"Der Softie ist Geschichte"

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Gerhard Amendt, Väter- und Geschlechterforscher, über Gunnar Prokop, Scheidungsväter, Muttersöhne und den "neuen Mann".

Die Furche: Was halten Sie von den Aussagen Gunnar Prokops, des Gatten der Innenministerin, wonach die Frauen "in die Kuchl" gehören?

Gerhard Amendt: Das ist ein traditionelles Familienverständnis - recht intolerant gegen Alternativen vorgetragen.

Die Furche: Das klingt sehr zurückhaltend...

Amendt: Ich bin Wissenschafter, ich mache keine Politik. Die Art, wie er es vorgetragen hat, zeigt, dass er dieses Modell nur bevorzugt, weil er das andere Modell abwertet.

Die Furche: Bei emanzipierten Frauen - besonders Vertreterinnen der Frauenbewegung - schrillen bei solchen Worten die Alarmglocken. Tatsächlich geht man davon aus, dass Prokop einem Drittel der Österreicher - Männer wie Frauen - aus der Seele spricht...

Amendt: Wenn man die Frauenbewegung so versteht, dass sie für alle Frauen eine Kopfwäsche sein sollte auf dem Weg in eine bessere Welt, dann ist das ein eigentümliches Verständnis. Es zeigt sich in Österreich wie in Deutschland, dass das Modell, wonach beide Partner berufstätig sind, von nur 17 Prozent praktiziert wird. Die Frauenbewegung hat Optionen formuliert. Aber alle Frauen und Männer müssen das Recht haben, ihre eigenen Wege zu gehen.

Die Furche: In Deutschland ist zuletzt ein regelrechter Geschlechterkampf aufgeflammt. Auslöser war der Vorschlag von Justizministerin Brigitte Zypries, heimliche Vaterschaftstests unter Strafe zu stellen. Haben Sie die heftigen Reaktionen überrascht?

Amendt: Nein. Was mich nur erstaunt hat, war die Heftigkeit: Dass dieser dumm-unverschämte Gesetzesentwurf die Männer auf die Barrikaden bringt - und die Frauen mit wenigen Prozentsätzen weniger als die Männer - damit habe ich nicht gerechnet. Ministerin Zypries hat in alt-radikal-feministischer Weise gemeint, man könnte mit der dna-Gesetzgebung das Recht der informationellen Selbstbestimmung kurzerhand so ausweiten, dass man die Männer zugleich an die Leine legt. Eigentlich ging es ja darum, dass man die Menschen nicht ohne deren Willen genetisch kartografieren darf. Und nebenbei wollte sie dann die Kuckuckskinderfrage lösen. Doch sie hat sich völlig verrechnet. Andererseits gibt es immer noch viele Frauen, die sagen: Ja, aber die Männer kümmern sich doch nicht um die Kinder! Und damit glauben sie begründen zu können, dass man ihnen die Klärung der Kuckuckskinderfrage verbietet. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Die Reaktionen haben jedenfalls gezeigt. Die Männer für dumm zu verkaufen, das wollen weder die Frauen noch die Männer.

Die Furche: Was ist dran an der Klage vieler Väter, dass sie gerade in Familienangelegenheiten verstärkt ihrer Rechte beraubt wurden?

Amendt: Das ist sicher ein Faktum. Es gibt eine Reihe von Gesetzen, die Männern das Leben schwer machen, weil Männer kollektiv als die dargestellt werden, die die Schuldigen oder die Täter sind. Wenn man etwa das Wegweisungsgesetz anlässlich von partnerschaftlichen Gewaltepisoden hernimmt: Wir wissen aus der Forschung nur zu gut, dass Frauen genauso wie Männer daran beteiligt sind. Nur die Öffentlichkeit will es nicht wahrnehmen. Das macht sehr vielen Männern - gerade jüngeren - Probleme. Sie machen die Erfahrung, dass sie in der Öffentlichkeit als die dastehen, die immer die Bösen sind. Männer sehen sich aber trotzdem nicht als Opfer. Sich als Opfer zu sehen, das entspricht nicht der männlichen Mentalität.

Die Furche: Männer sehen sich auch nicht als Opfer der Jugendämter?

Amendt: Ich würde vorziehen zu sagen: Die Männer werden vom Jugendamt diskriminiert. Sie sind dort nicht Opfer - sie können sich wehren, und sie machen das auch. Die Männer, die sich in den Vätervereinen organisieren, lassen sich das nicht mehr gefallen. Deshalb tun die Jugendämter und Familiengerichte auch gut daran, sich langsam zu ändern. Warum ich so gegen den Begriff des "Opfers" bin, liegt daran, dass der Opferbegriff immer bedeutet: Ich konnte mich nicht wehren. Und das gibt es nicht. Die Frauenbewegung ist der beste Beweis dafür: Viele reden von den Frauen als Opfern, aber gleichzeitig haben Frauen so viel verändert. Es wäre geradezu eine Beleidigung von Frauen zu sagen, sie seien immer Opfer, nachdem sie so vieles in den Geschlechterbeziehungen geändert haben.

Die Furche: Tatsache ist, dass die Männer immer öfter aus den Familien verschwinden. Wie wirkt sich Vaterlosigkeit auf Kinder aus?

Amendt: Die Kinder brauchen Vater und Mutter - und zwar nicht nur, weil zwei besser sind als einer, sondern weil beide unterschiedlich sind. Das Kind gehört anfangs zur Mutter und ist auch noch lange nach der Geburt eine Fortsetzung der gemeinsamen weiblichen Physiologie. Und der Vater steht draußen. Das heißt: Wenn das Kind zum Vater geht, muss es die Mutter verlassen. Aber nicht in dem Sinn, dass die Mutter abgewertet wird, sondern dass es seine Welt erweitert. Wenn der Vater nicht ständig gegenwärtig ist, ist das bis zu einer gewissen Grenze kein Manko. Nur später, wenn die Kinder größer werden, müssen die Mütter die Kinder natürlich gehen lassen...

Die Furche: Was ist, wenn sie - etwa Söhne - nicht gehen lassen?

Amendt: Wir haben in einer empirischen Studie 1500 Mütter und 1000 Söhne befragt. Das Ergebnis war: Wenn die Mütter die Söhne nicht gehen lassen, dann entsteht eine Mutter-Sohn-Nähe, die für den Sohn sehr schädlich ist. Die Mütter halten die Söhne fest, wenn sie mit ihrem Mann nicht zufrieden sind. Und der Sohn wird zum Partnerersatz. Er will ihr gefallen. Vielleicht will er auch das gut machen, was der Papa außer Acht lässt. Und so erfährt er als kleines Kind: Ich weiß, was für Frauen gut ist. Das werden dann die größten Machos. Das werden die, die sagen: "Komm, erzähl mir nichts, ich weiß doch, was für dich in Ordnung ist." Das ist für die Söhne von Nachteil und für die Frauen der späteren Generation.

Die Furche: Bei jungen Buben fehlt oft nicht nur die Vaterfigur, sondern auch das männliche Role-Model in Kindergarten oder Schule...

Amendt: Das ist sicher ein großes Problem. Wenn man vom Gender Mainstreaming spricht, dann müsste man auch sagen, dass in Krippe, Kindergarten und Grundschule die Männer fehlen. Es ist ein Unterschied, ob jemand seinen Unterricht bei einer Lehrerin hat oder bei einem Lehrer. Man kennt ja die Fälle, dass ein Schüler bei einer Lehrerin - womöglich einer tollen Pädagogin - ausgesprochen schlecht ist und sitzen bleibt. Auf einmal hat er einen Lehrer - plötzlich geht es! Das hat damit zu tun, dass das Geschlecht beim Entstehen wie beim Verhindern der Lernfähigkeit eine große Rolle spielt. Insofern wäre es gut, wenn die Schulen ausbalanciert wären.

Die Furche: Dass es nicht so ist, liegt wohl auch daran, dass sich Männer für - nebenbei schlecht bezahlte - Berufe wie Kindergärtner oder Volksschullehrer weniger interessieren...

