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Auf dem Weg zum „Miniparlament“

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Der österreichische Bundesjugendring (ÖBJR) ist ein Zusammenschluß von zur Zeit 17 verschiedenen parteipolitischen, konfessionellen und unabhängigen Kinder- und Jugendorganisationen. In letzter Zeit ist dieser ÖBJR eigentlich nur durch Geldforderungen und interne Streitereien in der Öffentlichkeit präsent gewesen.

Vielleicht ist es gerade von daher wichtig, das Bild dieser „Superorganisation“ ein wenig zurechtzurücken und gleichzeitig die Rolle der größten Jugendorganisation - der Katholischen Jugend - darin zu beschreiben.

Der Bundesjugendring wurde im Jahre 1953 auf Initiative der Katholischen Jugend und der Sozialistischen Jugend gegründet, aus der Überzeugung heraus, daß es notwendig sei, daß sich die österreichischen Jugendorganisationen stärker als in der Ersten Republik verständigen sollten. Ein ganz konkreter Anlaß zu mehr Gemeinsamkeit war damals auch die starke Jugendarbeitslosigkeit, wo der eben gegründete Bundesjugendring - dem sieben Organisationen angehörten - dann gleich beweisen mußte, daß er in der Lage war, als Sprachrohr der Jugend aufzutreten.

Die Initiativen des Bundesjugendringes seit seiner Gründung sind vielfältiger Natur: Der ÖBJR wirkt in vielen Einrichtungen als Vertreter der österreichischen Jugend, so unter anderem in der Jugendschriftenkom- mission, Zivildienstkommission und Ausbildungskommission des Verteidigungsministeriums. Der Bundesjugendring hat seit seinem Bestehen an der Erarbeitung aller die Jugend betreffenden Gesetze sowohl durch politische Initiativen als auch durch Begutachtung mitgewirkt und ist ein relevanter Gesprächspartner jeder Regierung in Sachen Jugend.

Auf Vorstöße des ÖBJR gehen unter anderem das Zivildienstgesetz, die Herabsetzung der Volljährigkeit sowie die Vereinheitlichung der Jugendschutzbestimmungen der Länder zurück.

Das Institut für Jugendkunde, das die Aufgabe hat, Probleme und Verhaltensweisen der Jugendlichen zu erforschen und Vorschläge für die Jugendbetreuung und Jugenderziehung zu machen, und der österreichische Jugendrat für Entwicklungshilfe, der Entwicklungshelfer entsendet, sowie Öffentlichkeitsarbeit und Bewußtseinsbildung für Anliegen der Entwicklungsländer betreibt, sind Gründungen des ÖBJR.

Die Mitgliedsorganisationen des ÖBJR bekommen zur Zeit rund 17 Millionen Schilling, den sogenannten Bundesjugendplan, der - demokratischer als in den Bundesländern - auf Grund eines Verteilungsvorschlages des ÖBJR vom Unterrichtsministerium ausbezahlt wird. Die Katholische Jugend bekommt von diesem „Kuchen“ zwei Millionen Schilling.

Da die Katholische Jugend seit der Gründung des Bundesjugendringes bis auf eine Ausnahme alle Vorsitzenden gestellt hat, ist von vornherein eine starke Mitwirkung bei allen Vorgängen und Aktionen gegeben.

Durch die Zusammensetzung des Ringes ist natürlich auch handfeste Parteipolitik mit im Spiel. Hier ist es der Katholischen Jugend sicher schon oft zugekommen, die Konflikte auf eine sachlichere Ebene zu bringen.

Das heißt für die Katholische Jugend aber auch, sich mit den politischen Realitäten hart auseinanderzusetzen, und die Beschlüsse des Ringes auch innerkirchlich verantwortlich mitzutragen. Daß dies nicht immer glattgeht, zeigen etwa die Vorgänge rund um die Vietnamhilfeaktion.

Die Katholische Jugend realisiert durch die Mitarbeit zweitelsonne aucn den Apostolatsauftrag der Kirche, an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken.

Allerdings steht der Ring zur Zeit ohne Zweifel auch vor großen Problemen:

• Die Jugendförderung durch die Regierung stagniert seit Jahren (nach dem Realwert gibt es 1977 weniger Bundesjugendplanmittel als 1966), für 1977 wurde auch die Nationalfeiertagssubvention für politische Bildung (eine Million Schilling) gestrichen.

• Der Druck, unter dem die meisten Jugendorganisationen stehen, ist immens. Es ist die große Gefahr gegeben, daß ein Ubers-Parteihäferl-Schauen in nächster Zukunft nicht möglich ist. Die letzte Vollversammlung des Bundesjugendringes wurde ja zu Recht mit dem Ausdruck „Miniparlament“ beschrieben.

Die Konsequenz aus diesen Vorgängen ist es aber, daß gemeinsame Initiativen des Bundesjugendringes zu anstehenden Jugendproblemen (Jugendarbeitslosigkeit, Berufsausbildungsgesetz, Schülervertretungsgesetz ...) kaum gegeben sein werden.

Ungelöst ist auch die Frage von Neuaufnahmen in den Bundesjugendring, leider geht es nicht mehr so gut wie in den Zeiten der großen Koalition, wo man eben eine rote und eine schwarze Jugendorganisation in Absprache aufnehmen konnte.

Die große Stärke des Bundesjugendringes ist zugleich die große Schwäche: die im Statut zwingend vorgeschriebene „Einmütigkeit aller“ bei Beschlüssen.

Wenngleich im Bundesjugendring das Verhältnis der Organisationen untereinander besser ist, als das Verhältnis der „Mutterorganisationen“ untereinander, so ist die Hoffnung vieler, der Ring müsse doch besser sein können als die Erwachsenenorganisationen, illusorisch.

Der Ring wird nur in dem Maße anders, in dem die Erwachsenenorganisationen sich qualitativ verändern, denn jede Jugendorganisation wird sich - zumindest in großen Zügen - an die Linie der Erwachsenenorganisationen halten müssen, wenn sie überleben will. Einige Räsonierungsbei- spiele der letzten Jahre zeigen dies ja ganz deutlich...

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