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Wer verhindert Embryonenschutz?

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Daß „überzählige Embryonen" bei der künstlichen Befruchtung unvermeidbar sind, stimmt nicht. Daher darf der Gesetzgeber nicht länger ungeborenes Leben Forschungszwecken opfern.

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Daß „überzählige Embryonen" bei der künstlichen Befruchtung unvermeidbar sind, stimmt nicht. Daher darf der Gesetzgeber nicht länger ungeborenes Leben Forschungszwecken opfern.

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Die Rechtsfragen der künstlichen Befruchtung wurden in den letzten Jahren ausgiebig diskutiert. Vergleicht man die öffentliche Debatte in Österreich mit jener in der Bundesrepublik Deutschland, so fällt auf, daß bei uns allzusehr jene Probleme im V ordergrund standen, die nur dann entstehen, wenn man bei dieser Methode der Sterilitätsüberbrückung weit über jenen Bereich hinausgeht, derihrereigent- lichen Intention entspricht, nämlich unfruchtbaren Personen in einer Lebensgemeinschaft ihren Kinderwunsch zu erfüllen.

So wurde exzessiv der Frage jener heillosen familienrechtlichen Verwicklungen nachgegangen, die sich durch Samen- und Eizellenspende, Leih-, Miet- und Surrogatmutterschaft, Insemination post mortem patris, „Samencocktail“ und dergleichen mehr ergeben können. Derartigen Problemen glaubte auch der österreichische Gesetzgeber zuallererst durch einen familienrechtlichen Gesetzesentwurf Rechnung tragen zu müssen, der ebenfalls von der Tendenz getragen ist, die Interessen der an einer künstlichen Befruchtung interessierten Personen für alle nur denkbaren Varianten dieser Methode rechtlich abzusichem, ohne sich vorher die Frage zu stellen, ob für bestimmte, rechtlich besonders problematische Anwendungsformen - wie etwa die Leih- (oder b essen Miet-)mutterschaft - überhaupt entsprechender Regelungsbedarf und gesellschaftliche Akzeptanz gegeben 6ind.

Daß in diesem - von der Fachwelt mittlerweile heftig kritisierten - Gesetzesentwurf die eigentlich wichtigste Frage nach dem Schutz befruchteter Eizellen in vitro überhaupt nicht vorkommt, setzt ihn in scharfen Gegensatz zum bundesdeutschen Entwurf eines „Embryonenschutzgesetzes“ (siehe FURCHE 45/1987) und macht ihn zu einem typischen Abbild der öffentlichen Debatte in Österreich: Alles dreht sich um die Interessen von Ärzten, Samen- und Eizellenspendem, und dabei kommen die für den Gesetzgeberwirklich wichtigen Fragen zu kurz, nämlich die Frage nach dem Rechtsschutz menschlicher Embryonen und die damit zusammenhängende Frage, wer gegebenenfalls wie über sie disponieren darf.

Wer diese zentrale Frage problematisiert, erhebt damit nicht etwa nur eine rechtspolitische Forderung, sondern er zieht die Konsequenz aus dem geltenden Recht:Der „nasciturus“ steht „unter dem Schutz der Gesetze“, und dieser Schutz wurde vom Gesetzgeber bislang nur dort durchbrochen, wo ihm - wie bei der Fristenregelung - Interessen entgegenstehen, denen man Rechnung tragen wollte.

Selbst in den Gesetzesmaterialien zur Fristenregelving ist dieses Grundprinzip unserer Rechtsordnung nachzulesen: „Am Grundsatz, ungeborenes Leben nicht erst ab der Geburt zu schützen, wird festgehalten“, heißt es dort ausdrücklich.

Will der Gesetzgeber weitere Ausnahmen von diesem Grundsatz zulassen, so könnte dies nur auf der Grundlage einer entsprechenden

Interessensabwägung geschehen. Dazu gibt es jedoch keinerlei Ansätze, da die Frage, was wer mit Embryonen eigentlich tun darf, bisher nur im „Windschatten“ der Debatte über die Möglichkeiten künstlicher Befruchtung und der rechtlichen Absicherung aller daraus möglichen Konsequenzen gestellt wurde.