Amendt: Richtig, wobei die ersten Lehrer in Preußen pensionierte Offiziere waren. Erst später sind die Frauen in diesen Bereich gekommen - und haben damit gewissermaßen die Familie in diesen Bereich hinein verlängert. Hier gibt es sicher sehr traditionelle Geschlechterbilder. Und die kann man nicht in zwei Jahren ändern. Man sollte aber zumindest ein Problembewusstsein entwickeln.

Die Furche: Die Männer zieren sich nicht nur, in die Volksschule zu gehen, sondern auch, für ihre Kinder in Karenz zu gehen...

Amendt: Auch das ist eine menschheitsgeschichtliche Strömung. Dass wir aber heute überhaupt über den Austausch von Geschlechterrollen in bestimmten Bereichen reden können, hat damit zu tun, dass der Produktionsprozess nicht mehr die Härten hat, die er früher hatte. Vor 70 Jahren hat es in den Fabrikshallen keine Heizungen und kaum Licht gegeben. Das hätte die Frauen körperlich überfordert. Umgekehrt müssen Männer heute nicht mehr lernen, wie man Babykost macht. Die kann man kaufen. Und die Wäsche in die Maschine schmeißen kann schon ein Vierjähriger. Sowohl in der Produktion wie in der familiären Reproduktion hat man heute also Bedingungen, die es Männern wie Frauen ermöglichen, die Rollen zu wechseln.

Die Furche: Über diesen Rollentausch freuen sich aber nur gewisse Männer - Stichwort "neuer Mann". Wie geht es Ihnen mit diesem Begriff?

Amendt: Die Rede vom "neuen Mann" erscheint mir wahnsinnig oberflächlich. Ich kenne diese Debatte noch von damals, als es hieß: Der Softie ist da. Doch die Frauen haben schon nach ein paar Jahren gesagt: Was soll ich mit einem Softie? Ich will einen Mann im Bett. Damit war die Debatte beendet. Das Prinzip, das hinter dem Softie gesteckt ist, war: Ich muss meine Männlichkeit verleugnen. Ich lege meine Geschichte ab, weil sie schlecht ist oder weil die Frauen sagen, dass sie schlecht ist. Der politische Name dafür lautet Profeminismus. Doch in der Zwischenzeit löst sich das auf. Ich denke, der Softie wird als der Versuch in die Geschichte der Geschlechterbeziehung eingehen, dass eine kleinere Gruppe von Männern versucht hat, sich durch Übernahme feministischer Ziele als die guten Männer darzustellen. Wenn das die neuen Männer waren - sei's drum.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Buben und Väter unter druck

Sie fallen in der Schule häufiger durch, sind öfter in psychologischer Behandlung und in Sonderschulen - und lesen laut pisa auch signifikant schlechter als Mädchen: Buben sind in vielfacher Hinsicht zu Sorgenkindern geworden. Sozialministerin Ursula Haubner (fp) wünscht sich deshalb eine "verstärkte Förderung der Buben in der Schule". Die Männerpolitische Grundsatzabteilung in ihrem Ministerium hat zudem eine Studie über die wissenschaftlichen Grundlagen der Buben- und Burschenarbeit in Auftrag gegeben, die im Herbst präsentiert wird. Neben den Buben sind auch die Scheidungsväter im Fokus der "Männerabteilung". So fördert man seit zwei Jahren so genannte "Besuchscafés": In "neutralen" Räumlichkeiten sollen geschiedene, getrennt von der Familie lebende Elternteile ihre Kinder treffen können. 90 Prozent der Ausgegrenzten sind Männer - wobei oft Gewalt oder Missbrauch vorausgegangen sind, sodass die Vertrauensbasis zwischen den Eltern gestört ist. Die meisten Väter besuchen diese Cafés derzeit aber noch nicht freiwillig, sondern werden vom Gericht zugewiesen. DH

Nähere Infos unter www.bmsg.gv.at bzw.(01) 71100-3442.

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