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Digital In Arbeit

Jugend und Wirtschaft- unzufrieden sind beide

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Fast 200.000 Lehrlinge beschäftigt derzeit die österreichische Wirtschaft, und mehr als 7 Mrd. Schilling müssen jährlich für die Ausbildung dieser jungen Mitarbeiter aufgebracht werden. Gewaltige Zahlen und sicherlich eine bemerkenswerte Leistung. Aber - die österreichische Wirtschaft klagt und bewertet die Leistungsbereitschaft vieler Jugendlicher nur selten positiv. „Es fehlt am notwendigen Leistungswillen”, wird lautstark festgestellt. Und: „Die meisten Jugendlichen besitzen von der heutigen Arbeitswelt Vorstellungen, die fast immer von nicht erfüllbaren Illusionen geprägt sind.” Urteile, über die nachzudenken sicherlich lohnenswert sein könnte.

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Fast 200.000 Lehrlinge beschäftigt derzeit die österreichische Wirtschaft, und mehr als 7 Mrd. Schilling müssen jährlich für die Ausbildung dieser jungen Mitarbeiter aufgebracht werden. Gewaltige Zahlen und sicherlich eine bemerkenswerte Leistung. Aber - die österreichische Wirtschaft klagt und bewertet die Leistungsbereitschaft vieler Jugendlicher nur selten positiv. „Es fehlt am notwendigen Leistungswillen”, wird lautstark festgestellt. Und: „Die meisten Jugendlichen besitzen von der heutigen Arbeitswelt Vorstellungen, die fast immer von nicht erfüllbaren Illusionen geprägt sind.” Urteile, über die nachzudenken sicherlich lohnenswert sein könnte.

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Es ist eine unleugbare Realität, daß sich viele junge Menschen in der heutigen Arbeitswelt nur sehr schwer zurechtfinden. Geklagt aber wird nicht nur in den Unternehmungen selbst. Auch die Jugendlichen sind unzufrieden. Sie fühlen sich in dieser für sie völlig unbekannten Arbeitswelt kaum geborgen. Sie sind unsicher. Es fehlt an Kontakten und Orientierungen. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind ihnen unbekannt. Die Informationen, die man ihnen gibt, sind für die meisten Jugendlichen kaum zu begreifen und nicht einzuordnen; etwas Anonymes!

So kommt es dann, daß die Arbeit keinen Spaß mehr macht. Sorgfalt und Leistung lassen nach und sind nicht mehr etwas absolut Selbstverständliches. Die Jugendlichen orientieren sich anderswo und kennen schon bald ihre Rechte besser als ihre Pflichten. Was dazu führt, daß sie zur Zusammenarbeit ebenso schlecht motiviert sind wie zur Arbeit und Leistung überhaupt.

Natürlich kann ein solcher Zustand von der Wirtschaft nicht akzeptiert werden. Doch jammern alleine hilft nicht. Es muß also etwas geschehen, und es müssen Mittel gefunden werden, die die Eingliederung junger Menschen in die österreichische Wirtschaft zumindest problemloser gestalten. Warum aber gibt es überhaupt diese Schwierigkeiten?

Die Ursachen sind vielfach. Da ist einmal die Schule, die heute kaum Möglichkeiten besitzt, diese unsere Arbeitswelt transparent darzustellen. Und ganz zu schweigen davon, daß diese Schule darüber hinaus noch in der Lage wäre, den Jugendlichen einen praxisbezogenen Einblick von den heutigen, selbst für die Fachleute oft schwierig zu erkennenden Zusammenhängen der Wirtschaft zu vermitteln.

Sicherlich gibt es die vielen schönen bunten und gut gemeinten Prospekte, die die verschiedenen Berufe erklären. Aber diese Prospekte ber richten kaum von den vielen sozialen und gesellschaftlichen Problemen der Arbeitswelt. Ist es da verwunderlich, wenn den jungen Berufstätigen so mit Sicherheit das persönliche Umfeld ihres Berufes zuerst einmal völlig anonym bleibt?

