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Von Humangenetik und Gentechnik sind Frauen in besonderer Weise betroffen. Auch wenn Feministinnen und Lebensschützerinnen gleichermaßen vor Ausbeutung warnen, sind doch ihre Anliegen meilenweit voneinander entfernt.

Welche Chancen und Risiken sind für Frauen durch Humangenetik und Gentechnik gegeben? Eine gesonderte Betrachtung ihrer Situation ist angebracht, weil der soziale und politische Kontext der Wissenschafts- und Technikanwendung in einer Ethik, die sich um alle Betroffenen sorgt, nicht ignoriert werden kann. Frauen stehen zu Humangenetik und Gentechnik in vielfältigen Beziehungen. Dass sie vornehmlich als Anwendungsfall "Mutter" vorkommen, stellt bereits eines der möglichen ethischen Probleme dar, nämlich das Ignorieren von selbstbestimmten Lebensentwürfen jenseits von Elternschaft - während dies Männern durchaus zugestanden wird.

Der italienische Fortpflanzungsmediziner Severino Antinori kündigte nur die Geburt von geklonten Jungen an. Schon Anfang 2001 antwortete er in einem Spiegel-Interview auf die Frage, ob er den Eltern auch klar gemacht habe, dass sie auf diese Weise gar kein gemeinsames Kind zeugten: "Ich habe den Frauen gesagt: Vorsicht, der Klon ist nur von Ihrem Mann." Die Männer würden jedoch gegen Mädchen protestieren, weil sie dann "nicht mehr dabei wären". Auf Wunsch beider Partner würde er auch eine Frau klonen - sofern es sich nicht um ein lesbisches Paar handelt.

Brigitte Boisselier, die Direktorin von Clonaid, hat dagegen nur Geburten von Mädchen angekündigt und das angeblich erste geklonte Kind wurde nicht "Adam", sondern "Eve". Boisselier hat auch keine Vorbehalte gegenüber Kindern, die nur von Frauen großgezogen werden. Schon die Eltern des zweiten angekündigten Klon-Babys seien ein lesbisches Paar.

Wir sehen hier, wie entscheidend das gesellschaftliche Umfeld ist, in dem die Möglichkeit reproduktiven Klonens angewendet wird. Wir brauchen Antinori keineswegs zum Satan stilisieren. Es reicht, wenn er den Wünschen der Eltern nachkommt. Dass diese Wünsche in Ehen für beide Partner(innen) immer frei, ohne Druck und Manipulation vor sich geht, ist in vielen Gesellschaften Wunschvorstellung.

Eizellenspende statt putzen?

Gestalten Frauen die Humangenetik und Gentechnik mit? Wer mitgestaltet, sitzt auch an den Töpfen der finanziellen Ressourcen, die gegenwärtig reichlich in diese Bereiche fließen. Ärztinnen, Eizellenspenderinnen und "Leihmüttern" bieten sich lukrative Verdienstmöglichkeiten, Forscherinnen zudem Aussichten auf wissenschaftliche Reputation. Warum sollen Frauen lieber ihre Arbeitskraft zum Putzen verkaufen als eine Eizelle? Diese Frage ist legitim, auch wenn die Antwort sein mag, dass sich durch Letzteres neue Wege zur Ausbeutung eröffnen. Wie viele Feminist(inn)en finde ich es bedenkenswert, ob Geld als eine "gerechte Entlohnung" für eine Eizelle angesehen werden kann oder Frauen hier nur als Ressourcen für ökonomische Interessen anderer missbraucht werden.

Manche sehen in diesem Punkt, je nach Standpunkt, eine heilvolle oder unheilvolle Allianz zwischen Feminist(inn)en und "Lebensschützer(inne)n". Besteht diese? Nur partiell. Der wesentliche Unterschied liegt in den Argumenten, in denen dieser Punkt eine Rolle spielt. "Lebensschützer(innen)" ziehen ihn in einer Argumentation für ein allgemeines Verbot von Eizellenspende oder Embryonenforschung heran. Dieses Verbot steht für sie jedoch ohnehin auf Grund anderer Überzeugungen fest. Für viele Feminist(inn)en erhält er dagegen seinen Stellenwert in einer persönlichen Entscheidung von Frauen, ob sie eine Eizelle spenden wollen oder nicht. Selbst wenn Feminist(inn)en für ein rechtliches Verbot der Eizellen"spende" argumentieren, wollen sie damit verhindern, dass Frauen von einer Fremdbestimmung in die andere fallen. In diesem Anliegen sind Feminist(inn)en und Lebensschützer(innen) meilenweit voneinander entfernt.

Unter Entscheidungsdruck

Besonders in der Reproduktionstechnologie wird das Wohl von Frauen als Legitimation herangezogen. So argumentierte Heribert Kentenich, Chefarzt einer Berliner Frauen- und Kinderklinik, im Rahmen der Debatte um Präimplantationsdiagnostik (PID): "Ich bin als Mediziner meinem Gewissen dahingehend verpflichtet, diese schlimme Situation für die Patientin zu lindern." Es ist leider nicht zu leugnen, dass unsere Gesellschaft nach wie vor die Sorge für verletzliche, aber abhängige Wesen Frauen zuteilt. Diese sind es auch, deren Leben am stärksten davon betroffen sein wird. Gleichzeitig ist damit aber ein Entscheidungsdruck entstanden, der wiederum vorwiegend auf den Frauen lastet. Möglichkeiten werden eben schnell zu Zwang.

Laut Johannes Huber, Vorsitzender der Bioethikkommission der österreichischen Regierung, sei Klonen unmoralisch im Sinne der Evolution. Die Natur hätte sich bereits vor Millionen von Jahren von der nicht geschlechtlichen Fortpflanzung verabschiedet, um die Genpools besser zu durchmischen und damit ein Überleben der Spezies zu gewährleisten. Beim Klonen werde der Rubikon der Natur überschritten.

Wenn die Natur so eindeutige normative Vorgaben machen würde, bräuchten wir nicht öffentlich über Humangenetik und Gentechnik zu debattieren. Die Natur erspart uns diese Debatte jedoch nicht. Die unterschiedlichen Nöte und Wünsche von Frauen und Männern sind dabei zu berücksichtigen, denn viele Chancen und Risiken sind ebenso wenig geschlechtsneutral wie die menschliche Beziehung zur Reproduktion.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Angewandte Ethik der Universität Jena. Der Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Referats, das Anne Siegetsleitner im Rahmen der Tagung "An den Grenzen des Lebens" am 21. Jänner im Bildungshaus St. Virgil/Salzburg gehalten hat.

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