6977368-1985_50_04.jpg
Digital In Arbeit

Von der Alibifrau zur Quotenfrau

19451960198020002020

Frauen wollen aufgrund ihrer eigenen Leistungen und ihres Einsatzes Positionen in der Politik erreichen. Denn: Was man sich nicht selber erkämpft, geht schnell wieder verloren.

19451960198020002020

Frauen wollen aufgrund ihrer eigenen Leistungen und ihres Einsatzes Positionen in der Politik erreichen. Denn: Was man sich nicht selber erkämpft, geht schnell wieder verloren.

Werbung
Werbung
Werbung

Das politische Engagement von Frauen findet heute breiteste gesellschaftliche Zustimmung bei Frauen wie bei Männern. Nach einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach teilen nur noch 14 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer das Vorurteil, „Politik ist Männersache“.

Dieser Bewußtseinswandel in. breiten Bevölkerungsschichten drückt sich auch in einem wachsenden Selbstbewußtsein der politisch aktiven Frauen aus. Die Zahl der weiblichen Mitglieder in den Parteien ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen, ihr Anteil an Führungspositionen jedoch nicht..

Es ist eine Tatsache, daß Frauen im 10. Deutschen Bundestag, gemessen an ihrem gewachsenen Anteil an der Mitgliederzahl, weniger Mandate als im Jahre 1953 haben. Sie finden sich nicht mehr damit ab, daß schon 1919 der Weimarer Nationalversammlung 9,6 Prozent Frauen angehörten, dem heutigen Bundestag gerade zehn Prozent.

Frauen sind nicht länger bereit, dieses krasse Mißverhältnis zwischen Mitgliederstärke und der Zahl der weiblichen Mandatsund Funktionsträger hinzunehmen und sich mit einigen „Alibifrauen“ zufriedenzugeben.

Parteien jeglicher Couleur stehen — wollen sie weiterhin bei Frauen erfolgreich sein — unter dem Zugzwang, in stärkerem Maße als bisher Frauen zu präsentieren. Die Politik mit ihren männlich orientierten Machtstrukturen kann sich diesem gesellschaftlichen Wandel nicht länger entziehen. Parteien werden künftig auch daran gemessen, wie sie mit ihren Frauen umspringen.

Ist die Gleichberechtigung von

Mann und Frau in der Politik über Quoten zu regeln? Zumindest die SPD hat die Quotenregelung auf Drängen der. weiblichen Parteimitglieder als Patentrezept entdeckt, um den Vormarsch der Frauen zu forcieren.

Auf ihrem Landesparteitag im September hat die bayerische SPD den Beschluß gefaßt, jedes vierte Mandat solle künftig entsprechend des weiblichen Mitgliederanteils an eine Frau gehen. Frauen wollen damit unabhängig vom Wohlwollen der Männer den Beweis antreten, daß sie Mandate und Führungspositionen genauso ausfüllen können.

Es mutet schon paradox an, wenn „Frauenreservate“ eingerichtet werden müssen, damit das Geschlecht letztendlich keine Rolle mehr spielt!

Im Dreisprung über Alibi- und Quotenfrau zur Gleichberechtigung? Ist eine Quotenvorschrift der richtige Weg zur innerparteilichen Gleichsteilung der Frau? Wird da nicht Gleichberechtigung mit Gleichmacherei verwechselt?

Diskussionen um Quoten spielen in den bundesdeutschen Unionsparteien kaum eine Rolle. Die meisten aktiven Frauen der Basis lehnen es ab, im Quotenkontingent nur wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit gewählt zu werden, denn der Anerkennung ihrer politischen Leistungen würde immer dieser Grundverdacht entgegenstehen. Dies ist für Frauen entwürdigend und steht im Gegensatz zur Forderung nach Gleichheit.

Noch nie waren Frauen so gut ausgebildet wie heute, noch nie das politische Interesse der Frauen größer. Frauen wollen aufgrund ihrer Leistungen und ihres Einsatzes Positionen erringen und nicht, weil ein bestimmter Prozentsatz von Plätzen für Frauen reserviert ist.

