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Retorten-Weisheit vorletzter Schluß

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Noch in diesem Jahr will der Nationalrat ein Gesetz verabschieden, das die künstliche Befruchtung beim Menschen regelt. Aber das im Parlament liegende Papier der Rektorenkonferenz ist problematisch.

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Noch in diesem Jahr will der Nationalrat ein Gesetz verabschieden, das die künstliche Befruchtung beim Menschen regelt. Aber das im Parlament liegende Papier der Rektorenkonferenz ist problematisch.

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Im September 1986 hat sich der bundesdeutsche Juristentag umfassend und intensiv mit den Rechtsfragen in Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung beim Menschen auseinandergesetzt. Die Beschlüsse des Deutschen Juristentages (siehe Kasten „Ihrem Schicksal überlassen ...“) sind für Österreich deshalb von besonderem Interesse, weil sie den Ergebnissen der von der österreichischen Rektorenkonferenz eingesetzten „Kommission für In-vitro-Fertilisa-tion“ (FURCHE 26/1986) in entscheidenden Punkten erheblich widersprechen.

Dies gilt vor allem für die Beschlußpunkte 5 und 6 der deut-

sehen Juristen, die jede Form der Forschung an oder mit „überzähligen Embryonen“ (auch „verbrauchende Experimente“ genannt) ausnahmslos für unzulässig erklären.

Die Kommission der österreichischen Rektorenkonferenz meinte hingegen, daß „überzählige Embryonen“ für Forschungszwecke verwendet werden dürfen, wenn sich entweder überhaupt keine Möglichkeit findet, sie einer Frau zu implantieren, oder aber — bei Bestehen einer solchen Möglichkeit - Ei- oder Samenzellenspender der Implantation widersprechen.

„Nur wenn ein Transfer im konkreten Fall nicht möglich sein sollte, ist“ — so die IVF-Kommis-sion — „die Verwendung für die medizinische Forschung auch ohne Zustimmung der genetischen Eltern zulässig. Der Vernichtung oder der Dauerkonservierung von Embryonen ist das jedenfalls vorzuziehen.“

Damit ist eine Grundsatzentscheidung gefällt: Ehe man „überzählige Embryonen“ auf unbestimmte Zeit einfriert oder sie sonst „ihrem Schicksal“ überläßt, soll man sie wenigstens nutzbringend als Forschungsobjekte verwenden dürfen. Vor dem Hintergrund dieser Alternative wirkt die Meinung der IVF-Kommissi-on bestechend. Bei genauerer Betrachtung freilich offenbaren sich beträchtliche Ungereimtheiten.

Verwunderlich ist beispielsweise, daß die Kommission die Implantation eines „überzähligen Embryos“ in eine von der Eizellenspenderin verschiedene Frau

von der Zustimmung der Ei- und Samenzellenspender abhängig macht, die „verbrauchenden Experimente“ mit derartigen Embryos aber auch gegen den Willen dieser Personen zulassen möchte.

Damit erhalten Ei- und Samenzellenspender das Recht, die Uberlebenschance des Embryos zu vereiteln, auch wenn sich eine „Ersatzmutter“ fände, was in Anbetracht der im Kommissionsgutachten selbst festgestellten „starken Nachfrage von transferwilligen Frauen“ sehr wahrscheinlich wäre.

Dieses den Ei- und Samenspendern zugestandene Dispositionsrecht über die Lebenschancen der Embryos ist höchst problematisch. Es offenbart sich darin der (grundsätzliche) Mangel des Kommissionsgutachtens: die Interessen der an einer künstlichen Befruchtung Beteiligten werden letztlich über das Lebensrecht des Embryos gestellt.

Der Stellenwert genetischer

Abstammung wird von der IVF-Kommission nicht einheitlich beurteilt. Sie tritt beispielsweise für die Zulassung der Fremdsamenbefruchtung ein, wobei die Identität des Samenspenders aber jedenfalls gewahrt bleiben sollte. Hier wird die genetische Abstammung offenbar gering bewertet.

