Heiße Debatten um britisches Ja zum Klonen

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Die Gegner therapeutischen Klonens haben gute Gründe. Doch der Damm ist längst gebrochen.

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Die Gegner therapeutischen Klonens haben gute Gründe. Doch der Damm ist längst gebrochen.

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Das wäre alles sehr praktisch", flüsterte Arnold dem "Figaro": Ein Double seiner selbst für die Familie, eines als Action-Held, eines für Interviews und eines ohne jedes Schuldgefühl beim Golf. Was ihm in seinem jüngsten Kino-Streich "The 6th Day" das Leinwandleben zur Hölle machte, erträumt sich Schwarzenegger nun privat: ein Dasein als Klon. Nur eines sei Bedingung, relativiert der "Terminator" seinen Traum: "Das macht mir ab dem Moment keine Angst, ab dem man eine gewisse Ethik bewahrt."

Eine "gewisse Ethik" und noch viel mehr vermissen Kritiker bereits beim jüngsten britischen Gesetzesvorstoß und qualifizieren die Legalisierung "therapeutischen Klonens" von "unmoralisch" (Papst Johannes Paul II.) bis hin zu "Kannibalismus" - ein Vergleich, den der deutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe für angebracht hält.

Überraschend eindeutig war dagegen das Votum der britischen Abgeordneten: 366 gegen 174 stimmten wenige Tage vor Weihnachten für eine Gesetzesnovelle, wonach menschliche Embryonen bis zum 14. Tag nach der Befruchtung geklont werden dürfen. Heftige Kontroversen waren und sind die Folge. Und Arnie kann mit der pünktlichen Werbung für seinen Klonen-Thriller zufrieden sein.

Dabei kam die Entscheidung Großbritanniens keineswegs überraschend: Bereits 1984 hatte dort eine Regierungs-Kommission empfohlen, Forschung an bis zu zwei Wochen alten Embryonen zuzulassen. Dass nun auch das Klonen embryonaler Stammzellen erlaubt wurde, scheint nach Klon-Schaf "Dolly" (1997) und dem jüngst präsentierten Klon-Stier "86 Squared" (86 zum Quadrat) nur konsequent. Die Argumente sind seit 1984 die gleichen geblieben: Ein Embryo sei keine Person, da er weder über Bewusstsein noch über Schmerzempfindlichkeit verfüge. Hingegen könnte durch die Embryonenforschung Ungeahntes zum Wohl der Gesellschaft bewirkt werden. Eine Argumentationslinie, der am 19. Dezember 2000 zwei Drittel der Abgeordneten folgten.

Tatsächlich erhoffen sich die Wissenschafter wahre Wunder: Leukämie, Parkinson, Alzheimer oder Multiple Sklerose sollen durch therapeutisches Klonen heilbar sein. Dabei wird dem Patienten ein Zellkern entnommen und in eine entkernte Eizelle eingesetzt. Ist der daraus gezüchtete Embryo wenige Tage alt, werden ihm pluripotente Stammzellen entnommen, die sich etwa zu Nerven-, Muskel- oder Knochenzellen entwickeln können. Schließlich werden diese Zellen dem Kranken injiziert. Da sie genetisch mit seinem Erbgut ident sind, kommt es zu keiner Abstoßung. Der Embryo selbst hat seine Schuldigkeit getan. Er wird vernichtet.

An dieser "Nebenwirkung" scheiden sich die Geister: Hier Vertreter der Kirchen, Moraltheologen und Ethiker, die um die Menschenwürde bangen oder (wie Salzburgs Erzbischof Georg Eder in seiner Silvesterpredigt) den "Untergang des Abendlandes" heraufdräuen sehen. Dort Wissenschafter und unheilbar Kranke, die sich von einer "sorgfältig kontrollierten" Embryonenforschung das Potenzial erhoffen, "Tausenden von schwer kranken Menschen zu helfen". Hoffnung und Ressentiments sind also groß. Entsprechend schwer fällt - wie auch in der Abtreibungs- und Euthanasie-Debatte - sachliche Argumentation: Wenn etwa "profil"-Herausgeber Christian Rainer der Kirche, Moralphilosophen und konservativen Politikern vorwirft, "eben noch Kriege verherrlicht" zu haben und sich nun "für die Rettung eines Haufens relativ erbärmlicher Zellen stark" zu machen, provoziert er gerade jene apodiktische Meinung zum Schutz des Lebens, die er für "ein wenig pathetisch" hält.

Und wenn andererseits der vatikanische Bioethik-Experte Bischof Elio Sgreccia keinen Unterschied "zwischen den Experimenten mit geklonten Embryonen und den unerlaubten tödlichen Menschenversuchen der Hitler-Zeit" feststellt, befürchtet der Innsbrucker Moraltheologe Hans Rotter mit Recht, "dass durch gar zu dras-tische Vergleiche" die Meinung der Gegner bestärkt wird. Auch der Vorwurf, Großbritannien habe durch seinen Vorstoß die europäische Wertegemeinschaft verlassen, führt nach Rotter ins Leere: "Wir haben diese Wertegemeinschaft schon längst verlassen" - durch die niederländische Freigabe aktiver Euthanasie bzw. durch den Wunsch von 78 Prozent der Deutschen, es den Niederländern gleich zu tun.

Auch die Wortspende des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder ist wenig hilfreich: Wenn er in der Diskussion um die Embryonenforschung vor "ideologischen Scheuklappen" warnt, ist die Wissenschaft eher angehalten, sich vor Schröders Vokabular zu hüten, als seinem Rat zu folgen.

Für eine fruchtbare Ausei-nandersetzung über Klonen zu medizinischen Zwecken ist vielmehr eines nötig: Klarheit - vor allem über mögliche Alternativen. So hat die europäische Ethik-Beratergruppe schon im November darauf hingewiesen, dass sich der Wissenschaft ein "weites Feld für Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen" bietet, etwa durch Stammzellen Erwachsener. Geht es der Wissenschaft um den therapeutischen Zweck und nicht um Forschungsführerschaft, muss diese Alternative forciert werden. Ebenso ist juristische Klarheit geboten: Wenn (wie in Deutschland) therapeutisches Klonen verboten, jedoch der Import geklonter Stammzellen möglich ist, verliert die Gesetzgebung ihre Glaubwürdigkeit.

Auch das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz von 1992 harrt seiner Aktualisierung. Die "Aktion Leben Österreich" nahm dies zum Anlass für eine "Parlamentarische Bürgerinitiative", die bis 15. Februar laufen soll. Laut Bildungs-ministerin Elisabeth Gehrer hat es hierzulande noch keine Ambitionen zum therapeutischen Klonen gegeben. Doch hitzige Debatten stehen im neuen Millennium mit Sicherheit bevor.

Allein: Der Paradigmenwechsel ist längst vollzogen, zeigt sich der Philosoph Konrad Paul Liessmann überzeugt - und sieht im Klonen von Embryonen einen "entscheidenden Schritt in Richtung Reproduktionskontrolle". Schadensbegrenzung ist nun angesagt: durch juristische Klarstellungen und (in Zeiten schwindenden Einflusses der Kirchen) durch den Druck der öffentlichen Meinung. Nur so ist zu verhindern, womit sich in "The 6th Day" - dem Tag der Erschaffung des Menschen - der böse Gen-Manipulator brüs-tet: "Ich mache nur dort weiter, wo Gott aufgehört hat."

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