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Nicht nur Kiebitz

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Das Referendum Anfang nächsten Jahres, in dem die Männer über die Wahlberechtigung der Frauen in Bundesangelegenheiten zu entscheiden haben, wird über Fortsetzung oder Beendigung einer fast siebenhundertjährigen Vorherrschaft der Schweizer Männer befinden. Abgesehen von der starken Gefolgschaft des Herrn Schwarzenbach, die sich schon jetzt für ein „Nein“ stark macht, dürfte die Zustimmung der Schweizer Männer, zukünftig ihre politische Verantwortung mit den Frauen zu teilen, sicher sein.

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Das Referendum Anfang nächsten Jahres, in dem die Männer über die Wahlberechtigung der Frauen in Bundesangelegenheiten zu entscheiden haben, wird über Fortsetzung oder Beendigung einer fast siebenhundertjährigen Vorherrschaft der Schweizer Männer befinden. Abgesehen von der starken Gefolgschaft des Herrn Schwarzenbach, die sich schon jetzt für ein „Nein“ stark macht, dürfte die Zustimmung der Schweizer Männer, zukünftig ihre politische Verantwortung mit den Frauen zu teilen, sicher sein.

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So nimmt es nicht wunder, daß unter den großen Frauenverbänden noch immer der „Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht“ am meisten gehört wird. 7000 aktiven Mitgliedern konnte die energische und freundliche Präsidentin, die Welschschweizerin Gertrude Girard-Montet, bei der letzten Delegiertenversammlung des Verbandes als Mitstreiterinnen in einem Kampf, dessen Sieg vor der Tür steht, danken. Zähigkeit, Geduld und kluges Taktieren von zwei Generationen selbstbewußter Frauen waren nicht umsonst. Kantone und Gemeinden, die bereits das Frauenstimmrecht eingeführt haben, berichten übereinstimmend von den positiven Erfahrungen, die dabei gemacht wurden.

Ob die Schweizer Frauen im übrigen mit ihrer Rolle in der modernen Gesellschaft zufrieden sind, war erst jüngst das Thema der Umfrage eines großen Marktforschungsinstitutes. 1039 Mädchen und Frauen zwischen 15 und 54 Jahren hatten auf die Frage zu antworten: „Angenommen, Sie kämen noch einmal auf die Welt und könnten wählen, als Mann oder als Frau geboren zu werden — was würden Sie vorziehen?“ (Wobei unter „Welt“ nicht eben bescheiden die Welt des Schweizers verstanden wurde.) Vier von fünf Frauen, so lautete das Ergebnis, sind zufrieden. Der Schweizer Mann ist es auch.zumal ihm eine kurz darauf von dem gleichen Institut durchgeführte kleine Volksabstimmung der Frauen bescheinigt, ein Kavalier zu sein. 60 Prozent, immerhin schon etwas weniger, sind der Meinung, daß der Schweizer Mann keinesfalls besonders ungehobelt sei. Überraschend ist lediglich, daß die Deutschschweizerinnen mit ihrer Anerkennung die Welschschweizerinnen übertrumpfen — 62 zu 55 ist das Verhältnis. Daß im übrigen, wie in der gleichen Umfrage ermittelt wurde, Beatle-Frisu-ren nur 8 Prozent der Schweizerinnen vorbehaltlos gefallen, kann als Zeichen dafür gewertet werden, daß sich der handfeste Sinn der Töchter Helvetias nicht durch Tagesmoden so rasch aus dem Gleichgewicht bringen läßt. Lange Hosen bei der Arbeit übrigens (erbrachte die gleiche Befragung), mißfallen nur 40 Prozent der Frauen — die Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz macht Fortschritte.

Zu wünschen läßt die Gleichberechtigung der Frau vor allem noch auf dem weiten Feld der Berufsausbildung. Akademikerinnen, von Ärzten abgesehen, sind ohnehin selten, hier kann erst die politische Mündigerklärung Wandel schaffen, da der Schweizer Akademiker zugleich fast immer ein öffentliches Amt bekleidet. Daß in Genf bereits 35 Briefträgerinnen arbeiten, nachdem vor sieben Jahren die Starterlaubnis gegegeben wurde, kann auch nicht übermäßig befriedigen. Lediglich in den Lehrberufen, vor allem in den Primarschulen, wächst der Anteil der Frauen unaufhaltsam — im Kanton Zürich sind jetzt 70 Prozent der Oberseminaristen weiblichen Geschlechts.

Die traditionellen Aufgaben der Frau auf karitativem, sozialfürsorgerischem und religiösem Feld, denen sich die Schweizerinnen trotz aller familiären und beruflichen Belastungen mit erstaunlicher Hingabe zur Verfügung stellen, haben eine der festesten Säulen geschaffen, auf denen das Schweizervalk inmitten seines atemberaubenden technischen und ökonomischen Fortschritts ruht. Der Schweizer Mann weiß sehr wohl, was er den Frauen verdankt. Nur beim Jassen müssen diese noch weiter die Rolle des Kiebitzes spielen.

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