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Jugendschutzgesetz neu überdenken? sfiin

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Vor einem Jahr wurde Franz Küberl von der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Jugend auf zwei Jahre zum Vorsitzenden des österreichischen Bundesjugendringes gewählt. Der Bundesjugendring umfaßt 17 Jugendorganisationen mit rund 17.000 Gruppen bzw. rund 700.000 Mitgliedern und versteht sich als Interessenvertretung der jungen Menschen bis etwa 25 Jähre. Mit Franz-Küberl führte FURCHE-Redakteur Heiner Boberski das folgende Gespräch.

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Vor einem Jahr wurde Franz Küberl von der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Jugend auf zwei Jahre zum Vorsitzenden des österreichischen Bundesjugendringes gewählt. Der Bundesjugendring umfaßt 17 Jugendorganisationen mit rund 17.000 Gruppen bzw. rund 700.000 Mitgliedern und versteht sich als Interessenvertretung der jungen Menschen bis etwa 25 Jähre. Mit Franz-Küberl führte FURCHE-Redakteur Heiner Boberski das folgende Gespräch.

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FURCHE: Bisher ist der Vorsitzende des Bundesjugendringes - bis' auf eine Ausnahme - von der Katholischen Jugend gekommen. Ist die Katholische Jugend die stärkste Gruppe im Bundesjugendring?

KÜBERL: Sie ist eine der vier starken. Ohne Zweifel war die Katholische Jugend zur Gründung des Jugendringes die weitaus größte und stärkste Jugendorganisation, das hat aber mit den historischen Gegebenheiten nach dem 2. Weltkrieg zu tun, inzwischen hat sich das realistischer eingependelt. Es gibt vier Organisationen, die auf Grund ihrer Stärkeverhältnisse in der Vollversammlung die Sperrminorität haben, das sind Sozialistische Jugend, Gewerkschaftsjugend, Junge ÖVP und Arbeitsgemeinschaft Katholischer Jugend.

FURCHE: Woher bekommt der Bundesjugendring sein Geld, wieviel ist es ungefähr im Jahr, und was macht er damit?

KÜBERL: Der Bundesjugendring selbst bekommt relativ wenig Geld. Der Bundesjugendplan, der vom Unterrichtsministerium ausgeschüttet wird, geht direkt an die Jugendorganisationen. Im heurigen Jahr sind es insgesamt 25 Millionen Schilling, davon geht ein Drittel je zur Hälfte an die beiden Herbergsorganisationen, Jugendherbergswerk und Jugendherbergsverband, und der Rest von etwa 17 Millionen Schilling an die Jugendorganisationen nach einem bestimmten Schlüssel, den der Bundesjugendring dem Bundesminister vorschlägt.

Der Bundesjugendring selbst braucht etwa 1,2 Millionen Schilling.

FURCHE: Mit welcher Zielsetzung wurde der Bundesjugendring gegründet?

KÜBERL: Es waren mehrere. Eine war sicher die damals - 1953 -schwierige Jugendbeschäftigungslage. Eine der ersten Forderungen des Bundesjugendringes war damals das Bundeseinstellungsgesetz, wonach jeder Betrieb ab einer bestimmten Größe eine bestimmte Anzahl von Jugendlichen aufnehmen mußte. Die damalige Not hat sicher viele Jugendorganisationen geeinigt. Ein zweiter Grund waren die Erfahrungen der 1. Republik, wo es ja kaum Kooperation zwischen Jugendorganisationen gegeben hat. Man hat gesehen, daß es eine ganze Reihe von Punkten gibt, wo man quer durch die Organisationen hindurch zusammenarbeiten kann.

FURCHE: Bestehen nicht ständig Gegensätze, etwa seitens Junger ÖVP und Sozialistischer Jugend, welche Anliegen vertreten werden sollen?

KÜRERL: Stärke und Schwäche des Bundesjugendringes zugleich ist, daß ein relativ starker Zwang zur Einvernehmlichkeit herrscht. Das heißt, Dinge, wo man sich nicht einigt, können nicht durchgeführt werden, aber Dinge, die der Bundesjugendring macht, sind von einer soliden Mehrheit der Organisationen, auch der parteipolitisch unterschiedlichen, getragen. Das bedeutet aber auch, daß stark kontroversielle Sachen nur sehr schwer behandelt werden können.

Aber es gibt eine Reihe von Aktivitäten, die durchaus via Bundesjugendring behandelt worden sind und auch werden. Ich denke an internationale Aktivitäten, an große Aktionen ä la Ungarn 1956 oder die Vietnam-Hilfe-Aktion anfangs der siebziger Jahre, die in dieser Größenordnung sicher nicht zum Tragen gekommen wären, wenn sich nicht der Bundesjugendring eingeschaltet hätte.

