Anerkennung für Leiden der Paare

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Eines von sechs Paaren in Westeuropa ist von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen. Laut Experten nimmt die Zahl zu. Die Gründe sind vielfältig: Zu späte Familienplanung und medizinische Ursachen wirken ineinander. Die WHO hat Unfruchtbarkeit längst als Krankheit anerkannt. Nur wer selbst in dieser Situation ist oder im Umfeld ein solches Schicksal miterlebt, weiß um die große Leidensgeschichte dieser Paare. Sie haben oftmals mit ihrem eigenen Selbstwert zu kämpfen und müssen zudem unsensible Kommentare anderer ertragen. Für viele dieser Paare stellt die Reproduktionsmedizin eine große Chance dar, ihren Kinderwunsch doch noch zu erfüllen.

Einzige Chance, aber Belastung

Die Chancen, durch eine In-vitro-Fertilisation (IVF) zu einem Kind zu kommen, liegen bei zirka 25 bis 30 Prozent pro Versuch. Für zu viele Paare führt auch dieser Weg, der mit enormen physischen und psychischen Belastungen verbunden ist, zu keinem Baby.

Für all diese Paare stellt sich wahrscheinliche eine Frage nicht, die nun nach der Vergabe des Medizin-Nobelpreises diskutiert wird: Hat der britische Embryologe und Vater der künstlichen Befruchtung, Robert Edwards, den Preis verdient? Für diese Paare war die Technik, die Edwards zusammen mit dem Gynäkologen Patrick Steptoe entwickelt hat, der einzig verbliebene Weg zu einem leiblichen Kind. Allzu oft mussten sich diese Eltern dafür auch noch rechtfertigen oder ihre Kinder wurden skeptisch beäugt. Zu Recht äußerte daher der Wiener Hormonspezialist, Johannes Huber, im Ö1-Morgenjournal die Hoffnung, die er mit Edwards Nobelpreis verbindet: Dass nämlich jene Eltern, die durch eine IVF-Behandlung zu einem Kind kommen, Anerkennung erhalten. Kritischere Stimmen werden auf die ethischen Fragen hinweisen, die Edwards Forschung mit sich brachte. Ebenso zu Recht! Dafür ist die Honorierung Edwards bester Anlass. Die Lebensschutzorganisation #aktion leben# ist anderer Meinung und sieht die Preisvergabe als #falsches Signal#: Deren Präsidentin Gertraude Steindl meint: #Viele Probleme sind ungelöst, viele Fragen offen. Mit dem Nobelpreis wird leider ein Zeichen dafür gesetzt, ungewollter Kinderlosigkeit mit Technik zu begegnen statt mit Prävention, Ursachenforschung und der Stärkung alternativer Methoden, die mitunter ähnlich erfolgreich sind wie die IVF.#

Technik nicht alleinige Antwort

Es ist richtig, dass die Technik nicht die einzige Antwort bleiben darf. Die IVF ist aber heute eine etablierte Behandlungsmethode für ungewollt kinderlose Paare. In Österreich dürften allein mithilfe des IVF-Fonds 20.000 Babys auf die Welt gekommen sein. Das soll honoriert werden. Doch gewiss nicht ohne Diskussion über die ungelösten Fragen und Grenzen. Weltweit wird die missbräuchliche Entwicklung hin zu #Designer-Babys# und Klonen befürchtet.

Für Österreich bleiben die Fragen der Eizellspende, der Präimplantationsdiagnostik (Verfahren zum Ausschluss genetisch defekter befruchteter Eizellen vor der Übertragung in den Mutterleib) und der Stammzellenforschung ungelöst. Es gibt hier keine einfachen Antworten. Die Bioethikkommission im Bundeskanzleramt hat sich bei den letzten zwei Punkten mehrheitlich zugunsten dieser Methode und Forschung ausgesprochen # unter strengen Auflagen. Das Fortpflanzungsmedizingesetz gehöre novelliert, Widersprüche ausgeräumt, so die Mehrheit der Kommission. Die Politik handelt aber nicht und scheut eine Diskussion samt Lösung.Ebenso zu kurz kommt die Diskussion um Alternativen, wie Adoption und Pflegekinder. Die Altersgrenze interessierter Eltern sollte überdacht werden. Dieser Weg ist jedoch nicht für alle Paare gehbar, das muss respektiert werden. Wege ungewollt kinderloser Paare, mit ihrer Situation umzugehen, sind stets sehr schwierige. Das verdient Anerkennung, daran sollte der Nobelpreis zuallererst erinnern.

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