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Erbgut ohne Erbschaft

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Der Erstentwurf des Justizministeriums zum Thema künstliche Befruchtung ist - über die „Leihmutterschaft“ hinaus (FURCHE 51/52/1987)-so nicht akzeptabel.

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Der Erstentwurf des Justizministeriums zum Thema künstliche Befruchtung ist - über die „Leihmutterschaft“ hinaus (FURCHE 51/52/1987)-so nicht akzeptabel.

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In der FURCHE 51/52/1987 wurde der Gesetzesentwurf des Justizministeriums zur Regelung der zivilrechtlichen Folgen einer künstlichen Befruchtung aufgegriffen. Es handelt sich nur um einen ersten Entwurf, der allerdings bereits einer Vorbegutachtung zugeführt wurde.

Hier geht es nicht um eine detaillierte Behandlung der einzelnen Gesetzesbestimmungen, sondern um Grundsätze, um Werte, um Wertungen und Haltungen, die beachtet oder mißachtet werden. Von dieser Warte aus gesehen fallen beim vorliegenden Entwurf folgende negative Aspekte ins Auge:

1. Zunächst die Geringschätzung der genetischen Wahrheit:

Bei der genetischen Wahrheit handelt es sich um die Wahrheit über die wirkliche Abstammung. Wie bekannt, kann einer Frau die befruchtete Eizelle einer anderen Frau eingesetzt werden. Wer ist dann eigentlich die Mutter des Kindes, das auf eine solche Weise zur Welt kommt? Der vorliegende Entwurf weist die Mutterschaft der Gebärenden zu. Die „Spenderin“ der Eizelle soll nur dann zur Mutter gemacht werden, wenn die Gebärende ihr das Kind innerhalb von drei Monaten nach der Geburt überläßt.

Nun soll die Bedeutung jener Frau nicht geringgeschätzt werden, die das Kind neun Monate getragen und dann zur Welt gebracht hat. Es soll auch nicht übersehen werden, daß diese Frau dem Kind — hoffentlich — Zuneigung und Zuwendung gewährt hat, doch die Eigenschaften, der Charakter, die Begabung, die das Kind mitbringt, sie stammen eben nun einmal ebensowenig von ihr wie die körperliche Ausstattung.

Wenn sich das großgewordene Kind einmal fragen wird: „Wer bin ich? Wie bin ich und wieso bin ich so?“, dann wird die gebärende „Mutter“ keine Antwort bieten können. Sie ist - so gesehen - zum Kind eine Fremde. t

Genauso problematisch ist der Versuch des Entwurfes, eine Korrektur dadurch herbeizuführen, daß die Gebärende das Kind der Spenderin „überlassen“ und sie dadurch zur Mutter „machen“ kann. Soll die Mutterschaft, jene innige Beziehung, das Ergebnis einer bloßen „Überlassung“, einer „Ubergabe“ (sicher keiner „Hingabe“) sein, so, wie man eine leblose Sache übergibt, weil man sie nicht mehr will, oder weil der andere auf seinen Besitz besteht?

Die genetische Wahrheit wird aber auch in jener Bestimmung des Entwurfes zurückgedrängt, die da lautet, daß der Ehemann, der der künstlichen Fortpflanzung unter Verwendung des Samens eines anderen Mannes zugestimmt hat, die Ehelichkeit eines so gezeugten Kindes nicht bestreiten kann. Auch hier wird das Kind, wenn es später über die wirkliche Vaterschaft nicht aufgeklärt wird, ein Leben lang mit einer Lüge leben müssen, wer sein wirklicher Vater ist.

2. Sodann fällt die „Entlassung des Spenders“ aus seiner natürlichen Verpflichtung auf: Der Entwurf verbietet nämlich die gerichtliche Feststellung des genetischen Vaters und der genetischen Mutter. Bisher war selbstverständlich und zementiert der Grundsatz im Vaterschaftsrecht (die Mutterschaft war jasphnedies bisher nie bestritten), daß die materielle Wahrheit, wer der Vater ist, zutage gefördert werden muß. Dieser Grundsatz war nur durch die Bestimmung durchbrochen, daß die eheliche Vaterschaft binnen einem Jahr bestritten werden mußte. Immerhin bestand die Möglichkeit der Bestreitung. Jetzt soll sie bei der künstlichen Befruchtung nicht mehr bestehen.

Damit wird der Spender aus seiner natürlichen Verantwortung herauskatapultiert und zur Funktion des „Erzeugers“ reduziert, der nach vollzogener Samenspende unter dem Schutz des Gesetzes das Weite suchen kann.

Es soll gar nicht davon die Rede sein, daß damit ein naturgegebenes inniges Verhältnis zwischen Vater und Kind über Befehl und nicht nur über Gestattung des Gesetzgebers unterbunden wird. Jedenfalls wird ein elementarer und naturhafter Bezug verhindert: Die Verantwortung des Vaters für sein Kind, daß es Nahrung, Kleidung, Wohnung, Ausbildung und einen gesicherten Eintritt ins Leben habe. Darüber kann auch die Bestimmung nicht hinwegtrösten, daß jener Mann, der in Lebensgemeinschaft mit der Mutter lebt und einer künstlichen Befruchtung unter Verwendung des Samens eines anderen Mannes zugestimmt hat, damit gegenüber dem so gezeugten Kind eine Unterhaltsverpflichtung übernehmen muß. Man kann sich ausrechnen, welche Bedeutung eine so begründete Unterhaltspflicht haben wird, wenn von der Lebensgemeinschaft im Entwurf nicht einmal das Element der Dauer verlangt wird.

3. Nicht zu übersehen ist die wirtschaftliche Benachteiligung des Kindes: Der Entwurf verweigert einem künstlich gezeugten Kind einen Unterhaltsanspruch sowohl gegenüber den väterlichen Großeltern und auch gegenüber den sonstigen Erben des Vaters. Er nimmt einem solchen Kind aber auch des Erbrecht gegenüber dem Nachlaß des Vaters und seiner väterlichen Verwandten.

Auch hier sind Bedenken anzumelden: Hat das Kind, das solcherart nach dem Tode des Vaters mit seinem tiefgekühlten Samen gezeugt wird, schon keinen Vater mehr, so soll es offenbar auch in wirtschaftlicher Hinsicht „vaterlos“ sein, nämlich im Unterhaltsbereich und im Erbrecht.

Die Begründung, die hiefür zu erfahren ist, ist nur vordergründig: Es soll verhindert werden, daß eine Fran mit dem Samen des verstorbenen Mannes nach dessen Tod Erbrechte und Unterhaltsansprüche schafft und dadurch die sonstigen Erben benachteiligt.

Dieser in der Praxis sicherlich nicht oft vorkommende Aspekt übersieht, daß hier der einzig „Leidtragende“ einer solchen Manipulation, nämlich das Kind, der eigentlich Geschädigte ist. Der Entwurf übergeht hier selbstverständliche Rechtsgrundsätze.

Diese drei Aspekte - es sind nicht die einzigen, die zur Diskussion einladen — sollen aufzeigen, wie problematisch und sensibel der gesamte Bereich der künstlichen Befruchtung ist. Bedenkt man die Vielzahl der Probleme, die von der künstlichen Befruchtung allein im Rechtsbereich aufgerissen werden, so ist die Forderung namhafter Juristen ernst zu nehmen, diese nur in möglichst eingeschränkter Form und dies nur unter Ehegatten zu gestatten, denen auf natürliche Weise der Kindersegen verwehrt ist.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Innsbruck

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