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Nicht auf das Männliche absenken

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Eine Gleichheit mit dem Mann könne die Frau nur durch Selbstverstümmelung, durch Reduktion auf das Maß des Mannes erreichen.

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Eine Gleichheit mit dem Mann könne die Frau nur durch Selbstverstümmelung, durch Reduktion auf das Maß des Mannes erreichen.

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Wollen wir gleich sein mit den Männern, wollen wir sein wie sie? Ich frage mich: wieso eigentlich? So monströs, wie Männer sich, seit es ein Patriarchat gibt, in der Geschichte aufführen, damit möchte ich nicht gleich sein! Die Gleichheit ist überhaupt das allererste, was zu Debatte steht. Eine solche Gleichheit wäre auf alle Fälle eine Katastrophe ...

Gleichheit der Frauen als Absenkung auf das männliche Niveau hat in letzter Zeit zu einem gruseligen Beispiel geführt. Es ist aus der ehemaligen DDR. Dort haben sich nämlich in den letzten Jahren Tausende von Frauen sterilisieren lassen, bloß weil sie dann größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben glaubten. Man kann ihnen dann nämlich nicht mehr vorwerfen, daß sie zwischendurch Kinder bekämen und deswegen ausfielen: Die Gleichheit mit dem Mann erreicht die Frau eben nur durch Selbstverstümmelung, durch Reduktion auf sein Maß.

Ich gehe selbstverständlich von einer „Differenz" aus, aber nicht von der patriarchal definierten Differenz, nämlich der Minderwertigkeit von Frauen. Ich gehe davon aus, daß Frauen verschieden sind von Männern. Ich beharre darauf, daß das diskutiert wird, weil wir sonst aus dem Dilemma nicht herauskommen. Inzwischen sagen ja sogar Frauen: „Diese bösen Mütter, die kleben immer noch an ihren Kindern und an ihrer Gebärfähigkeit, anstatt sich endlich davon zu befreien"!

Denn daß alles voneinander getrennt wird - „Teile und Herrsche" heißt das in der Politikwissenschaft — daß alles auseinandergerissen und zerstört wird, ist ja gerade patriarcha-le Politik. Die Frauen sind schon viel zu viel getrennt worden von allem und jedem und dazu von ihrem eigenen Leibe, ihren Kindern, Männern und ihrer Lebensweise, als daß man das auch noch fortsetzen dürfte ...

Es gibt inzwischen eine große Spaltung unter den Frauen, die sich auch an der Verwendung des Regriffs „Gender" zeigt, und an dem, was damit für eine Politik gemacht wird. Wenn das „Geschlecht" nur mehr eine naturunabhängige, gesellschaftlich oder technisch oder kulturell manipulierbare persönliche „Identität" darstellt, dann wären noch verbliebene Unterschiede zwischen Frauen und Männer lediglich sekundär oder zufällig, jedenfalls bedeutungslos. Es handelt sich also um eine Art von Politik der Gleichheit durch Geschlechtslosigkeit oder eine Vielfalt von Geschlechtern, die den Gattungsbegriff aufgehoben haben. Damit werden der (weibliche ) Leib und die Gebärfähigkeit zum „Nebenwiderspruch" der Frauenbewegung. Zu sagen, Frauen seien gleich (verschieden) wie Männer (untereinander), nur daß die Männer das noch nicht gemerkt haben, und wir Frauen dem etwas nachhelfen müßten, bedeutet im Grunde genommen, daß Frauenpolitik von der Bühne gleich wieder verschwinden kann.

Wozu braucht man Frauenpolitik, wenn Frauen und Männer prinzipiell gleich sind, und es auch keine natürlichen Unterschiede - von historischen einmal abgesehen - zwischen ihnen gibt, also weder Männer noch Frauen überhaupt existieren? ... Das ist ein Programm zur Selbstabschaffung der Frauen, bevor noch die Frauenfrage im mindesten gelöst ist. Es wäre gewissermaßen die Endlösung der Frauenfrage. Merkwürdiger- oder bezeichnenderweise ist ja die Genderdiskussion eine Weiterentwicklung der emanzipatorischen Frauenpolitik-Bewegung.

Die Autorin ist

Universitätsprofessorin am Institutfür Politikwissenschaft in Innsbruck, ihr Beitrag ein Auszug aus ihrem Vortrag „Femokratie " gehalten am Institut für Studien in Salzburg 1994 zitiert im Bericht des Institutes „Keine Demokratie ohne Frauen ".

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