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Beurteiltman Viktor Klimas neues Regierungsteam nach dem Frauenanteil, so ist das Ergebnis enttäuschend: nur drei Ministerinnen und einer Staatssekretärin stehen neun Minister, zwei Staatssekretäre und ein Bundeskanzler gegenüber. Ähnlich sieht es im österreichischen Nationalrat aus: rund 27 Prozent der Abgeordneten sind Frauen. Unter den Fraktionen weisen bisher nur die kleinen Oppositionsparteien einen gleichmäßigen Frauenanteil auf. Lediglich die Grünen haben mehr als 50 Prozent Frauen in ihren Beihen.

Auch auf Europaebene sieht es für Frauen nicht rosig aus: eine Abgeordnete im Europäischen Parlament sitzt drei männlichen Kollegen gegenüber. Ahnliche Verhältnisse herrschen auch in der Europäischen Kommission: nur fünf von 20 EU-Kommissaren sind weiblich.

Verglichen mit den Führungsetagen großer Wirtschaftskonzerne geht es in der Politik jedoch beinahe frauenfreundlich zu. Hier gilt der Grundsatz: Je höher die Position in der Firma, desto dünner wird die Luft für Frauen. Auf Management- oder Vorstandsebene findön sich stets Männerrunden.

Laut Österreichischem Statistischem Zentralamt liegt der Frauenanteil unter den „Angestellten mit führender Tätigkeit" bei geringen 14 Prozent.

Um die Quotenregelung

ist es in den letzten Jahren still geworden. Das Thema kommt mit dem Frauenvolksbegehren jetzt wieder auf den Tisch.

Trotz dieser unbefriedigenden Zahlen ist es im letzten Jahr etwas still um die Quotenregelung geworden. Schuld daran hat offensichtlich ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGh) in Luxemburg von 1995, ,das damals der Stadt Bremen verboten hatte, Frauen bei gleicher Qualifikation männlichen Bewerbern automatisch vorzuziehen. Ein Urteil, das von der Europa-Beauftragten für Frauen im Frauenministerium, Brigitte Brenner, als erheblicher Rückschritt in der Gleichbehandlungspoli-tik der Europäischen Union bewertet wird. Viele (Männer?) meinten damals, daß die Diskussion um die - wie es hieß - leidige Frauenquote endlich beendet sei.

Für die Initiatorinnen des Frauen-Volksbegehren ist das 'Thema jedoch nicht vom Tisch. Ganz oben in ihrem Forderungskatalog steht, daß wirtschaftliche Unternehmen nur dann öffentliche Aufträge und staatliche Förderungen erhalten sollten, wenn sie auch dafür sorgen, „daß Frauen auf allen hierarchischen Ebenen ent-

sprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind".

Oft genügt es schon, wenn das angefeindete Wort „Frauenquote" einfach durch ein anderes ersetzt werde, meint Brenner vom Frauenministerium. So könnte man statt „Quotenregelung" doch einfach „besondere Zielvorgabe" - nämlich die bevorzugte Einstellung von Frauen - sagen, schon wäre mit weniger Widerstand in der Durchsetzung dieser Maßnahme zu rechnen.

Für sehr begrüßenswert hält Anna Sporrer, Vorsitzende der Gleichbe-handlungskommission der Privatwirtschaft und Juristin im Bundeskanzleramt (BKA), die Forderung nach einer Koppelung wirtschaftlicher Subventionen mit dem Vorweisen eines entsprechenden Frauenanteils an der Belegschaft. „Die Gleichberechtigung der Frau am Arbeitsplatz ist ein wichtiges öffentliches Ziel. Warum sollte man hier nicht mit staatlichen Mitteln entsprechend nachhelfen?" stellt Frauenrechtsexpertin Sporrer dieses Modell zur Diskussion.

Bei einer Scheidungsrate von etwa 30 Prozent in Österreich hält es Sporrer für ökonomisch notwendig, daß Frauen einer beruflichen 'Tätigkeit nachgehen. Auch gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist immer noch nicht selbstverständlich in Österreich. Nicht zuletzt ein Grund, warum die neue Karenzregelung - volle 24 Monate Karenz gibt es nur, wenn die letz-

ten sechs Monate vom Partner übernommen werden - dem neuen Finanzminister viel Geld ersparen wird. „Die meisten Familien können es sich nicht leisten, auf das Einkommen des Mannes zu verzichten", erklärt Sporrer. Schließlich sei es immer noch eine Prestigefrage für Männer, nicht in Karenz zu gehen. „Einem Mann wird nie vorgeworfen, er sei karrieresüchtig, wenn er sich nicht um die Familie kümmert", ist sie überzeugt.

Der EU-Beitritt habe aber trotz des EuGh-Urteils den österreichischen Frauen eine Verbesserung ihrer Rechte gebracht. Das Gesetz zur Verfolgung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder das österreichische Gleichbehandlungsgesetz gehen auf europäische Gesetze zurück. Nun wollen die österreichischen Experten ihrerseits etwas zur Verbesserung der Stellung der Frau am europäischen Arbeitsmarkt beitragen. Die österreichische Delegation soll bei der Amsterdamer Begierungskonferenz im Frühjahr dieses Jahres den Vorschlag einbringen, daß Frauenförderungs-maßnahmen in das Primärrecht (eine Art Verfassung) der Europäischen Union aufgenommen werden sollen. „Damit würden alle Interpretationszweifel bei Gleichberechtigungsfragen beseitigt werden und den europäischen Juristen könnte man ein schlagkräftiges Werkzeug in die Hand geben, um die Beeilte der Frauen effektiver durchzusetzen", erklärt Frauenrechtsexpertin Sporrer.

Alles fordern, vieles erreichen

Nun haben wir es also: das Frauenvolksbegehren. Kein Wunder: an den Fragen, um die es da geht, haben sich ein Vierteljahrhundert nicht nur (qualifizierte!) Politikerinnen, W7issenschaf-terinnen, Journalistinnen, Managerinnen ('Theologinnen, um die ja nicht, zu vergessen!) und Vertreterinnen vieler anderer Richtungen und Lebensbereiche beziehungsweise -formen „die Zähne ausgebis-

Nein, eigentlich doch nicht: sie sind (fast) alle wieder da, unterstützen eine Initiative von Aktivistinnen, die noch nicht voller blauer Flecken und Narben sind. Die noch daran glauben, daß es „den großen Wurf" geben kann, und die zumin-

dest meinen, daß man mit Visionen nicht gleich in die Psychiatrie verwiesen werden sollte. Die überzeugt sind, daß man alles fordern muß, um vieles zu erreichen, und die nicht nur vieles auf ihre Fahnen schreiben, um wenigstens etwas zu bekommen - die also die 'Theorie und Strategie der „kleinen Schritte" über Bord geworfen haben.

Sie werden alle wissen, daß ihr Volksbegehren zumindest oder mehr (hoffentlich!) als einen Achtungserfolg erringen wird. Daß es nicht nur ein Frauenvolksbegehren, sondern auch Männersache ist — und es gibt sie schon, die überzeugt

sind und sich einsetzen. Aber es wird ihnen hoffentlich auch klar sein: der Griff nach den Sternen ist ein Bisiko. Da tauchen dann auf einmal die Zaghaften auf, die meinen, daß etwas (also ein bißchen) auch schon ein Erfolg ist. Und die Badikalen, die „alles oder nichts" sagen.

Und auch noch die „Institutiona-list (inn)en", die gleich eine Frauenpartei fordern (alles schon dagewesen, sogar in Österreich ...)'. Letztere sind aber eigentlich die Pessimistinnen: sie halten personale und gruppenspezifische Initiativen und auch das Volksbegehren für zu

schwach. Hoffentlich (!) zu Unrecht.

Es könnte nämlich zumindest die Integration von Ideen und Forderungen (ernsthaft, nicht nur programmatisch) in der Parteien- und Interessenvertretungslandschaft bewirken. Man denke an die „Grün-Ideologie": sie hat sich durchgsetzt, in (fast) allen Parteien. Die Grün-Parteien haben es letztlich nicht gebracht ...

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