Ein weiterer Grund dafür, daß diese wichtige Grundfrage bislang vernachlässigt wurde, liegt darin, daß das Gutachten der Rektorenkonferenz aus dem Jahre 1986, das offenbar nach wie vor hohe Autorität genießt, von der falschen Prämisse ausging, „überzählige Embryonen“ seien als eine Art „Abfallprodukt“ bei der In-vitro-Ferti- liąation ohnehin unvermeidbar. Nur vor der vermeintlichen Alternative „Wegschmeißen oder Forschen“ hat sich die Kommission der Rektorenkonferenz vorsichtig und innerhalb enger Grenzen für die Möglichkeit „verbrauchender Forschung“ an ungeborenem Leben ausgesprochen.

In Wahrheit ist die zwanghafte Alternative, von der die Kommission der Rektorenkonferenz ausging, aber leicht vermeidbar, ohne daß dadurch relevante Nachteile bei der Erfolgschance einer künstlichen Befruchtung hingenommen werden müßten. Der Beweis dafür wird von den Ärzten der Zweiten Univerai- tätsfrauenklinik in Wien (Vorstand: Herbert Janisch) seit Jahren in aller Stille und ohne publizitätswirksame Effekthascherei erbracht. Dort ist man erfolgreich bemüht, das Entstehen „überzähliger Embryonen“ zu vermeiden, was medizinisch durchaus möglich ist (siehe dazu untenstehenden Eeitrag).

Unterwirft man von vornherein nur jene drei oder vier Eizellen mit dem höchsten Reifegrad dem Befruchtungsvorgang, kann die Zahl der in den Uterus zu transferierenden Embryonen die aus medizinischer Sicht optimale Anzahl nie übersteigen. Der einzige theoretisch denkbare Nachteil dieser Methode ist ein rein fiktiven niemand kann ausschließen, daß viel-

leicht die fünfte Eizelle, die man nicht mehr befruchtete, die einzige gewesen wäre, die zu einer Schwangerschaft geführt hätte.

Aber diese rein hypothetische Möglichkeit ist praktisch irrelevant undkann es jedenfalls niemals recht- fertigen, „überzählige Embryonen“ zu erzeugen. Wer dies dennoch tut, verfolgt in Wahrheit Interessen, die mit den fraglos hochstehenden und allgemein akzeptierten Zielen der

Sterilitätsb ehandlung nichts mehr zu tim haben.

Wer jetzt noch für die Zulässigkeit „verbrauchender Experimente“ an Embryonen eintritt, kann dies nicht mehr unter dem Vorwand medizinischer Unvermeidbarkeit „überzähliger Embryonen“ tun, sondern muß seine wirkliche Interessenslage offenlegen und vom Gesetzgeber eine entsprechende Erlaubnisnorm fordern. Dieser muß sich - und darauf wird noch einzugehen sein - der letztlich verfassungsrechtlichen Frage stellen, ob er wirklich den Schutz ungeborenen Lebens den Interessen der Forschung opfern wilL

Eine so wesentliche Frage wie die nach der Legitimation der Tötung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken kann der Gesetzgeber nicht Privaten überlassen, sondern muß sie selbst aufgreifen und entscheiden, wenn die Problematik virulent ist - und sie ist eB ja längst.

Hier gibt es echten und dringenden Handlungsbedarf, ehe sich durch gesetzgeberische Enthaltsamkeit Zustände ergeben, die gewiß nur den Intentionen einer krassen Minderheit entsprechen. An diesen sollte sich der Gesetzgeber nicht orientieren, sondern vielmehr an der Praxis der Zweiten Universitätsfrauenklinik in Wien, der es offenbar gelungen ist, den goldenen Mittelweg zwischen medizinischen Erfordernissen einerseits undrecht- lichen sowie ethischen Schranken andererseits zu finden.

Es geht nun darum, diesen Weg, der der eigentlichen Intention der Sterilitätsbehandlung entspricht, einerseits rechtlich voll abzusichem, und zwar mit allen Konsequenzen (inklusive Kassenfinanzierung), andererseits aber rasch all das hintanzuhalten und teilweise auch zu verbieten, was darüber hinausgeht, wie insbesondere die Gewinnung „überzähliger Embryonen“ und „verbrauchende Experimente“.

Es liegt vor allem auch im Interesse der großen Mehrheit jener Ärzte, die mit dem Einsatz der Methode künstlicher Befruchtung ohne irgendwelche Hintergedanken einfach kinderlosen Paaren helfen wollen, wenn man diese Methode entsprechend dieser Intention auch dadurch aufwertet, daß man sie von mißbräuchlichen Anwendungsformen klar abgrenzt und letzteren auch legistisch entgegentritt

Der Autor ist Assistent an der Juridischen Fakultät der Universität Wien.

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