Anders aber im Fall einer Eizellenspende: diese soll nur dann zulässig sein, wenn dabei keine Fremdsamenbefruchtung stattfindet, damit „das Kind wenigstens mit dem männlichen Teil des Paares, weil dessen Samen verwendet wurde, genetisch verwandt ist“.

An anderer Stelle wieder wird die genetische Abstammung und ihre psychologische Bedeutung für den jeweils Betroffenen geradezu mit Füßen getreten: „Die Verwendung eines Gemisches von Samen des Ehemannes (beziehungsweise Lebensgefährten) mit jenem eines fremden Samenspenders wollte die Kommission

nicht ausschließen. Solche Verwendung ist sicher dazu geeignet, dem Mann eine — infolge der bisherigen Untauglichkeit seines Samens — irreal günstige Möglichkeit vorzugaukeln, daß er doch tatsächlich der Vater des Kindes ist. Doch mag ein solcher .frommer Betrug' positive Auswirkungen haben. Die notwendige Kontrolle wird jedenfalls durch die Beigabe wahrscheinlich untauglichen Samens nicht wesentlich erschwert.“

So steht es schwarz auf weiß im IVF-Kommissionsbericht der Rektorenkonferenz. Es bleibt abzuwarten, was Österreichs Ärzte zu dem ihnen in diesem Bereich zugemuteten Rollenbild des „Gauklers und Betrügers“ zu sagen haben...

Abgesehen von diesen — hier nur episodenhaft herausgegriffenen — Ungereimtheiten bleibt als größter Mangel des IVF-Kom-missionsgutachtens festzuhalten, daß dem Lebensrecht des nasciturus nicht die höchste Priorität eingeräumt wird.

Zwar wird in sehr verdienstvoller Weise klargestellt, „daß im Rahmen des geltenden Rechtssystems die Auffassung völlig unvertretbar wäre, der in vitro befindliche Embryo sei eine beliebiger Verfügung zugängliche Sache“. Diese Auffassung hatte immerhin der frühere Justizminister Harald Ofner vertreten (FURCHE 14/1985).

Dennoch wird letztlich das von der IVF-Kommission durchaus anerkannte Lebensrecht des nasciturus anderen Interessen — wie der medizinischen Forschung oder auch der Dispositionsgewalt der Ei- und Samenzellenspender - untergeordnet, ohne daß dies

juristisch ausreichend begründet worden wäre.

Man muß sogar schmerzlich feststellen, daß jede tief ergehende Auseinandersetzung mit Gegenpositionen — wie zum Beispiel den Empfehlungen der Senatskommission der Universität Wien (FURCHE 3/1985) - völlig fehlt. Auch in diesem „Begründungsmangel“ liegt ein wesentlicher Unterschied zum Deutschen Juristentag.

Aus christlicher Sicht müssen Lebensrecht und Unverletzlichkeit des nasciturus allen anderen Interessen — einschließlich jener der medizinischen Forschung — vorgehen.

Im Falle „verwaister“ und nicht erkennbar geschädigter Embryonen ist daher alles zu tun, um ihre Lebenschance zu wahren, unabhängig davon, ob Ei- und Samenspender dem zustimmen — und auch unabhängig von medizinischen Forscherinteressen. Deshalb hat wohl der Deutsche Juristentag mit dem Punkt 6 (siehe Kasten) festgestellt, daß auch nach gebotener Ausschöpfung aller Möglichkeiten, die befruchteten Eizellen einer Frau einzusetzen, mit ihnen keine Experimente durchgeführt werden dürfen, so-daß sie — ohne Zutun irgendeiner Person — von selbst absterben.

Die Kommission der österreichischen Rektorenkonferenz trug dem leider nicht Rechnung. Man kann ihr freilich ein redliches Bemühen um vertretbare und vor allem konsensfähige Lösungen nicht absprechen. Dieses Gutachten kann aber nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Es ist wahrscheinlich nicht einmal ihr vorletzter.

Der Autor ist Assistent an der Juridischen Fakultät der Universität Wien.

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