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„Retorte" als Ultima ratio

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Obwohl die Legislaturperiode bereits in die Zielgerade biegt, ist eine Rahmengesetzgebung für den Bereich der künstlichen Befruchtung noch nicht in Sicht. Nach dem total verunglückten Beamtenentwurf des Justizministeriums zur Regelung der zivil-rechtUchen Folgen einer künstlichen Befruchtung (FURCHE 51/ 1987), der sogar die Leihmutterschaft institutionalisiert hätte.

kaut gegenwärtig eine Arbeitsgruppe des Foregger-Ressorts gemach an der Materie und erörtert bedächtig verfassungsrechtliche Fragen.

Die ungeduldigen Grün-Abgeordneten sind bereits - freilich ohne die nötige parlamentarische Unterstützung zu bekommen—an Justizminister Egmont Foregger mit der Forderung herangetreten, per Bundesgesetz die künstliche Befruchtung beim Menschen durch In-vitro-Fertilisation (IVF, Befruchtung einer Eizelle außerhalb des Körpers ,4m Reagenzglas"), Implantation (Einnistung des frühen Embryos in die Gebärmutterschleimhaut und Embryonenspülung) generell und sofort in Österreich zu verbieten.

Daß der Gesetzgeber solchen radikalen Maximalfordenmgen folgt, ist unwahrscheinlich. Ande-

rerseits ist auch der Status quo unbefriedigend, eine Entscheidung ist überfällig. Jedenfalls hat der Grazer Universitätsprofessor WUlibald Posch in seinem Rechtsgutachten für den österreichischen Juristentag 1988 (FURCHE 37/1988) einen allseitigen ,3edarf nach legislatorischem Einschreiten" konstatiert: „So wird der Gesetzgeber nicht imihinkommen, den Rahmen abzustecken, in dem die neuen medizintechnischen Möglichkeiten in diesem Bereich ausgeschöpft werden dürfen." Eine Forderung übrigens, die der säumige Gesetzgeber auch von Ärzten zu hören bekommt.

In Oberösterreich ist man jetzt quasi zur Selbsthilfe geschritten: Die Landesfrauenklinik in Linr imter der ärztlichen Leitung von Professor Heribert Fröhlich, das von Oberarzt Gemot Tews geleitete rVF-Labor der Landesfrauenklinik und die IVF-Arbeitsgemeinschaft der Ärzte in Linz, repräsentiert durch Rüdiger Bräutigam und Axel Schreier, haben jetzt im März eine „Selljst-Be-schränkungsvereinbarung für den Berezi der neuen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung wie In-vitro-Fertilisation und In-tratubarer Gametentransfer" (Anm. d. Red.: künstliche Einbringung von Samen und Eizelle in den Eileiter zum Zweck der Verschmelzung an Ort und Stelle) geschlossen, die jetzt im Dreijahresrhythmus „gesichtet und erforderlichenfalls geändert werden soll".

Ziel der Mediziner: „Wir möchten sowohl die Not ungewollt kinderloser Paare als auch das Wohl der in dieser Weise gezeugten Kinder beachten und durch unsere Selbstbeschränkungsvereinbarung die Risken in engen Grenzen halten." Und die Grenzen sind jedenfalls enger gezogen als im Gutachten der österreichischen Rektorenkonferenz des Jahres 1986.

Nach dieser Vereinbarung werden In-vitro-Fertilisierung und Intratubarer Gametentransfer nur als Ultima ratio nach Ausschöpfung aller konventioneller Behandlimgsmethoden durchgeführt - imd auch dann nur, wenn eine medizinische Behandlung „deutlich gerechtfertigt ist", beispielsweise also bei defekten oder fehlenden Eileitern.

Die Therapien werden ausschließlich im homologen System des Elternpaares durchgeführt, Samen- oder Eispenden von dritten Personen sowie Mietmutterschaft schließt die Vereinbarung daher explizit aus. Im Regelfall müssen die Eltern ein Ehepaar sein, in Ausnahmefällen bei nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften muß Jedenfalls eine stabile Gemeinschaft bestehen". Ausgeschlossen wird eine Be-

handlung von alleinlebenden Frauen sowie Witwen, die sich noch mit dem Samen des verstorbenen Gatten einen Kinder-wimsch erfüllen wollen.

Insgesamt geht es nicht nur um das medizinisch Machbare, sondern auch um das menschlich Sinnvolle. Daher wird dem Arzt die Verantwortung für die „Beiziehung sachkundiger psychologischer Beratung" übertragen.

Der wesentlichste Punkt der Vereinbarung schließlich: „Gegen Mißachtung und Mißbrauch menschlicher Embryonen ist vorgesorgt" (siehe Faksimile). Und die Möglichkeit des Mißbrauches ist ja einer der eigentlichen Hauptangriffspunkte der Gegner der künstlichen Befruchtung.

Die Voi’sorge der oberösterreichischen Mediziner im Detail:

• „Es werden nur so viele Eizellen befruchtet, als zur Einpflanzung benötigt werden. Das Problem .überzähliger’ Embryonen oder des Einfrierens solcher stellt sich in imseren Einrichtungen nicht.

• An Embryonen werden von uns keine Experimente durchgeführt. Embryonen werden von uns auch nicht an andere zu Forschungszwecken ent- oder unentgeltlich weitergegeben.

• Strikt ausgeschlossen ist jede gezielte Produktion und kommerzielle Nutzung von Embryonen."

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