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Neue Formen der Jugendarbeit

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Die größte österreichische Jugendorganisation, die Katholische Jugend, begeht das 20. Jahr ihres Bestehens mit dem Führerkongreß in Salzburg. Dieser wurde im Juni 1966 durch eine Studientagung in St. Pölten vorbereitet. Aus der Kenntnis der dort geführten Gespräche seien einige Gedanken zur weiteren Diskussion im Ringen um neue Konzeptionen für die Jugendarbeit in Österreich beigetragen.

Wir wollen unter Jugendarbeit die erzieherischen Bemühungen aller in Frage kommenden Institutionen und Gemeinschaften außerhalb von Familie und Schule verstehen. Der Vorrang der beiden letzteren sei unbestritten. Was nun den Bund, die Länder und die Gemeinden betrifft, ist deren diesbezügliches, sehr oft verdienstvolles Wirken anzuerkennen, gleichzeitig aber auch festzustellen, daß es nottut, bei den bisher bejahten Grundsäitze zu bleiben. Nämlich: Die freie Jugendarbeit materiell und ideell zu unterstützen, sie jedoch nicht zu beeinflussen. Erbeten aber ist eine beratende Funktion bei der Erstellung langfristiger Konzepte und die Mithilfe zum Entstehen einer jugendfreundlichen Atmosphäre. Österreichs Jugendorganisationen andererseits, die bereits weithin von öffentlichen Mitteln leben, sollten sich wohl darauf besinnen, wie sie sich im Falle eines Aufhörens des Geldstromes verhielten. Verbände, denen starke und gesicherte Träger, wie Gewerkschaften, Kirchen oder Par teien fehlen, wären in einem solchen Falle tatsächlich auf die nur schleppend geleisteten Mitgliedsbeiträge angewiesen und müßten dann wenigstens ein Minimalprogramm durchführen können.

Krise der Jugendarbeit?

Die Tätigkeit unserer Jugendorganisationen ist heute in der Öffentlichkeit im allgemeinen anerkannt und wird kaum noch als ein Hobby nie erwachsen werdender „Berufsjugendlicher“ angesehen. Daß nur etwa 20 Prozent der Jugendlichen organisiert sind, entspricht den Verhältnissen in demokratischen Staaten. Die Ausstrahlungskraft einer Organisation hängt nicht allein von der Mitgliederzahl, mehr noch vom dort herrschenden Geist, von gezeigten Initiativen und neuen Ideen ab. Gerade aber neue Ideen wurden seit 1945 nicht zu viele geboren. Daß die Zeit der traditionellen Jugendbewegung und auch die der Bekenntnisjugend vorbei ist, erkennen alle verantwortlichen Führer und Funktionäre. Die vielfach attraktiven Angebote der Freizeitindustrie, die mangelnde Verbreitung der Jugendverbandspresse und ähnliche Gegebenheiten werde»! deutlich gespürt; Versuche zu deren Abhilfe jedoch nur meist zaghaft unternommen. Nun ist es nicht nur in Österreich so. Ein vom CENYC (Council of European National Youth Committees) im Jahre 1965 in Rom veranstaltetes Seminar zur Vereinigung Europas, dessen Teil nehmer ausschließlich junge Politiker und junge Funktionäre waren, brachte kaum nennenswerte neue Gedanken. Das Ergebnis waren Resolutionen, die in den Archiven verstauben. Was aber noch immer fehlt, sind konkrete Schritte zur Verwirklichung des schon so lang geforderten „Europäischen Jugendwerkes“. Dazu wäre es nötig, Parlament und Regierung ernstlich einzuschalten, endlich aber auch die bestehenden Reserven gegenüber dem aktiven Europahauis Wien abzubauen.

Öffnung zum Gespräch

Was wir vorerst überall brauchen, ist die Öffnung, das Gespräch. Kraft seiner Ziele und seiner Struktur böte sich hier eine echte Aufgabe für den österreichischen Bundesjugendring. Dessen sichtbare Tätigkeit besteht im Verabschieden von Resolutionen, im Durchführen einiger Veranstaltungen, in der Herausgabe von Broschüren und in der Erstellung eines Verteilungsvorschlages für die Bundesjugendplangelder. Denkbar wäre, daß jede seiner Mitgliedsorganisatio- nen gewissermaßen „Spezialist“ für ein bestimmtes Sachgebiet der Jugendarbeit wird und dann ihre gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse allen zur Verfügung stellt. Darüberhinaus aber könnte sich der Bundesjugendring, unabhängig davon, wer ihm angehört, für alle an Jugendfragen Interessierten als ständiges Gesprächsforum anbieten. Wie oft diskutieren wir doch nur am Rande der Probleme oder greifen selbst bestechende Lösungsvorschläge nicht auf. Bei gutem Willen wäre es aber denkbar, losgelöst von organisatorischen Fragen, zu einer „Zusammenarbeit in der Sache“ zu kommen. Dies beweisen uns Weltjugendfestspiele, Entwicklungshilfeinitiativen und Versuche bei der staatsbürgerlichen Erziehung.