Eine wichtige Aufgabe ist auch die Gesetzesbegutachtung.

Da werden viele Sachen, etwa auf dem Schulsektor, recht still und einvernehmlich gefordert. An spektakulären Dingen war es sicher vor allem das Zivildienstgesetz, wo der Bundesjugendring sehr maßgeblich mitgewirkt hat.

FURCHE: Orientiert sich nun der Bundesjugendring, wenn er Forderungen erhebt, an der vermeintlichen Mehrheit der Jugendlichen oder handelt er nach einem Wertsystem, denn die Mehrheit muß ja nicht unbedingt in die richtige Richtung zielen?

KÜBERL: Es gibt sicher Forderungen, die nach unserer Meinung von der Mehrheit der Jugendlichen gestützt werden, es sind aber auch Forderungen, die für bestimmte Minderheiten zutreffen. Der Bundesjugendring hat sich zum Beispiel im Vorjahr relativ stark in der Behindertenfrage engagiert, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das allen Jugendlichen ein Anliegen ist, wie ja auch für andere Bevölkerungsschichten die Behinderten oft nicht so ein Anliegen .sind. Es ist sicher eine ganz klare Aufgabe des Bundesjugendringes, auch für Minderheiten einzutreten oder Probleme erst bewußt zu machen.

Das heißt, es geht sehr wohl um Forderungen an die verantwortlichen Stellen, es geht aber auch sehr oft um Bewußtseinsprozesse, die durch Diskussionen innerhalb des Bundesjugendringes ausgelöst werden, auch zurück in die eigenen Organisationen. Denn eins darf man ja nicht übersehen: Der Bundesjugend-ring ist die einzige Stelle und die einzige Möglichkeit für viele Jugendfunktionäre, über die Grenzen ihrer Organisation hinaus mit Ideen anderer vernünftig konfrontiert zu werden.

Daher würde ich als einen der wesentlichsten Punkte des Bundesjugendringes sehen, daß man mit vielen Problemen und Dingen, verschiedenen anderen ^Vorstellungen, konfrontiert wird. Das ist ein äußerst bedeutender Lernprozeß für alle Beteiligten, der in der Langzeitwirkung nicht unterschätzt werden darf.

FURCHE: Was sind derzeit Punkte, wo der Bundesjugendring sich einig ist und eine Forderung erhebt?

KÜBERL: Im wesentlichen wird es in der Zukunft - das fußt jetzt nicht auf Beschlüssen, sondern darauf, wie die Dinge aus meiner Perspektive aussehen - sicher um die Frage Jugendschutz gehen, wo man wirklich einmal daran gehen muß, verstaubte Bestimmungen zu überdenken.

Man muß überlegen, ob bestimmte Gesetze, die vor 20 oder 30 Jahren zum Schutze der Jugend gemacht worden sind, heute noch die Jugend schützen oder ob sie nicht sinnlos geworden sind, wie Fümkommissio-nen, denn wie man erfährt, werden die Altersgrenzen bei den Filmen ohnedies nicht eingehalten. Das heißt, es stimmt ja alles nicht mehr mit der Praxis überein, es ist eher ein Anreizfaktor, wenn etwas für Ältere ist, daß man schaut, als Jüngerer auch hineinzukommen.

Dann: Vereinheitlichung des Jugendschutzes, der ja Ländersache ist.

Wahrscheinlich wird in den nächsten Jahren noch kommen, daß man die Volljährigkeit endgültig bei 18 Jahren einpendeln wird und Wahlrecht und Volljährigkeit vereint. Dann wird hier wahrscheinlich für längere Zeit Ruhe eintreten.

Kommen wird sicher noch vom Bundesjugendring einiges zur Drogenproblematik. Wir werden selber schauen müssen, daß wir entsprechend stärker in den eigenen Reihen über das Problem informieren, und überlegen, was Jugendgruppen tatsächlich tun können, wenn irgendein Bekannter in Abhängigkeit von solchen Dingen gerät...

FURCHE: Gehören da auch die Sekten dazu?

KÜBERL: Ich würde die Drogenfrage und die Frage der politischen und religiösen Sekten in ähnlichen Zusammenhängen sehen, das sind Erscheinungsformen - genauso wie das Motorrad-Syndrom, - wo man auch bei uns schauen muß, ob man das nicht vernünftiger in den Griff kriegen kann.

Überhaupt möchte ich sagen, daß die Jugendverbände ja einen immensen Anteil an vorbeugender Sozialhilfe leisten. Ich glaube daher, je mehr man die Jugendgruppen und -verbände fördert, umso eher wird eine vernünftige, jugendgemäße und relativ freie Sozialisation des Jugendlichen möglich sein.

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