„Wir machen es anders“

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Im Alltag sind muslimische Frauen häufig mit Klischees und Vorurteilen konfrontiert. Die „Jungen Musliminnen Österreichs“ wollen Mädchen helfen damit umzugehen und so einiges umkrempeln.

Viele junge Muslime in Österreich können und wollen keinen Widerspruch zwischen islamischer und österreichischer Identität sehen. „Ich habe mich immer als Österreicherin gefühlt. Als was denn auch sonst? Ich bin ja hier aufgewachsen, hier in die Schule gegangen und habe österreichische Freunde“ sagt Rodaina El Batnigi. Die Pharmaziestudentin entspricht nicht dem Bild, das viele Menschen von muslimischen Frauen haben. Als Jugendleiterin bei den „Jungen Musliminnen Österreichs“, einem Frauenverein, der aus der Muslimischen Jugend Österreichs hervorging, versucht sie durch ihre Arbeit Klischees aufzubrechen. „Es wird ein klares Bild gezeichnet: Die muslimische Frau hat ein bestimmtes Aussehen, ein bestimmtes Verhalten, ist vom Mann unterdrückt und hat nichts im Schädel.“ Sie selbst ist ein gutes Gegenbeispiel. Die 21-jährige tritt selbstbewusst auf und ist neben ihrem Engagement bei den „Jungen Musliminnen Österreichs“ auch im Vorsitz der Bundesjugendvertretung. Ihr ist aber klar, dass es durchaus junge Musliminnen gibt, die damit zu kämpfen haben, dass in ihren Familien nach Traditionen aus islamischen Ländern, die Ungleichbehandlung von Frauen durch den Islam rechtfertigen, gelebt wird. „Es gibt Mädchen, die extrem wenig Freiheiten haben und stark kontrolliert werden. In manchen Familien dürfen die Brüder alles, während den Mädchen gesagt wird, du musst eine brave Muslima sein. Das ist dann aber ein falsches Islamverständnis.“ Diese Fälle stellen ihrer Erfahrung nach aber eher die Ausnahme dar. Den Grund für das schlechte Image der muslimischen Frau, die es als solche ja gar nicht gebe, sieht sie anderswo. „In den Medien wird immer auf negative Aspekte, meistens Einzelfälle, gepocht. Die Fälle werden dann groß rausgebracht, kommen auf die Titelblätter und dann hat man das Klischee von der unterjochten Muslimin und dem gewalttätigenmuslimischen Mann. Positive Beispiele werden einfach nicht medial vertreten.“ Die Tatsache, dass so etwas aber vorkommt, sei ein Mitgrund für die Gründung einer Frauenorganisation gewesen. „Einige Mädchen waren an den Aktivitäten der Muslimischen Jugend Österreichs interessiert, haben uns aber gesagt: Mein Vater erlaubt nicht, dass ich mitmache, weil da so viele Burschen sind.“ Durch eine separate Frauenorganisation könnten gerade auch diese Mädchen gestärkt werden.

Die Aufgabe des Vereins sieht sie darin, „Frauen zu qualifizieren und zu motivieren, sich als selbstbestimmte muslimische Österreicherinnen zu verstehen.“ Dafür wünscht sie sich auch mehr Offenheit. „Wenn in der U-Bahn mein Handy läutet, hebe ich ab und spreche deutsch. Oft tuscheln die Leute dann verwundert. Und leider haken viele mich dann als Sonderfall ab.“ Die Ursprünge für Vorurteile muslimischen Einwanderern gegenüber meint die junge Frau aber nachvollziehen zu können. „Die ersten, die nach Österreich gekommen sind, waren Gastarbeiter aus ländlichen Regionen, die in der Regel einen sehr niedrigen Ausbildungsstatus hatten. Max Frisch hat gesagt: ‚Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen.‘ Das trifft es sehr gut. Alle sind mit ihrem persönlichen Hintergrund, ihrer Sprache, Kultur und Religion gekommen. Diese Leute wollten hier arbeiten und meistens später wieder zurückgehen. Wenn sie doch geblieben sind, hatten sie mit Beruf und Familie und damit, sich zurechtzufinden, zu tun. Das fehlende Kursangebot war sicherlich ein Grund dafür, warum viele die Sprache nicht ausreichend gelernt haben. Aber es gibt jetzt eine neue Generation, die in einer anderen Welt lebt, die es anders macht.“ Wie dieses „anders machen“ aussieht, könne man an den Aktivitäten des Vereins sehen.

Durchsetzung

„Wir sagen den Jugendlichen: Ihr seid Österreicherinnen. Wir wollen, dass ihr euch als Polizistin um alle Österreicher kümmert, an der Technischen Universität arbeitet und euch in der Männerwelt durchsetzt.“ Dabei gelte es, einige Hürden überwinden. „Man ist als muslimische Frau doppelt diskriminiert: Einerseits aufgrund des Geschlechts und andererseits auch aufgrund der Religion, die ja oft äußerlich sichtbar ist.“ Die Organisation arbeitet mit Mädchen zwischen 13 und 25 Jahren. Fortbildungen, Freizeitaktivitäten und soziales Engagement stehen am Programm des Vereins. Qualifikation sieht die Jugendleiterin als das Um und Auf.

„Durch die doppelte Diskriminierung ist es schwieriger sich am Arbeitsmarkt durchzusetzen. Wir geben den Mädchen etwas mit, um besser gerüstet zu sein. Eine kunterbunte Mischung: Projektmanagement, Argumentationstraining, Teamleitung und vieles mehr.“ Die „Jungen Musliminnen Österreichs“ wollen Zukunft gestalten. Eine Zukunft, die von Toleranz geprägt ist, in der Islam und Moderne nicht als Widerspruch gesehen oder dargestellt werden. Dass bis dahin noch viel zu tun ist, ist allen bewusst.

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