Was bewegt die Jugend?

Sachtragen sind uns allen gemeinsam. Stellen wir uns doch einmal die Frage, warum unsere Organisationen im allgemeinen nur Jugendliche aus ihren bisherigen Einzugsgebieten erfassen und bei der Arbeit mit den über Achtzehnjährigen so oft stagnieren? In erster Linie, weil wir noch immer viel zu wenig mit modernen Methoden arbeiten. Weil Klubabende, Seminare, Tanz- und Schallplattenveranstaltungen entweder viel zu selten, oder viel zu wenig originell dargeboten werden. Weil wir zwar Jahresparolen verkünden, manchmal aber nicht wissen, was die Jugend wirklich bewegt und interessiert. Wieviele geistig fundierte und wirtschaftliche gutgeführte Jugendzentren haben wir denn, wo sind die „informativen Gruppen“? Mit der bisherigen Rundenarbeit kommen wir vor allem bei den „jungen Erwachsenen“ nicht mehr weiter. Wäre nicht Helmut Kentlers These, daß eine Gruppe die Aufgabe hat sich ein Ziel zu geben, dieses Ziel zu erreichen und dann wieder auseinanderzugehen, noch viel gründlicher — wenn auch kritisch — durchzudenken? Oder aber sind es nicht noch oft die Braven, die Faden, welche in unseren Reihen sind, während uns die Drängenden, Problemgeladenen, zu unbequem erscheinen?

Wann eigentlich wird die Katholische Jugend zur Kenntnis nehmen, daß sie mit ihren drei Gliederungen eben nicht an alle jungen Menschen herankommen kann und aus dieser nur noch von Bornierten zu übersehenden Tatsache die Konsequenzen ziehen?

österreichische Jugendillustrierte?

Wie sohon angedeuitat, wird die Jugendverbandspresse viel zu wenig gelesen, was nichts mit ihrer Auflagezahl zu tun hat.

Das Dilemma um den Nationalfeiertag 1966 hat innerhalb des Bundesjugendringes starken Widerhall gefunden, was hoffen läßt, es werde im kommenden Jahre rechtzeitig zu einer Eigeninitiative der österreichischen Jugend kommen.

Bereits diese wenigen, herausge griffenen Fragen zeigen, in welch ungenügendem Maße wir bisher die Erkenntnisse der Pädagogik, der Physiologie und der Soziologie unserer Arbeit zugrunde gelegt haben. Welche Dienste könnte hier das österreichische Institut für Jugend kunde leisten, wenn es einige Befähigte gäbe, die imstande sind, wissenschaftliche Aussagen umzusetzen für die praktische Jugendarbeit! Freilich müßten sich unsere Organisationen dann für diese Institution auch stärker finanziell engagieren. Und sei es vorerst eines einzigen Zieles wegen: Aus dem allseits zu spürenden Unbehagen unserer Führer- und Funktionärsschulung her- ausikommen. Vor allem in höheren Führungsstellen wird ein Mindestmaß an Bildung, an Kenntnissen der Jugendpsychologie und an Fähigkeit zur Gesprächsführung als selbstver ständlich vorausgesetzt, was öfters zu Überforderungen führt. Hier wären die Fachleute, egal wo sie stehen, zur Mitarbeit an der Erstellung eines pädagogischen Konzepts einzuladen. Diese Bemühungen könnten an ihrem Ende zur Gründung einer

„österreichischen Akademie für Jugendführer“, welche der freien Jugendarbeit verfügbar wäre, führen.

Wie die größeren Gemeinschaften die kleineren zu unterstützen haben, ist es Aufgabe der an der Spitze Stehenden, zur Entlastung ihrer oft allein gelassenen Mitarbeiter in den unteren Ebenen praktisch verwertbare Methoden zu finden. Das aber bedingt Wissen um die vorhandenen Probleme und um die ungelösten Fragen. Das Gespräch zu deren Bewältigung ist im Gange; wer denn sollte es initiativ weiterführen und zu konkreten Ergebnissen bringen,

als die Katholische Jugend Österreichs, die sich darstellt

• als — Kirche,

• als — Katholische Aktion,

• als — Gemeinschaft junger Menschen,

• als — Jugend in der Welt.

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