darf sich nicht wiederholen.

Kommentar: Bischöflicher Lapsus

"Herr Bischof Küng hat offensichtlich die Sachlage nicht gründlich studiert", vermutete der Tübinger Ethiker Dietmar Mieth sonntags in der ORF-Sendung Orientierung. "Denn die Voraussetzung für eine Keimbahntherapie ist der Verbrauch von unzähligen Embryonen im Reagenzglas." Der Vorarlberger Bischof Klaus Küng, selbst Arzt, ist in ein geschickt positioniertes Fettnäpfchen geschlittert. Auf die Frage des Mikrobiologen Matthias Wabl, ob bei Bluterkranken auch "eine Keimbahntherapie ethisch gerechtfertigt" wäre, meinte Küng: "Wenn ein solcher Eingriff rein therapeutischen Zwecken dient" sei er sogar "ethisch anstrebenswert." Damit hat er nicht nur gegen den allgemein anerkannten Konsens verstoßen, sondern auch vergleichsweise naiv an die Nachhaltigkeit von Ausnahmen geglaubt. Keimbahntherapie aber bedeutet nach wie vor Manipulation - und schlechte Vorbereitung den Verlust ärztlicher Reputation. DH

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