Wie sieht es denn tatsächlich in der Praxis aus? Die jungen Menschen kommen völlig unvorbereitet in ihren Beruf. Die zahlreichen Einflüsse, die Meinungsvielfalt in der heutigen Wirtschaft, der Leistungsdruck im Arbeitsleben, das alles sind für sie unbekannte Dinge, die sie teilweise erschrecken. Die Zusammenhänge zwischen Anweisungen, Arbeit, Kosten und Nutzen werden ihnen nicht bewußt. Was nützten die reinen fachlichen Kenntnisse, die man den jungen Mitarbeitern überall vermittelt, wenn man ihnen auch nicht gleichzeitig den Sinn und Effekt der verlangten Leistung klarmacht?

Und die Konflikte, die sich daraus ergeben, werden noch verstärkt durch einen sich in fast allen österreichischen Betrieben fast zwangsläufig ergebenden Generationsunterschied. Viele der älteren Mitarbeiter können es heute einfach niefit verstehen, wenn junge Leute ihre eigene Wohnung haben oder ein Auto besitzen. Sie beurteilen dann das Verhalten dieser jungen Menschen aus ihrer Sicht und nur aus ihren Erfahrungen.

Aber, die Zeiten haben sich nun einmal geändert. Die materiellen Voraussetzungen und Rechte, die Jugendliche heute besitzen, sind beträchtlich größer als die, die viele der älteren Mitarbeiter in der Vergangenheit hatten. Diese Entwicklung aber stört nicht selten die Kontakte zwischen jung und alt und führt zu Vorurteilen, die das Bild der Jugendlichen in der Gesellschaft, vor allen Dingen aber auch in der Wirtschaft, negativ erscheinen läßt.

Das Verhältnis Jugend und Wirtschaft ist sicherlich gestört. Dabei kann es wohl beiden nicht gleichgültig sein, wie hier schnellstens eine Besserung eintritt. Von einer Heilung ganz zu schweigen. Was also ist zu tun?

Nun, zuerst einmal kommt es wohl darauf an, die jungen Mitarbeiter aufzuklären. Ihnen Orientierungshilfen zu.geben. Sie mit der Gedankenwelt des Betriebes, der Wirtschaft und des jeweiligen Berufszweiges überhaupt vertraut zu machen. Kontakte zwischen den Ausbildern und Jugendlichen herzustellen. Den jungen Leuten die Scheu und Angst vor gemeinsamen Gesprächen und Fragen zu nehmen. Ihnen klarzumachen, daß sie zwar ohne fachliche Kenntnisse kaum eine Chance haben, daß es aber auch noch andere wichtige Fertigkeiten in der Berufsbildung gibt. Beispielsweise, daß ohne die Gemeinschaft fast keine Erfolge möglich sind.

Durch Diskussionen, Fallbeispiele und durch die Teilnahme an außerbetrieblichen Referaten sollten die jugendlichen Mitarbeiter lernen, in Zusammenhängen denken zu können. Sie müssen lernen und wissen, wie wichtig Hilfsbereitschaft, Selbstdisziplin und Selbstverantwortung für jedes Unternehmen ist. Aber auch, wie sehr es darauf ankommt, daß die Gemeinschaft, in der wir leben, von allen Beteiligten geschützt werden muß. Sie brauchen Informationen über die Verantwortung der eigenen Gesundheit ebenso, wie Hilfe und Anregungen zur Weiterbildung, zur Eigeninitiative und zum Austausch der im Beruf gemachten Erfahrungen.

Die Berufserziehung heute muß sicherlich anders gestaltet werden. In den meisten Betrieben haben sich die Methoden gegenüber früheren Zeiten kaum gewandelt Nach wie vor ist es den Jugendlichen - besonders in den Großbetrieben - fast nicht möglich, auch einmal direkt mit dem Chef ein Gespräch zu führen. So kommt es zu Klischeevorstellungen, die unnötig sind.

Die Unternehmungen sind sicherlich nicht schlecht beraten, wenn sie sich wesentlich mehr um die Sorgen und Probleme der jungen Berufstätigen in Gesprächen und Seminaren kümmern würden. Und sie sollten vor allen Dingen mehr Wert auf eine Erlebnisausbildung legen.

Junge Menschen wollen etwas erleben. Auch im Beruf! Eine Realität, die jedes Unternehmen direkt zu einer Herausforderung zwingen sollte. Unsere Wirtschaft ist ja voll von Unbekanntem. Sie bietet genügend Möglichkeiten, nie Langeweile auf- kommen zu lassen, und sie ist ein weites Feld, auf dem alle jungen Mitarbeiter reichlich Selbsterfahrungen und Anerkennungen sammeln sollten und können…

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