Tag der Menschenrechte
DISKURS108 Jahre bis zur Gleichheit
Auch 100 Jahre nach dem großen symbolischen Akt der Frauenbefreiung sind Gleichbehandlung und Gleichberechtigung von Mann und Frau in weiter Ferne - global ohnehin, aber auch in Österreich.
Auch 100 Jahre nach dem großen symbolischen Akt der Frauenbefreiung sind Gleichbehandlung und Gleichberechtigung von Mann und Frau in weiter Ferne - global ohnehin, aber auch in Österreich.
Es ist durchaus nicht als Lob des eigenen Größenselbst gemeint, aber es muss (leider!) hier gesagt werden, dass der Verfasser (gemeinsam mit Kollege Tschiderer) eine Ausnahmeerscheinung darstellt. In den Medien werden, wenn es ums Frauenrecht geht, nämlich beinahe die Gesamtheit der Artikel von Frauen geschrieben. Na und, mögen Sie nun meinen. Aber das Frauenrecht ist auch Menschenrecht und es wäre übertragen gesprochen so, als würden nur Roma über Roma schreiben, oder nur Schwarze über Bürgerrechte, oder nur Journalisten über Medien. Und das wäre doch, werden Sie sicher zugeben, verrückt. Wenn uns das Frauenrecht also alle angeht, dann wäre hier eine Trendwende angesagt. Aber wofür gäbe es denn Die Furche sonst als zum Trendwenden in wichtigen Fragen? Zum Wenden in Richtung Verbesserung der Gleichstellung gibt es tatsächlich einiges.
Wenig Wissen um Rechte
Zum Wenden also braucht man Wissen. Und da gibt es eine Umfrage der NGO SOS-Mitmensch unter 300 13-bis 15-Jährigen, die besagt, dass in Österreichs Schulen viel zu wenig an Frauenrechtswissen vermittelt wird.
Deshalb beziehen die Schülerinnen und Schüler ihre Meinungen zum Thema eher aufgrund grundsätzlicher Haltungen als aus konkretem Wissen. Beinahe alle halten Frauenrechte ganz grundsätzlich für wichtig. Aber dass darüber im Unterricht gesprochen werde, daran können sich nur 40 Prozent erinnern. Und nur 39 Prozent wussten, dass Firmen Männern für die gleiche Arbeit nicht mehr bezahlen dürfen als Frauen.
Dies alles sind aber geradezu Luxusprobleme, wenn man einmal von den Meinungen absieht und einen weltweiten Vergleich über tatsächlich geltende Frauenrechte macht. Das World Economic Forum veröffentlicht seit 2006 jährlich einen Gleichstellungsreport.
Im Report 2018 nahm Österreich -auch 100 Jahre nach Frau Burjans Wahl ins österreichische Parlament -den höchst mittelmäßigen 53. Platz ein. Interessanterweise scheint es ausgerechnet dem Schulsystem und seinen Vermittlern zu danken sein, dass in diesem Bereich Österreich sogar an der Spitze rangiert. Zumindest sieht das das World Economic Forum so -und damit ganz anders als SOS-Mitmensch. Die Jugendarbeit ist allerdings auch der einzige Bereich, in dem Österreich gut abschneidet. Im Allgemeinen ist die Lage trist. Bei der Gleichstellung in der Arbeitswelt, bei der auch die Lohndifferenz zwischen Mann und Frau gemessen wird, nimmt Österreich nur den 81. Platz ein. Und besonders bedenklich ist der Absturz im Ranking vom 26. Platz 2006 auf den 53. Platz 2018. Damit ist die Republik im internationalen Vergleich hinter Weißrussland, Bolivien, Argentinien oder Namibia gereiht. Und das mit einer hundertjährigen demokratischen Tradition.
Respektabstand zu Island
Österreich liegt mit Respektabstand hinter den Spitzenreitern aus Skandinavien. Ganz oben steht Island, wo der Gendergap beinahe geschlossen ist. Doch das ist ein wirklich positiver Ausreißer in einer global gesehen äußerst dürftigen Bilanz. Wenn es um die globale Verteilung von Rechten und gesellschaftlicher Mitentscheidung zwischen Mann und Frau geht, sind die Männer in Summe um 32 Prozent bessergestellt als Frauen.
Am weitesten ist der Gap zwischen den Geschlechtern auf dem Feld der politischen Mitbestimmung. Männer haben hier 77 Prozent mehr Recht und Macht als Frauen. Bei Lohn und wirtschaftlichen Möglichkeiten ist es immerhin noch ein Überhang von 46 Prozent.
Wer also meint, die Zeichen des Patriarchats seien längst vorbei, muss sich noch ein wenig gedulden. Der männliche Überhang in der Wirtschaft betrifft übrigens nicht nur traditionelle Bereiche. Auch die schöne neue Welt der Artificial Intelligence, also der Digitalisierung, zeigt noch starke männliche Dominanz. Dort sind 78 Prozent der führenden Mitarbeiter Männer, ein Trend, an dem sich in den vergangenen Jahren nichts änderte. Womit die wohl wichtigste Frage 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gestellt werden muss: Wann wird der Gap geschlossen sein, wenn man die langjährigen Entwicklungen zu Grunde legt. Die Antwort der Experten des World Economic Forums wird nicht besonders erheitern. Es sind noch 108 Jahre. Und das vorausgesetzt, es gibt keine Rolle rückwärts, politisch und gesellschaftlich.
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