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Verspätete Lichtblicke ?

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Eine Studie -der Europäischen Gemeinschaft zeigt eine positivere Haltung der Männer gegenüber berufstätigen Ehefrauen. „Chauvinistisches Schlußlicht” bleibt Luxemburg.

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Eine Studie -der Europäischen Gemeinschaft zeigt eine positivere Haltung der Männer gegenüber berufstätigen Ehefrauen. „Chauvinistisches Schlußlicht” bleibt Luxemburg.

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„Ich muß zugeben, daß ich es lieber sähe, wenn meine Frau ihre Zeit nur damit verbrächte, nach dem Haus und den Kindern zu sehen. Aber es ist ganz einfach fair, wenn sie ihre eigene Karriere macht. Ein Rollentausch kann einem Ehepaar große Probleme bereiten, aber heutzutage sind die Rollen nicht mehr so klar festgelegt. Seit meine Frau nicht mehr jeden Tag nur zu Hause ist, ist sie verständnisvoller und zeigt größeres Interesse an allem.”

Dies sagt Vittorio Uccello, 45, Architekt in Rom. Seine Frau arbeitet im italienischen Außenministerium.

Uccellos Worte spiegeln eine langsame Veränderung in der Haltung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG) wider, was die Rolle der Frau im geschäftlichen und öffentlichen Leben betrifft. Obwohl die Möglichkeit, Arbeit zu finden, für Frauen immer geringer wird — als Folge der Rezession und deren Auswirkung auf Industriezweige, in denen hauptsächlich Frauen eingestellt werden, wie z. B. in der Textilindustrie — wird die Rolle der Partnerin nicht mehr nur als die der Haushüterin und Mutter angesehen.

Man ist überrascht, daß diese Worte von einem Italiener kommen, der von Nicht-Italienern als der größte Gegner der Emanzipation in der Europäischen Gemeinschaft betrachtet wird. Dennoch läßt eine von der EG 1983 durchgeführte Studie vermuten, daß sich Italien genauso schnell entwickelt wie die anderen Länder der Zehnergemeinschaft.

Mit einer Auswahl von rund 10.000 Erwachsenen durchgeführt, zeigt die EG-Studie tatsächlich, daß die Dänen mit 53 Prozent den höchsten Prozentsatz unter den befragten Paaren aufweisen (verheiratet oder nicht), bei denen sich die Männer dafür aussprachen, daß ihre Partner arbeiten. An zweiter Stelle kommen die Deutschen mit 44 Prozent, dann die Holländer, Italiener und Griechen, die sich jeweils bei 43 Prozent einpendeln. Als den Ehefrauen der Befragten dieselbe Frage gestellt wurde, war der Wunsch nach Arbeit bei den italienischen und griechischen Frauen am deutlichsten (76 bzw. 75 Prozent). Es ist somit klar zu erkennen, daß die feministische Bewegung, ob nun strukturbedingt oder nicht, entlang der EG-Mittelmeerküste stark verankert ist.

Erschreckende Realität ist demgegenüber, daß nur ein Drittel der Frauen in der Gemeinschaft gegenwärtig eine gute Stellung besitzen. Rund 66 Prozent dieser berufstätigen Frauen sind verheiratet. Ungeachtet dessen, um welche Arbeit es sich handelt, zeigt die Studie, daß weniger als 40 Prozent der europäischen Männer froh sind, daß ihre „andere Hälfte” selbst ein Berufs- oder Geschäftsleben führt. Die dänischen Männer erweisen sich immer mehr als die am liberalsten Denkenden (53 Prozent sagten, sie seien recht froh über ihre Situation). Zurück liegen die Briten, Belgier, Franzosen und Iren mit 30 Prozent. Die Luxemburger bilden mit 16 Prozent das „chauvinistische Schlußlicht”. (Die Schweiz nimmt zu diesem Thema keinen Rang ein, da sie kein Mitglied der EG ist...) Die „Versuchspersonen” wurden auch gefragt, ob sie glaubten, daß beide Geschlechter bestimmte Berufe gleich gut ausführen könnten, wie z. B. den eines Busfahrers, Zugführers, eines Chirurgen, einer Hebamme

(männlich oder weiblich), eines Anwaltes oder Mitglieds des Parlaments.

Das wenigste Vertrauen wurde dem Beruf der Hebamme entgegengebracht. In Dänemark, Frankreich und den Niederlanden schnitten die Frauen als potentielle Busfahrerinnen gut ab, schlecht dagegen in Irland und Griechenland.

Unterschiedliche nationale Haltungen gegenüber berufstätigen Frauen spiegeln sich auch in einer Probenuntersuchung zu diesem Thema wider: Sie zeigte einige Untertöne, die typisch für das europäische Gemeinleben sind. Gil-lian Knight, eine Britin, die im Außenministerium beschäftigt ist, meint: „Mit 40 heiratete ich. Ich hätte meine jetzige Position niemals erreicht, wenn ich früher geheiratet hätte. Frauen wurden in der Männerwelt des diplomatischen Lebens in Großbritannien einfach nicht akzeptiert.” Margaret Jones, eine berufstätige Britin, die mit einem französischen Anwalt verheiratet und selbst Anwältin ist, läßt auch kein gutes Haar an ihren Kollegen: „Ich glaube, daß französische Anwälte viel mehr Vorurteile gegenüber Frauen haben als ihre britischen Kollegen - und das ist untertrieben. Ich mußte wirklich kämpfen, um das zu erreichen, was ich heute bin.”

Catharine Legrange, eine leitende Angestellte bei einer internationalen Institution in Paris, fügt hinzu: „In meinem Freundeskreis wird das Verhalten der Kinder oft davon beeinflußt, ob die Mutter arbeiten geht oder nicht. Bemerkungen über ein ,Haus-mütterchen' bedeuten nur, sie kann eben nichts anderes.”

Und Frederica Olivares, die die italienische Organisation „Donne e Carriere” (Frauen und Karriere) ins Leben rief, fügt eine weitere Erfahrung hinzu: In unserer Gesellschaft funktioniert die „struttura nonna” - die Rolle der Großmutter im Familienleben -immer noch sehr gut, was die Kinder angeht. „In Wirklichkeit”, meint sie, „sind die italienischen Männer nicht so große Gegner der Emanzipation, wie die Nordeuropäer glauben.” Auch die Haltung der Deutschen gegenüber berufstätigen Ehefrauen ändert sich immer mehr: Ilse Wil-fert, 43, leitende Direktionsangestellte bei Standard Elektrik Lorenz in Stuttgart, meint: „Während meiner ersten Ehejahre war mein Mann völlig gegen meinen Dienstplan. Für ihn war es ganz normal, spät nach Haus zu kommen, aber nicht für mich. Jetzt hat er es akzeptiert... und ist stolz auf meine Karriere.” Alles in allem ändert sich also die Haltung der europäischen Männer gegenüber berufstätigen Frauen, was Geschäft und Beruf angeht, deutlich. Wie allerdings die Politiker und die Wirtschaft bezüglich Arbeitsplätzen für Frauen darauf reagieren, ist allerdings noch ungewiß ...

Die Autorin ist Journalistin bei der französischen Nachrichtenagentur „Agence France Press” (AFP). Der Beitrag ist dem „Profil”, der europäischen Vierteljahresschrift der ITT-Corporation in Brüssel, entnommen.

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