Das gekaufte Kind

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In vielen Bereichen wurden für Kinder grundlegende Rechte erkämpft. Doch in der Reproduktionsmedizin gelten scheinbar andere Gesetze. Ein Gastkommentar von Eva Maria Bachinger.

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In vielen Bereichen wurden für Kinder grundlegende Rechte erkämpft. Doch in der Reproduktionsmedizin gelten scheinbar andere Gesetze. Ein Gastkommentar von Eva Maria Bachinger.

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Vor Kurzem haben wir 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention gefeiert. Ihr sind fast alle Staaten beigetreten – mit Ausnahme der USA, die sie nur unterzeichnet, nicht aber ratifiziert haben. Seit dem Beschluss im Jahr 1989 hat sich vieles verbessert, doch vieles liegt nach wie vor im Argen.

Ein Bereich, in dem besonders selten an die Rechte und Bedürfnisse von Kindern gedacht wird, ist die Reproduktionsmedizin. 2015 wurde in Österreich das Fortpflanzungsmedizingesetz novelliert, mit Änderungen wie etwa der Freigabe der Eizellenspende. Auf das versprochene staatliche Datenregister von Samen- und Eizellenspendern warten wir aber bis heute. Damit würde das in der Kinderrechtskonvention verbriefte Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft besser gesichert als in der jetzigen Situation, in der sich suchende Jugendliche an private Kliniken wenden müssen, die oft nicht kooperieren und die Einsicht der Daten verweigern.

Kürzlich meinte eine Gynäkologin, dass dieses Kinderrecht zwar gegeben sein müsse und anonyme Keimzellenspenden europaweit verboten sein sollten, aber die Folge wären weniger Samen- und Eizellenspenden. „Na und?“, möchte man antworten. Keimzellenspendern muss klar sein, dass aus ihrer Spende Menschen erwachsen, die nach ihrer Herkunft fragen und ein Recht auf Kontaktaufnahme haben. Menschenrechte gelten uneingeschränkt für alle, und selbstverständlich gilt, dass die Schwächeren mehr zu schützen sind – und in dieser Konstellation sind das in erster Linie die Kinder. Individuelle Freiheit ist zwar ein hohes Gut, sie kann jedoch eingeschränkt werden, wenn Freiheiten anderer verletzt werden.

„Selbstlos“ ein Kind für andere austragen?

In Deutschland fordern indes die FDP und auch die Jungen Grünen eine Freigabe der ­„altruistischen“ Leihmutterschaft. Nachdem der kommerzielle Handel mit Menschen und menschlichen Körperteilen international verboten ist, hat man diese Form der Leihmutterschaft kreiert, bei der keine Honorare, sondern „Aufwandsentschädigungen“ gezahlt werden. Die Heidelberger Medizinpsychologin Beate Ditzen erklärte kürzlich, dass diese Fälle wie Organspenden von einer Ethikkommission geprüft werden könnten. Und es sei zudem ein grundsätzliches Missverständnis, wenn die „altruistische“ Leihmutterschaft als „Handel mit dem eigenen Kind“ verstanden werde. Denn diese Kinder, die meist mit Hilfe künstlicher Befruchtung und fremder Eizelle gezeugt werden, seien für die austragenden Mütter ohnehin genetisch fremd – und verboten sei nur der Handel mit genetisch eigenen Kindern.

Es ist an der Zeit, das nationale Verbot der Leihmutterschaft zu stärken und für ein globales Verbot zu kämpfen.

Eine abwegige Argumentation! Nach Immanuel Kant hat alles entweder einen Preis – oder eine Würde. Dieser ethischen Setzung folgend verbieten sowohl Artikel 35 der Kinderrechtskonvention als auch ein Zusatzprotokoll einen „sale of children“ prinzipiell, egal zu welchem Zweck. Bei Leihmutterschaftsverträgen, die ein Kind zu einer Art Objekt degradieren und bei denen der Großteil des vereinbarten Honorars bzw. eine „Aufwandsentschädigung“ erst dann ausgezahlt wird, wenn das Kind – und selbstverständlich ein nicht-behindertes Kind – „geliefert“ wird, kommt es eindeutig zu einem Verkauf. Zudem ist die genetische Mutter nicht einfach von der leiblichen Mutter zu trennen: Auch während der Schwangerschaft wird ein Kind von der austragenden Frau epigenetisch geprägt. Von der emotionalen Bindung nicht zu reden. Interessant ist zudem, dass der Begriff „altruistisch“ nirgendwo so häufig fällt wie in der Reproduktionsmedizin, die eine ungeahnte Kommerzialisierung erfahren hat. Viele Menschen handeln uneigennützig und engagieren sich ehrenamtlich. Caritas und Co. würden sich aber bedanken, wenn Ehrenamtliche fordern würden, dass sie ihren Aufwand, der ihr Engagement zweifellos auch bedeutet, finanziell ersetzt haben wollten. Der inflationär verwendete Ausdruck „altruistisch“ soll hier nur ein gutes Geschäft kaschieren.

Der Vergleich mit einer Organspende ist ebenfalls erstaunlich: Denn meistens „spenden“ ja Tote Organe, bei einer Lebendspende sind die Regeln sehr strikt, um eben jeden Handel zu verhindern. Selbstverständlich ist im Gesetz festgelegt, dass eine Lebendorganspende unentgeltlich sein muss, keinesfalls darf eine Klinik für den Spender zahlen. Wer brächte es außerdem übers Herz, von seiner sterbenskranken Schwester für die gespendete Niere auch noch Tausende Euros für Verdienstentgang oder Hotelkosten zu verlangen - wie dies­ bei der „altruistischen“ Leihmutterschaft geschieht? Der Vergleich hinkt auch deshalb, weil ein Kind schlichtweg kein Organ ist und Frauen nicht nur ihre Gebärmutter „spenden“, sondern mindestens neun Monate lang ihren Körper und ihre Seele, ihre ganze Person.

Kein Recht auf ein Kind

Es ist befremdlich, wenn solche Thesen von einer Expertin aufgestellt werden, die zu Themen wie Mutter-Kind-Bindung und Stress forscht. Es sagt aber auch viel aus über den Status von Kinderrechten und den Rechten sozial benachteiligter Frauen, die ihre Eizellen verkaufen und ihre Gebärmutter vermieten.

In Österreich ist Leihmutterschaft zwar verboten, doch das nationale Verbot wird durch die Praktiken im Ausland, die auch österreichische Staatsbürger in Anspruch nehmen, zunehmend ausgehöhlt. In der wohlhabenden, westlichen Welt steht im Diskurs um die Methoden der assistierten Reproduktion stets die Freiheit der Wunscheltern im Fokus. Alle, die einen Wunsch nach einem genetisch eigenen Kind äußern, hätten das Recht, ihn auch zu verwirklichen. Doch dem liegt ein grundsätzliches Missverständnis zugrunde, nämlich die Annahme, es gäbe ein absolutes Recht auf ein Kind. Dabei ist es umgekehrt: Kinder haben Rechte, die von uns Erwachsenen einzuhalten sind. Insofern ist es hoch an der Zeit, das nationale Verbot der Leihmutterschaft zu stärken und für ein globales Verbot zu kämpfen.

Die Autorin ist freie Journalistin. Bücher: „Wert und Würde – ein Zwischenruf“ (mit Martin Schenk, Hanser Box 2016) und „Kind auf Bestellung. Plädoyer für klare Grenzen“ (Deuticke 2015).

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