Es fehlt ein klares Menschenbild

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Diesen Freitag wird die Stellungnahme der Bioethikkommission zu Fragen der Reproduktionsmedizin veröffentlicht. Die anstehenden politischen Entscheidungen sind von außerordentlicher Tragweite.

Es geht um Menschenbilder, Embryonen, In-vitro-Fertilisation (IVF), Präimplantationsdiagnostik (PID), Leihmutterschaft, Kinder für gleichgeschlechtliche Paare, alleinstehende Frauen, homosexuelle Paare. Die Entscheidungen, die für die Politik jetzt anstehen, werden die Gesellschaft tiefgreifend verändern.

Ganz wesentlich ist die Frage der In-vitro-Fertilisation. Hier ist immer noch vieles offen: Warum braucht man sie überhaupt, warum nimmt die Spermienqualität der Männer ab und die Unfruchtbarkeit von Paaren zu? Sind dies nur physiologische Gründe, oder hat es auch mit unserem Lebensstil, mit dem zunehmenden Alter der Eltern zu tun? "Europa ist erschöpft“, titelte die FAZ in Anlehnung an ein Buch von Claude Lévi-Strauss. Es fehlt die innere Spannkraft, die Orientierung, ein klares Menschenbild.

Embryonenschutz und Tierschutz

Es stellt sich die Frage nach den Kindern und Embryonen. Sind sie alle gesund, wenn sie mit IVF hergestellt werden und oft vier bis fünf Tage in Petrischalen mit verschiedenen antibiotikahaltigen Nährlösungen liegen? Gibt es möglicherweise Schäden dadurch, dass bei der ICSI-Methode (Intracytoplasmatische Spermieninjektion) Spermien, die auf natürliche Weise nicht in die Eizelle eindringen können (wegen möglicher Schäden?), mit der Spritze injiziert werden? Haben IVF-Kliniken hinreichende klinische Standards? (Das stellt jetzt eine englische Studie infrage.) Gibt es ein valides IVF-Register, an das private und öffentliche Kliniken melden müssen, und das Auskunft gibt über Anzahl und Zustand der hergestellten Embryonen sowie die Informiertheit der Eltern?

Eine weitere Frage ist, wie viele Embryonen hergestellt und eingepflanzt werden, und was geschieht, wenn man drei einsetzt (um die Erfolgsrate zu erhöhen), dann aber nur ein Kind bekommen will. Werden die anderen möglicherweise durch Fetozid (also durch gezielten Herzstich) mit einer Kaliumchloridinfusion getötet? "Ist das schmerzhaft?“, fragte einmal ein Student - und jemand anderer sagte, im Bereich von Tierversuchen unterliege diese Methode Tierschutzbedingungen. Soll die IVF nur für heterosexuelle Paare zugelassen bleiben oder auch für lesbische Frauen, alleinstehende Mütter, homosexuelle Männer? Sollen Leihmütter Kinder austragen und dafür bezahlt werden? Wie steht es um die nächste Generation von Kindern, die nur mit zwei Müttern oder zwei Vätern aufwachsen, oder die eine genetische, eine austragende und eine soziale Mutter haben? Ist an das Wohl der Kinder gedacht? Haben Kinder nicht ein Recht auf Eltern beiderlei Geschlechts? Sind nicht beide Identifikationspersonen für ihre persönliche Entwicklung wichtig? Sollen Schicksalsschläge wie der Verlust des Vaters jetzt zur Norm erhoben werden - sodass Kinder vaterlos aufwachsen, weil alleinstehende Frauen per IVF ein Kind bekommen?

Die Würde des Menschen

Hinter allem steht die Frage nach der Würde des Menschen, die im Europäischen Lissabon-Vertrag verbrieft ist: "Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Daraus folgt: Jeder und jede hat ein Recht auf Leben und darf nicht getötet werden, er/sie hat ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, und es gilt das Verbot der Totalverzweckung. Der Mensch darf nicht als Mittel für andere Zwecke und Interessen missbraucht werden. Werden diese ethischen Grundprinzipien noch beachtet? Die beiden Voten der Bioethikkommission sollten in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden.

Der Autor, Moraltheologe und Mediziner, ist Mitglied der Bioethikkommission

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