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Retorten-Zeugung: Gesetz und Moral

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Der FURCHE-Entwurf für ein „Bundesgesetz über die künstliche Befruchtung beim Menschen" (48/ 1985) sorgt weiterhin für Diskussionen. Auch unter den Juristen.

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Der FURCHE-Entwurf für ein „Bundesgesetz über die künstliche Befruchtung beim Menschen" (48/ 1985) sorgt weiterhin für Diskussionen. Auch unter den Juristen.

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Buchstäblich am Vorabend einer vom Bundesminister für Familie, Jugend und Konsumentenschutz und dem österreichischen Rechtsanwaltskammertag einberufenen Enquete zum Thema „Familienpolitik und künstliche Fortpflanzung" hat die FURCHE einen Vorschlag für ein „Bundes-

gesetz über die künstliche Befruchtung beim Menschen" unterbreitet.

In diesem Gesetzesvorschlag sind aber nach meiner Meinung wichtige Gesichtspunkte entweder überhaupt ausgeblieben oder nur lückenhaft behandelt worden.

Das Recht auf Schutz des Lebens fehlt überhaupt. So grotesk es klingen mag: Ein solches Recht ist in der österreichischen Bundesverfassung nach wie vor nicht verankert.

Die Frage der Anonymität des Spenders ist nur teilweise behandelt.

Man muß sich vorstellen, daß bei immer häufigerer Durchführung der künstlichen Befruchtung voraussichtlich immer wieder die gleichen Spender auftreten. Dies heißt, daß mehrere Frauen, vielleicht sogar viele Frauen mit dem Samen desselben Spenders bedacht werden.

Wenn der Spender nur dem Arzt und dem Ministerium bekannt ist, dann wird es nicht zu vermeiden sein, daß früher oder später Halbgeschwister einander heiraten, ohne über die Tatsache des gemeinsamen Vaters informiert zu sein.

Auch die Frage der Unterhaltspflicht scheint mir keineswegs bedeutungslos zu sein. Es kann weder dem Kinde noch dem Vormundschaftsgericht noch dem Jugendamt gleichgültig sein, ob ein Kind nun einen unterhaltspflichtigen Elternteü hat oder deren zwei, wie im Normalfall.

Wenn also ein Kind außerhalb der Ehe künstlich gezeugt wird, die Anonymität des Vaters gewahrt wird und etwa die Mutter — sei es wegen der Belastung durch andere Kinder, sei es aus gesundheitlichen Gründen oder aus welchen Gründen immer — keinem Verdienst nachgeht, dann könnten nach der derzeitigen Rechtslage subsidiär die Großeltern des Kindes, also die Eltern der Mutter zur Unterhaltsleistung herangezogen werden, oder bei nicht aus-

reichender finanzieller Leistungsfähigkeit die öffentliche Fürsorge!

Hier vertrete ich ohne Umschweife den Standpunkt, daß für den Spender nichts anderes gelten kann als das, was für die Großeltern gilt, nämlich daß er subsidiär zur Unterhaltspflicht verhalten werden muß, falls die Mutter zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage ist.

Offengeblieben ist im FURCHE-Entwurf auch die Haftungsfrage: Es handelt sich bei der künstlichen Befruchtung immerhin um einen nicht unproblematischen medizinischen Vorgang, der sicherlich unter Umständen auch Risken mit sich bringt.

Wer haftet dafür, wenn aus einer solchen künstlichen Befruchtung ein körperlicher, seelischer

oder geistiger Schaden beim Kind zurückbleibt, der die eigene Selbsterhaltung nicht erlaubt, der das Kind zum Krüppel macht?

Auch hier vertrete ich den Standpunkt, daß zumindest in jenen Fällen, in denen eine verbotene künstliche Befruchtung stattgefunden hat, alle zu haften haben sollen, die an der verbotenen künstlichen Befruchtung mitgewirkt haben, aber auch solche, die an einer erlaubten künstlichen Befruchtung beteiligt waren, wenn ihnen dabei ein gravierender Kunstfehler unterlaufen ist.

Der FURCHE-Entwurf sieht weiters ein Verbot der „entgeltlichen Verwertung oder Vermittlung von befruchteten Eizellen" vor. Nicht behandelt ist die entgeltliche Vermittlung und Verwertung von Samenzellen und die unentgeltliche Vermittlung und

Verwertung von Eizellen, Samenzellen und befruchteten Eizellen.

Solches ist entweder aus Gefälligkeit oder zur Erreichung bestimmter wissenschaftlicher (allenfalls verbotener) Ziele zweifellos ebenfalls unter Strafe zu stellen.

Schließlich ist die Frage des Konservierens von Embryonen und Foeten (beispielsweise durch Tiefgefrieren) nicht behandelt und auch nicht untersagt worden. Es hat den Anschein, als wollte man solches ohne weiteres gestatten, ohne auf die Folgen dieser Vorgangsweise Bedacht zu nehmen.

Hier finde ich, daß eine derartige Methode nicht ohne Not genehmigt werden darf. Ich glaube, daß solche Konservierungen nur aus zwingenden medizinischen Gründen (Krebs) im Interesse des Kindes oder der Mutter gestattet werden dürfen, wobei die Entscheidung eine eigens zu bestellende Ethikkommission zu treffen hätte.

Nicht nur die Frage des gesicherten Unterhalts, nicht nur die Frage der Inzestgefahr, vor allem menschliche Gesichtspunkte sprechen gegen wahllose künstliche Befruchtungstechniken.

Jeder Mensch hat Anspruch darauf, seine Identität zu finden, seine Geschichte und die Geschichte seiner Eltern zu kennen und in geordneten Familienverhältnissen aufzuwachsen. Sein Entstehen soll nicht auf einen kurzen technischen Vorgang reduziert werden, sondern soll das Ergebnis eines Liebesaustausches zwischen zwei Menschen sein, die sich vorher geliebt haben, die sodann eine Gemeinschaft auf Dauer eingegangen sind und diese ihre Liebe und Bereitschaft zum gemeinsamen Leben auch nach dem Liebesakt weiter pflegen.

Dem Kind soll so Geborgenheit und Heimat von zwei Menschen geboten werden, die sich zu ihm auch in Zukunft bekennen und nicht nach dem Zeugungsvorgang das Weite suchen. Nur so, nämlich aus der Erfahrung einer geglückten Partnerschaft, kann der Start ins Leben und in eine eigene glückliche menschliche Zukunft gelingen.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Innsbruck.

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