Mit Frauenreservaten wäre eine Abwertung der Frau zur „Quotenfrau“ verbunden. Gegen Quoten spricht auch die schlichte Erfahrung: „Was man sich nicht selber erkämpft, geht schnell wieder verloren.“

Verfechter einer Quotenregelung müssen sich darüberhinaus die berechtigte Frage stellen lassen: „Wie haltet ihr es mit der innerparteilichen Demokratie?“ Würde eine verbindlich durchgesetzte Quote für Frauen die innerparteiliche Demokratie nicht an die Kette legen?

Verträgt sich die mit der Quotenregelung verbundene Einschränkung des passiven Wahlrechts mit den „demokratischen Grundsätzen“, die zu beachten Artikel 21 des deutschen Grundgesetzes den politischen Parteien auferlegt?

Könnten nicht mit gleichem Recht Arbeitnehmer, Landwirte, Mittelständler eine Quotierung für ihre Interessenvertreter in den Parteien fordern?

In der Praxis wäre eine Quotenvorschrift doch nur durch eine rigorose Gängelung der Delegiertenversammlungen bei den Kandidatenaufstellungen durchzusetzen. Zur Erfüllung der Quoten müßten die jeweiligen Auf Stellungsgremien konsequenterweise festlegen, in welchen Wahlkreisen nur eine Frau und in welchen nur ein Mann aufgestellt werden dürfte — anderenfalls wäre die Quote undurchführbar.

In den Deutschen Bundestag werden in der Regel nur ein Fünftel neue Abgeordnete gewählt, die anderen werden wiedergewählt. Bei der gegenwärtigen Zusammensetzung würde das doch bedeuten, daß die Neulinge alle weiblichen Geschlechts sein müßten. Damit würde einem-seltsamen Politikerinnentyp der Weg bereitet: der „Quotenfrau“, deren mächtigstes Argument ihr Geschlecht ist.

Frauen als Politikerinnen werden heute entgegen eines weitverbreiteten Vorurteils von Frauen sehr geschätzt: 82 Prozent der Frauen mit Abitur, so ergab eine Umfrage des Zürcher Sozialpsychologen Gerhard Schmittchen, finden Politikerinnen sympathisch.

Daß Frauen diese Sympathie in konkretes Wahlverhalten umsetzen, beweisen die bayerischen Kommunalwahlen und die Wahlen, zum Bayerischen Landtag. .Uberall dort, wo die Wähler - bedingt durch das bayerische Wahlrecht - die Listen der Parteien verändern konnten, geschah dies überwiegend zugunsten von Frauen, insbesondere in größeren Gemeinden und Städten.

Und wäre nicht das Münchner Beispiel wirksamer als Quoten? Dort haben Wähler bei den Kommunalwahlen im letzten Jahr dafür gesorgt, daß der Stadtrat zu 35 Prozent aus Frauen besteht. Das bayerische Wahlrecht ermöglicht es, die männliche Phalanx zu durchbrechen: Frauen - meist auf schlechte Listenplätze gesetzt — können nach vorne „gehäufelt“ werden.

Politische Gleichstellung ist nur zu erreichen durch offene und direkte Kandidaturen. Frauen müssen ermutigt werden, sich der Wahl zu stellen.

Die statutengemäße Verankerung eines Frauenanteils dagegen führt zur Bürokratisierung der Frauenfrage, zu einem vielleicht kurzfristigen zahlenmäßigen Vorteil für einige Frauen, aber langfristig zum politischen Nachteil für die Gleichstellung.

Wir müssen uns darüber klar werden: Nicht Quoten werden die verfestigten Strukturen aufbrechen. Die Gleichstellung der Frauen im politischen Bereich kann nicht künstlich herbeigeführt werden, sie bedarf eines gesellschaftlichen Einstellungswandels, zu dem die Frauen einen wesentlichen Beitrag leisten können.

Die Autorin, Diplom-Pädagogin, ist Frau-enreferentin der CSU, Landesgeschäftsfüh-rerih der CSU-Frauen-Union und Generalsekretärin der Europäischen Frauen-Union.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung