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Männer in der Defensive: Verzerrte Proportionen

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Die Männer sind heute in der Defensive – und das ist angesichts der jahrhundertelangen Unterdrückung der Frauen auch gut so. Aber nicht nur. Für Männer gilt es, sich zu einem neuen Selbst vorzuarbeiten. Über das Suchen und Finden der Balance.

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Die Männer sind heute in der Defensive – und das ist angesichts der jahrhundertelangen Unterdrückung der Frauen auch gut so. Aber nicht nur. Für Männer gilt es, sich zu einem neuen Selbst vorzuarbeiten. Über das Suchen und Finden der Balance.

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Die Philosophin Svenja Flaßpöhler schreibt zurecht, Frauen seien heutzutage zumindest im Westen unbestreitbar so frei wie noch nie. Wäre diese Freiheit jener der Männer gleich, und wäre die männliche Freiheit nicht überproportional, müssten Männer eigentlich nichts dagegen haben – denn sie schränkte ihre Freiheit keineswegs ein. Und doch tut sie es: Denn wichtiger als der Status Quo ist der über Jahrhunderte etablierte Status, der vielen Männern als naturhaft erscheint. Stichwort hegemoniale Männlichkeit.

Daher empfinden viele Gleichberechtigung, die Zurecht-Rückung in die Balance, als Benachteiligung ihrer Position und sehen sich allenthalben mit neuer, freier, weiblicher Konkurrenz konfrontiert: auf dem Arbeitsmarkt, im Privatleben, im öffentlichen Diskurs. Überall haben Frauen plötzlich, zumindest rechtlich und potenziell, genauso viel zu sagen wie das ehemals „starke Geschlecht“.

Die alte Manneswarte

Die Renaissance rechtskonservativer Positionen und Parteien, die Fluchten in (digitale) Männlichkeitsspiele samt Gewehr und Gewalt, das (un)bewusste Herabstufen des Weiblichen – dies alles wird nachvollziehbar, blickt man auf die nun fortschreitende „Feminisierung der Kultur“ von der alten Manneswarte. Denn am Anfang des Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft, sagt etwa die Soziologin Sabine Hark, seien Frauen gewaltvoll in eine reproduktive und passive Rolle gezwungen worden. „Die Teilung privat/öffentlich sollte das Problem der notwendigen Reproduktionsarbeit mit einem spezifischen Geschlechterverhältnis beantworten. Die Männer arbeiten für Lohn auf dem Feld, später in der Fabrik, die Frauen leisten unentlohnte Sorgearbeit zu Hause.“

Dieses Modell ist seit den 1970ern in die Krise geraten, mit #metoo symptomatisch geworden – just an der „Schnittstelle von Sexualität und Arbeit“. Denn Männer fürchteten den Machtverlust und reagierten darauf mit Abwehr und neuen Unterwerfungsformen. Das Hauptproblem ist dabei weniger die Sexualität, sondern die Gewalt. Auch die Publizistin Barbara Sichtermann argumentiert ähnlich: „Die Blicke, die Gesten, die Worte, die Berührungen, sie sind zu großen Anteilen eben nur erotisch maskiert. Streift man die Maske ab, erscheint der Machtanspruch.“

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